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Aussenpolitik
Steinmeiers Antrittsbesuch in Polen

Ob Deutschlands neuer Außenminister künftig als Vertrauter Polens betrachtet wird, steht und fällt vor allem mit seinem Agieren in der Ukraine-Krise. Kommt Steinmeier Russland dabei zu weit entgegen, hätte er es sich wohl mit Warschau verscherzt.

Von Sabine Adler | 19.12.2013
    Wenn Außenminister Steinmeier heute in Warschau eintrifft, wird einer ganz besonders strahlen: Radoslaw Sikorski. Beide kennen sich schon aus Zeiten der Großen Koalition, mögen sich. Liegen dennoch nicht immer auf einer Linie. Denn der deutsche Außenminister gilt den Polen als russophil.
    Deswegen wird der alte und neue deutsche Chefdiplomat wenn nicht skeptisch, so doch aufmerksam beobachtet. zum Beispiel von Piotr Jendroszczyk, dem Deutschlandexperten der Tageszeitung "Rzeczpospolita":
    "Ob die SPD bereit wäre, eine Wende zu machen, weiß man heutzutage nicht. Mit Putin ist das schwer. Die Warschauer Politiker und Publizisten haben immer gesagt, wir kennen Russland besser als ihr. Wir wissen über Putin und Medwedjew und über dieses System mehr. Wir haben unsere Erfahrung."
    Mit Steinmeier wird in Polen das unter rot-grün ausgehandelte Ostsee-Pipeline-Projekt in Verbindung gebracht. Es stieß in Warschau auf Empörung, weil Polen als Transitland für Erdgas seitdem umgangen wird. Sikorski, damals noch als Verteidigungsminister, verglich 2006 das Projekt mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Er griff sowohl Angela Merkel an, die gerade Kanzlerin geworden war, als auch ihren Vorgänger Gerhard Schröder - mit den Worten: "Wir sind besonders sensibel, wenn es um Korridore geht, das erinnert an Locarno und Molotow-Ribbentrop-Pakt."
    Scharfe Töne wie diese gehören der Vergangenheit an, Außenminister Sikorski selbst vollzog die größte Wende. In seiner Berliner Rede 2011 mahnte er in der Euro-Krise mehr deutsche Führung an, für den ehemaligen polnischen Botschafter in Berlin Janusz Reiter schoss Sikorski wieder über das Ziel hinaus.
    "Wie man die deutsche Macht und den deutschen Einfluss in Europa positiv nutzt für Europa, das ist ein historisches Problem. Das Problem ist heute kein dramatisches, kein emotionales, aber die Notwendigkeit des Fingerspitzengefühls bleibt. Und in gewissem Sinne sind Spannungen unvermeidlich. Nur man muss das nicht noch verschärfen, indem man mit falschen Begriffen falsche Eindrücke erweckt."
    Polen unterstützt den Sparkurs der Kanzlerin, obwohl es selbst kein Euroland ist. Die Bestrebungen einer Bankenunion dagegen unterstützt Warschau nicht, die eigene Gesetzgebung sei viel strenger und drohe aufgeweicht zu werden.
    Ob Steinmeier künftig als Vertrauter Polens betrachtet wird, steht und fällt mit seinem Agieren in der Ukraine-Krise. Kommt er Russland dabei zu weit entgegen, etwa indem er Moskau ein Mitspracherecht einräumt, hätte er es sich wohl in Warschau verscherzt. Deshalb muss er jedes Wort genauestens wägen.
    Seiner Modernisierungspartnerschaft mit Russland, die er als Außenminister der großen Koalition anstrebte, konnte man in Polen kaum etwas abgewinnen. An der Weichsel begegnet man Steinmeier offen, unvergessen, wie sich Kanzler Schröder, also die SPD seinerzeit stark gemacht hat für Polens Beitritt zur EU, und doch bleibt Skepsis.
    "Wir haben Bereiche wie die Energiepolitik. Was aber nicht bedeutet, dass wir uns streiten müssen. Die polnische Energiepolitik kann nicht so sein wie die in vielen westeuropäischen Ländern, deshalb glaube ich auch, dass gerade die Zusammenarbeit mit Deutschland wichtig sein kann für Polen, weil Deutschland mit seiner Energiewende Viele interessante, nicht nur positive Erfahrungen macht, die Polen gut nutzen kann."
    Von Steinmeier wird heute erwartet, Polens Expertise in der Ostpolitik anzuerkennen, zur Kenntnis zu nehmen, dass Russland nicht die Annäherung an die EU, sondern das Gegenstück in Form der Eurasischen Zollunion anstrebt. Die Polen kennen ihn als freundlichen zugewandten Gesprächspartner und wissen den frühen Besuch zu schätzen.