Sonntag, 28. April 2024

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Ausstellung in Leipzig
Clara und Robert Schumann - eine Künstlerehe

Clara Schumann war die bedeutendste Pianistin des 19. Jahrhunderts. Zusammen mit dem Komponisten Robert Schumann lebte sie in einer experimentellen Künstlerehe. Die neue Dauerausstellung im Leipziger Schumann-Haus zeichnet ein frisches Bild dieser emotionalen Schaffensgemeinschaft.

Von Dagmar Penzlin | 16.09.2019
    Musiker und Komponisten Robert und Clara Schumann auf einer Lithograpie aus dem Jahr 1847 von Eduard Kaiser, spätere Kolorierung.
    Das wohl berühmteste Paar des 19. Jahrhunderts: Clara und Robert Schumann (pictura alliance / akg)
    Ein kleiner Moment der Verunsicherung ist dann doch da: Darf man diese große Hand aus Holz berühren? Man darf! Clara Schumann: eine Pianistin zum Anfassen in der neuen Dauerausstellung des Leipziger Schumann-Hauses.
    Künstlerin zum Anfassen
    Clara Schumanns Hand sieht aus, als ob sie gleich auf die Tasten eines Klaviers niedersinken möchte: Die sehr langen Finger sind leicht nach unten gewölbt, der muskulöse Handrücken reckt sich nach oben. Die Hand ist in Holz nachgebildet auf Grundlage eines Abdruckes zu Lebzeiten der Musikerin, und der Leipziger Klangkünstler Erwin Stache hat die Hand mit Tönen, Klängen und Musik von Clara Schumann aufgeladen, so dass das Holz-Objekt selbst zum Instrument wird. Für Beatrix Borchard, die Kuratorin der Ausstellung, ein wichtiges Mittel, um Clara Schumann als nahbare Künstlerin zu zeigen.
    "Das ist ein irrer Moment – man hat das Gefühl, man berührt ihre Hand. Wenn man die Hand ganz drauflegt, hört man eine komplette Komposition von ihr. Aber man kann mit den einzelnen Finger auch selbst etwas komponieren."
    Die Hand der Pianistin Clara Schumann aus Holz liegt auf einem schwarzen Untergrund im Schumann-Haus in Leipzig.
    "Claras Hand": Klang-Installation von Erwin Stache mit Werken der Pianistin (Deutschlandradio / Dagmar Penzlin)
    Clara Schumanns Hand aus Holz ist prominent platziert - im Lichtkegel auf schwarzer Säule - im so genannten Ausbildungskabinett: ein schmaler Raum, den ein riesiges, wandfüllendes schwarz-weißes Klavierfragment dominiert. In Schlaglichtern vermittelt sich, wie Clara Schumann als Tochter von Friedrich Wieck zu jener bedeutenden Pianistin und umfassend gebildeten Künstlerin wurde. Kuratorin Beatrix Borchard geht es darum, ein zeitgemäßes Bild von ihr zu zeichnen – fern aller Klischees.
    "Deswegen steht da: 'Clara Wieck war kein abgerichtetes Wunderkind.' Kann man auch im Moment in den Jubelartikeln immer wieder lesen – als wenn sie keinen eigenen Willen hatte. Man wird keine große Künstlerin, wenn man nur mechanisch die ganze Zeit Klavier geübt hat. Uns ging es darum zu sagen: 'Das war ein ganzheitliches Ausbildungskonzept.'"
    Eine Ehe im emotionalen Auffuhr
    Clara Schumanns Mutter Mariane Bargiel als allererste Klavierlehrerin hat ihren Platz im Ausbildungskabinett ebenso etwa ein Brief von Clara Schumann, in dem sie mit über 60 Jahren zurückblickt auf ihren Weg und ihren Vater: "Ich danke ihm Zeit meines Lebens für alle die sogenannten Grausamkeiten" – ein Brief-Zitat, das zum passenden Motto für diesen Raum wird, der wie ein Prolog zur eigentlichen Ausstellung wirkt; ein Raum, der klar macht, welche Persönlichkeit hier mit dem Komponisten Robert Schumann gelebt hat. Alle anderen Räume widmen sich Aspekten der Schaffensgemeinschaft des Ehepaars Schumann, dem Ringen um ein lebbares Miteinander nach der Hochzeit 1840. Im Leipziger Schumann-Haus, in der großbürgerlichen Wohnung in der Inselstraße 18 haben sie die ersten vier Ehejahre gelebt. "Eine Zeit des Experiments", sagt Beatrix Borchard.
    "Wir alle kennen natürlich die Situation. Wie das ist, wie aufregend das ist, was man sich erträumt hat. Und das haben wir hier genutzt als Situation, diese vier Jahre: Wir müssen nicht alles erzählen, nur die ersten vier Jahre."
    Die Kuratorin Beatrix Borchard.
    Die ersten vier Ehejahre der Schumanns im Blick: die Kuratorin der neuen Dauerausstellung Beatrix Borchard (Deutschlandradio / Dagmar Penzlin)
    Im Reisekabinett lassen sich die Konzerttourneen von Clara Schumann nach Dänemark 1842 und nach Russland 1844 nacherleben, und auch welch’ emotionaler Aufruhr damit verbunden gewesen ist. Sie wollte auftreten, musste Geld verdienen fürs Familienleben, er, der noch erfolglose Komponist ohne regelmäßiges Einkommen, wollte sie nicht allein ziehen lassen, brauchte aber auch Ruhe fürs Komponieren. Die innerehelichen Konflikte und die Anstrengungen solcher Reisen etwa mit Schlitten vermittelt ein Trickfilm.
    Im Nebenraum, dem Salon, erklingen Hörstücke zu engen Bezugspersonen des Ehepaars Schumann wie der Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient und dem Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy.
    Clara oder Robert: Wer war wichtiger?
    Vollends multimedial wird es im "Ehe-Experimentier-Raum". Visualisierte Features verbinden Hörstücke mit Filmen, die assoziativ Naturimpressionen, historische Dokumente und Bilder mit Zeichnungen und Collagen verbinden. Alle vier Wände werden zu Projektionsflächen für die leider ziemlich rauschenden Beamer – man taucht förmlich in diesen Ehekosmos ein.
    In der Mitte des Raumes steht ein weißer Tisch in Flügel-Form, von dem aus sich die Features ansteuern lassen. Darauf wie ein Kompass: das berühmte Doppelmedaillon von Clara und Robert Schumann.
    "Was wir umgebaut haben. Das gibt ja den bekannten Streit: Wer ist wichtiger gewesen? Und Schumann hat gesagt: ‚Der schaffende Künstler ist wichtiger als der nachschaffende. Mein Profil muss in den Vordergrund. Und haben wir hier umgedreht, mal ihn im Vordergrund, mal sie. Finde das eine gute Lösung, weil in diesem Ehe-Experimentier-Raum geht es eben darum: Worum kreisen die ersten Ehejahre? Und wenn man die Ehetagebücher anguckt, gibt es ganz klar das Thema Kunst und Liebe – ich dachte, man kann das trennen. Nein, nein! Es ist untrennbar bei den beiden. Dann Geld: Die ganze materielle Grundlage eines Künstlerlebens, wenn man nicht für den Markt arbeiten will, was Schumann nicht wollte. Und der dritte Schwerpunkt sind."
    Das Kind als Störfaktor in der Schaffensgemeinschaft
    Etwas verspielt Kindliches und zugleich Symbolträchtiges bekommt dieser Raum durch eine kleine Klappe im Navigiertisch: Wer sie öffnet, stoppt das gerade laufende Feature und hört den Ruf "Vater komponiert", dann den "Fröhlichen Landmann" aus dem Album für die Jugend von Robert Schumann. Bei aller Reflektion gab es eben zwei – wenn man so will - "Störfaktoren" in dieser Schaffensgemeinschaft: die Kinder und den kreativ-schöpferischen Drang. Beatrix Borchard:
    "Und dann bleibt die ganze Welt stehen! Und das finde ich unglaublich gut, diese Umsetzung, weil so war es ja, alles musste ruhig sein, in dem Moment, wo Musik entstand."
    In der Wohnung an der Inselstraße 18 entstand der gemeinsame Liederfrühling von Clara und Robert Schumann, seine Frühlingssinfonie, auch der Liedzyklus Dichterliebe. Wer sich vertiefen möchte, in seine und ihre Werke findet im Hörkabinett einen gemütlichen Ort zum Versenken in Kompositionen und zum Nachdenken über ein Künstlerpaar, das in seinem Ringen ums Miteinander nicht moderner sein könnte.