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Aufrüstung
Deutschland unterstützt Nato-Verstärkung in Osteuropa

Deutschland will die geplante Aufrüstung an der Ostgrenze der Nato unterstützen. Nach Auffassung der Bundesregierung werde dadurch die Nato-Russland-Grundakte von 1997 nicht verletzt. Generell gelt aber weiterhin die Linie, den Ukraine-Konflikt nicht in einer militärischen Konfrontation zwischen Nato und Russland münden zu lassen.

Von Stephan Detjen, Hauptstadtstudio |
    Der Tagungssaal des Nato-Gipfels wird am 03.09.2014 in Newport, Wales, vorbereitet.
    Die Nato plant eine Aufrüstung an ihrer Ostgrenze. (dpa / picture-alliance / Leon Neal)
    Deutschland wird sich morgen auf dem Nato-Gipfel für eine langfristige Verstärkung von Bündnistruppen in Osteuropa einsetzen. Aus Regierungskreisen in Berlin ist zu hören, Angela Merkel werde sich bei dem Treffen in Wales dafür aussprechen, die Nato-Pläne zum Aufbau schneller Eingreiftruppen schon jetzt auf das gesamte Jahr 2015 zu erstrecken. Die Bundesregierung will den Bündnispartnern morgen deutsche Unterstützung dabei zusagen.
    Bundesregierung: Kein Verstoß gegen die Nato-Russland-Grundakte
    Konkrete Zahlen zu Truppenstärken oder Einheiten der Bundeswehr, die in das Baltikum und andere ehemaligen Ostblockländern entsandt werden könnten, werden noch nicht genannt. Nach Auffassung der Bundesregierung - so heißt es im Umfeld der Bundeskanzlerin - könnten ohne Verstoß gegen die Nato-Russland-Grundakte jedoch Kampfeinheiten bis zur Stärke von drei Brigaden in Osteuropa stationiert werden.
    Das entspricht etwa 12.000 Soldaten. In dem Abkommen sicherte die Nato 1997 zu, "keine Kampftruppen in substantieller Stärke" auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Pakts zu stationieren. Der Begriff "substantielle Stärke" wurde dabei nicht weiter präzisiert. Innerhalb der Nato ist dieser Tage umstritten, ob die Verpflichtungen der Grundakte nach dem Vorgehen Russlands in der Ukraine überhaupt noch gelten. Auch Bundespräsident Gauck hatte am Montag bei der Gedenkfeier zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Danzig gesagt, Russland habe die nach dem Fall der Mauer geschlossene Partnerschaft "de facto aufgekündigt". Regierungssprecher Steffen Seibert stelle dafür heute klar: "Die Bundesregierung steht zur Nato-Russland Grundakte - trotz mancher Enttäuschung über die russische Politik in den letzten Tagen und Wochen."
    Aufrüstung an der Nato-Ostgrenze unterstützen
    Eine weit reichende Interpretation der Grundakte soll es nach Auffassung der Bundesregierung nun ermöglichen, einerseits gegenüber Russland Vertragstreue zu beanspruchen, andererseits eine massive Aufrüstung an der Ostgrenze der Nato zu unterstützen. Die Liste der Vorkehrungen, die auf dem Nato-Gipfel eingeleitet werden sollen, ist lang: bestehende Verbände der Mitgliedsstaaten sollen in erheblichem Umfang unter Nato-Kommando gestellt werden. Übungen- und Überwachungsmaßnahmen, die bereits nach der Zuspitzung der Ukraine-Krise im Frühjahr verstärkt wurden, sollen weiter ausgeweitet werden. Dazu gehören Überwachungsflüge, Minensuchschiffe in der Ostsee und ein U-Boot im Mittelmeer.
    Zudem soll eine schnelle Einsatztruppe aufgebaut werden. Ein weiterer Schwerpunkt soll die Verstärkung von Logistik-Einheiten sein. Dadurch soll es ermöglicht werden, die Nato-Truppen in Osteuropa in - so heißt es in Berlin - "wenigen Tagen" erheblich weiter zu verstärken. In den englischsprachigen Entwürfen für die Pläne des Nato-Beschlusses ist von "very high readiness reaction forces", also hoch einsatzbereite Reaktionskräften die Rede. Die deutsche Übersetzung, die heute aus Regierungskreisen verbreitet wurde, lautet so kurz wie martialisch: "Speerpitze". Es heißt, die Aufrüstung der Nato solle verhindern, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen Nato und Russland komme. Parallel sollen die diplomatischen Bemühungen weiter gehen, denn so der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer: "Wenn man dem Militärischen seinen Lauf ließe, dann sind letztlich die Folgen für beide Länder, insbesondere für die Ukraine, aber auch für uns, unüberschaubar."