Donnerstag, 25. April 2024

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Auslandsreise des US-Präsidenten
"Sehr viel Inszenierung des Pilgers Trump"

US-Präsident Donald Trump besucht auf seiner ersten Auslandsreise in einem Schwung die Ursprungsländer von Islam, Judentum und Christentum. Am Mittwoch trifft er im Vatikan Papst Franziskus. "Die beiden sind sich relativ ähnlich in manchen Dingen", sagte Geschichtsprofessor Michael Hochgeschwender im Deutschlandfunk.

Michael Hochgeschwender im Gespräch mit Monika Dittrich | 23.05.2017
    Trump trägt eine Kippa und berührt mit einer Hand die Klagemauer.
    Michael Hochgeschwender über den US-Präsidenten: "Trump ist kein sehr religiöser Mensch" (dpa-picture-allliance/Evan Vucci)
    Monika Dittrich: Fünf Länder in neun Tagen: US-Präsident Donald Trump unternimmt derzeit seine erste Auslandsreise. Eigentlich sollte man aber besser sagen: Drei Weltreligionen in neun Tagen, denn das ist das außergewöhnliche an Trumps Reiseroute. Mit Saudi-Arabien, Israel und den Palästinensergebieten hat Trump in einem Schwung die Ursprungsländer der drei abrahamitischen Religionen besucht.
    Darüber will ich jetzt mit Michael Hochgeschwender sprechen. Er ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, außerdem ist er Theologe und ein ausgewiesener Amerika-Kenner. Guten Morgen nach München!
    Michael Hochgeschwender: Grüß Gott, Frau Dittrich.
    Dittrich: Herr Hochgeschwender, welche Rolle spielt die Religion bei dieser Trump-Reise?
    Hochgeschwender: Sie spielt eine wichtige Rolle, denn es geht ja tatsächlich erst einmal darum, enge Kontakte zum Islam zu knüpfen, nachdem sich Trump im Wahlkampf ja sehr anti-islamisch gegeben hat. Es geht zum anderen darum, auch gegenüber seinen Wählern in der Heimat zu zeigen, dass er mit religiösen Führern kann. Insbesondere gegenüber jüdischen Wählern, die zum Teil ja mit der Obama-Regierung sehr unzufrieden waren. Und vor allen Dingen auch gegenüber sogenannten Blue-Collar Catholics, also Katholiken aus der Arbeiterklasse, weißen Katholiken aus der Arbeiterklasse, von denen ihn sehr viele gewählt haben und denen er jetzt auch zeigen möchte: Ich stehe sozusagen auf eurer Seite, indem ich den Papst besuche.
    "Strategische und ökonomische Dinge im Vordergrund"
    Dittrich: In amerikanischen Medien war - im übertragenen Sinn - von einer Pilgerreise die Rede. Da denkt man an Einkehr, Umkehr und Demut. Passt das zu Trump?
    Hochgeschwender: Also eine Pilgerreise ist es nicht, trotz seines Besuches der sogenannten Klagemauer. Aber es ist tatsächlich keine Pilgerreise. Man hat in Riad gesehen, da stehen strategische und ökonomische Dinge im Vordergrund. Auch eine - ich würde sagen - eine gewisse Unkenntnis der Spannungen zwischen Sunna und Schia im islamischen Bereich, in Israel steht der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern im Vordergrund. Am ehesten könnte man das auf den Papst anwenden.
    Aber insgesamt weiß man ja: Trump ist kein sehr religiöser Mensch. Also insofern ist da auch sehr viel Inszenierung des Pilgers Trump mit dabei. Das sind Bilder, die wirken in die Heimat, die jetzt aber nicht sehr viel Aufschluss geben über seine innere Haltung.
    US-Präsident Donald Trump ruft beim Gipfeltreffen mit 55 Islamischen Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus auf (21.5.2017).
    US-Präsident Donald Trump ruft beim Gipfeltreffen mit 55 Islamischen Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus auf. (AFP / Mandel Ngan)
    Dittrich: In Riad in Saudi-Arabien hat Trump eine Rede zum Islam gehalten und er sagte, er komme mit einer Botschaft von "Freundschaft, Hoffnung und Liebe". Verträgt sich das mit Trumps bisheriger Anti-Islam-Rhetorik, die Sie ja eben auch angesprochen haben?
    Hochgeschwender: Ja, es widerspricht ihr konträr. Wobei dahinter stecken zwei sich überschneidende Diskurse: ein nationaler Sicherheitsdiskurs, in dem der radikale Islam als Feind gesehen wird, und ein imperialer Sicherheitsdiskurs, bei dem es darum geht, bestimmte islamische Staaten als Verbündete zu gewinnen. Nun stehen diese beiden Diskurse sich komplett auf den Füßen. Und das merkte man dieser Rede auch an. Die war irgendwie gebremst, in dem, was sie aussagte. Und ich hatte jetzt auch nicht den Eindruck, dass sie die anwesenden Staatsmänner aus der arabischen Welt von den Sitzen gerissen hat.
    Das zweite Problem, das mit der Rede verbunden war: Die sehr einseitige Ausgrenzung des Iran. Wenn man sich die Situation im weltweiten Terrorismus ansieht, ist das ein radikal sunnitischer Terrorismus. Die meisten der Herren, die dort gesessen haben - und es waren ja nur Herren - haben ihre hausgemachten Terrorgruppen bei sich zuhause. Und der IS ist eine sunnitische Terrororganisation, al-Qaida ist eine sunnitische Terrororganisation, die auch auf der wahhabitischen Mission Saudi-Arabiens mit beruht. Da den Iran und die Schiiten in dieser Weise auszuschließen, ist wirklich keine Botschaft von Frieden.
    Papst und Trump - "relativ ähnlich in manchen Dingen"
    Dittrich: Sie haben das eben schon gesagt: Die religiöse Botschaft dieser Reise erreicht auch das amerikanische Publikum. Wie wichtig ist denn die Religion in der amerikanischen Politik für einen amerikanischen Präsidenten?
    Hochgeschwender: Sie ist weiterhin sehr wichtig, hat aber nicht mehr die Bedeutung, die sie noch um 2005 gehabt hat. Also viele Evangelikale waren von der Politik von George W. Bush, der ja einer der ihren war, am Ende sehr enttäuscht. Und insgesamt - wenn man Umfragen Glauben schenken darf - ist die Religiosität der Amerikaner in den letzten zehn bis 15 Jahren deutlich zurückgegangen, ohne dass das jetzt bedeuten würde, man habe einen echten Säkularisierungsschub und die Religion sei irrelevant geworden.
    Im Wahlverhalten sieht man das immer noch: Man sieht, dass konservative Katholiken jetzt eher die Republikaner wählen, weil die Demokraten ihnen keine Angebote machen, dass die Evangelikalen weiterhin zu 80 Prozent republikanisch wählen, obwohl sie mit Trump sehr unzufrieden waren. Die Mormonen wählen ganz klar republikanisch. Das heißt: Es gibt ganz klar religiöse Kerngruppen, die jetzt auch nicht in sich zusammenbrechen, sondern für die Religion weiterhin ein wichtiges Element der Politik bleibt.
    "Haben es mit zwei sehr sprunghaften Personen zu tun"
    Dittrich: Nun wird Donald Trump auch noch nach Rom reisen und im Vatikan Papst Franziskus treffen. Was ist davon zu erwarten?
    Hochgeschwender: Viele behaupten ja, das seien zwei sehr konträre Personen. Ich würde eher sagen, sie sind sich relativ ähnlich in manchen Dingen. Auch vom Papst weiß man ja, dass seine Entourage, wenn er den Mund aufmacht, Schweißausbrüche bekommt, weil man nie so genau weiß, was er im nächsten Moment sagen wird, und ob das, was er heute sagt, mit dem übereinstimmt, was er morgen und übermorgen sagt.
    Also insofern haben wir es mit zwei sehr sprunghaften Personen zu tun, die durchaus in manchen Punkten übereinstimmen - also Fragen der Abtreibung, Fragen etwa auch des Gender-Mainstreaming, wo der Papst ausdrücklich gesagt hat, das sei dämonisch - während sie in anderen Punkten sicherlich überkreuz liegen werden. Ich denke vor allen Dingen an die Flüchtlingsfrage, wo der Papst ja sehr, sehr deutlich war, dass er die Position von Trump nicht teilt.
    Dittrich: Vielen Dank für diese Einschätzungen - Michael Hochgeschwender, Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte und Theologe, heute Morgen bei "Tag für Tag" im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.