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Ausbruch des Bárdarbunga
Vulkankraterverformung beobachten

Der Ausbruch des isländischen Vulkans Bárdarbunga verlief viel glimpflicher als der des Eyjafjallajökull, dessen Aschewolken wochenlang den Flugverkehr lahm legten. Für Vulkanologen war sein Ausbruch ein Glücksfall, denn die konnten erstmals in Echtzeit verfolgen, wie das ausfließende Magma einen riesigen Vulkankrater verformt.

Von Dagmar Röhrlich | 15.07.2016
    Eine Luftaufnahme vom 14.9.2014 zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt.
    Eine Luftaufnahme zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt. (AFP / Bernard Meric)
    Am 16. August 2014 erwachte auf Island mit dem Bárdarbunga ein großer Vulkan. Er befindet sich an der Nahtzone zwischen der eurasischen und nordamerikanischen Erdkrustenplatte und verbirgt sich unter dem Vatnajökull-Gletscher: An der Oberfläche des mächtigen Eispanzers ist von dem vielleicht 700 Meter tiefen Einbruchskrater, der Caldera, kaum etwas zu erahnen.
    "Calderen gehören zu den größten vulkanischen Strukturen auf der Erde. Sie entstehen, wenn bei einer großen Eruption das Dach der Magmakammer einbricht. Das läuft oft explosiv und verheerend ab. Ausbrüche, bei denen Calderen entstehen, sind selten, und so konnten wir erst durch den Bárdarbunga dank der vielen Messinstrumente ein sehr viel klareres Bild davon gewinnen, wie so ein Kollaps einsetzt und was ihn antreibt."
    Magnus Gudmundsson ist Geophysikprofessor an der Universität von Island. Das erste Anzeichen dafür, dass Magma aus der in zwölf Kilometern Tiefe unter der Caldera gelegenen Magmakammer des Bárdarbunga aufstieg, waren Erdbeben:
    "Es zeigte sich innerhalb von einigen Tagen, dass die Erdbeben wanderten, und zwar zunächst nach Südosten, und dann drehte sich die Richtung um 90 Grad, Richtung Nordosten, und erst nach 45 Kilometer Distanz kam es letztendlich zum Ausbruch."
    Magma bahnt sich in sechs bis zehn Kilometer Tiefe seinen Weg
    Das Magma floss also unterirdisch aus der Magmakammer heraus: Es bahnte sich in sechs bis zehn Kilometer Tiefe seinen Weg durch das Gestein und kam erst dort an die Oberfläche, wo es nicht mehr weiterging. Diese große Entfernung zwischen Caldera und Eruptionsort sei die eine Überraschung gewesen, erläutert Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam. Die andere:
    "Während der gesamten Eruptionsphase haben wir eine Interaktion zwischen Caldera und der Eruption gesehen. Die Kopplung sehen wir dadurch, dass sich zum Beispiel Erdbeben an dem Eruptionsherd zeigen und die korrelierten mit Erdbeben an der Caldera wieder in 45 Kilometer Entfernung und andersrum."
    Den Ablauf des Ausbruchs steuerte ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren:
    "Das Dach der Magmakammer begann nicht sofort einzusinken, sondern nachdem über ein paar Tage hinweg vielleicht ein Fünftel des Magmas abgeflossen war. Erst durch diesen Kollaps konnte der Ausbruch ein halbes Jahr lang dauern: Das absinkende Dach der Magmakammer presste Magma heraus wie Zahnpasta aus einer Tube. Es floss dann wie durch eine Pipeline zum Ausbruchspunkt."
    Eurasien und Nordamerika rückten wieder einmal auseinander
    Während der rund sechsmonatigen Eruption sank die unter dem Eis verborgene Caldera des Bárdarbunga um weitere 40 bis 60 Meter ein. Glück war dabei, dass die Lava nicht senkrecht aufstieg und unter dem Gletscher austrat: Beim Kontakt mit schlagartig freigesetzten Schmelzwassermassen hätte es eine verheerende Wasserdampfexplosion gegeben. So verlief die Eruption "friedlich". Das lag zum Teil an dem recht dünnflüssigen basaltischen Magma, das auf Island ausbricht:
    "Der wichtigste Grund dafür, dass das Magma seitwärts abfloss und nicht aufstieg, war jedoch, dass an dieser Plattengrenze die Zeit reif war - reif dafür, dass Eurasien und Nordamerika wieder einmal auseinander rückten. Durch den Kontinentaldrift hatten sich Spannungen im Gestein aufgebaut. Es war, als spanne man ein Stück Stoff und zöge ein Messer hindurch, um es zu zerschneiden: Das geht ganz leicht. So reichte der zusätzliche Druck durch das Magma aus, um die unter Stress stehende Erdkruste dort zwei Meter weit auseinanderzudrücken."
    Mit den gesammelten Daten hoffen die Wissenschaftler mehr über den Mechanismus hinter der Caldera-Entstehung zu erfahren - auch mit Blick auf die Frühwarnung, um erste Signale deuten zu können. Denn der Prozess läuft meist sehr viel schneller und explosiver ab und mit durchaus verheerenden Folgen.