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Ausstieg der USA aus der WHO
"Trump will von seinen eigenen Problemen ablenken"

Mit dem Ausstieg aus der WHO wolle US-Präsident Donald Trump nur von den amerikanischen Problemen in der Covid-19-Pandemie ablenken, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann im Dlf. Noch habe er aber die Hoffnung, dass in den USA Vernunft einkehre.

Andrew Ullmann im Gespräch mit Sandra Schulz |
Der FDP-Politiker und Mediziner Andrew Ullmann spricht im Bundestag
Der FDP-Politiker und Mediziner Andrew Ullmann spricht im Bundestag (picture alliance/ dpa/ Fabian Sommer)
Mitten in der Pandemie hat US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus der Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, aus der WHO, verkündet. Man müsse sicher genauer hinsehen, was bei der WHO gut und vielleicht auch weniger gut abgelaufen sei, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, Obmann seiner Partei im Bundestagsgesundheitsausschuss. Aber die WHO dürfe nicht zum Spielball der Politik gemacht werden, wie dies China, vor allem aber die Trump-Administration gemacht hätten. Er habe noch die Hoffnung, dass Vernunft einkehre in den USA.
Sandra Schulz: Die USA hätten für dieses und das kommende Jahr eigentlich einen Betrag von jeweils gut 100 Millionen Dollar an die WHO überwiesen. Was bedeutet es, dass das Geld jetzt fehlt?
Andrew Ullmann: Irgendwie ist es ja dramatisch, die Weltgesundheitsorganisation ist als solches sehr unterfinanziert, hat ein Budget im Jahr durchaus in Äquivalenz wie die Charité in Berlin – wird immer ganz gerne verglichen –, und Gelder spielen natürlich eine große Rolle, um auch die Effektivität einer Weltgesundheitsorganisation aufrechtzuerhalten. Was hier der Präsident der Vereinigten Staaten macht, ist etwas sehr Kritisches: Er lenkt meiner Meinung nach auch von den US-amerikanischen Problemen in der Covid-19-Pandemie ab, und es wirkt auf mich eher so wie eine Art One-Man-Show inmitten einem wirklich gesundheitlichen Notstand. Gerade in den USA ist es ja sehr evident mit über 100.000 Verstorbenen, und ich glaube, da will er will er wieder von seinen eigenen Problemen im Land ablenken.
"Hinschauen, was die WHO gut und vielleicht weniger gut gemacht hat"
Schulz: Würden Sie denn sagen, das Management bei der WHO ist gut gelaufen?
Ullmann: Sicherlich muss man noch mal genauer hinschauen, was die WHO gut und was vielleicht bei der WHO weniger gut abgelaufen ist, aber klar muss sein, dass die Weltgesundheitsorganisation keine Weisungsbefugnis hat. Die Staaten sind souverän, und die WHO hat ja Anfang Januar bereits Warnungen herausgegeben und hat gesagt, da ist etwas in China los, wo wir aufpassen müssen. Ich denke, was letztendlich gesehen werden muss, ist, dass auch letzte Woche in der Weltgesundheitsversammlung [Anmerkung der Redaktion: World Health Assembly - das höchste Entscheidungsgremium der WHO) verabschiedet worden ist. Da ist eine Resolution verabschiedet worden von vielen Ländern, als solches auch unterschrieben worden, hier unter anderem auch von der Europäischen Union, und da ist zum gemeinsamen Handeln aufgerufen worden, gerade im Angesicht der Pandemie. Hier ist auch gefordert worden, dass in Absprache mit den Mitgliedsstaaten schrittweise unabhängige und unparteiische und vor allen Dingen umfassende Evaluation der Maßnahmen in Auftrag gegeben werden sollte und auf diesen Erfahrungen auch entsprechende Empfehlungen für die weitere Bekämpfung von Covid-19, aber auch für weitere Pandemien ausgesprochen werden. Das heißt, es passiert etwas, wird aber offensichtlich von der Trump-Administration ignoriert.
"Beim SARS-Ausbruch war die Transparenz noch mangelhafter"
Schulz: Ja, aber wenn wir noch mal auf den Beginn dieses Coronaausbruchs in China schauen, da hat es Lob gegeben von der WHO für das Management in China, es hat Warnungen gegeben auch von der Weltgesundheitsorganisation, jetzt nicht die Grenzen dicht zu machen. Wie anders kann man das interpretieren, als dass man dann jemandem wehtun wollte?
Ullmann: Ich denke, dass der Dr. Tedros [WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus] am Anfang auch zu viele Lobeshymnen gegenüber der chinesischen Regierung ausgesprochen hatte – das hatte ich selbst auch in einer Rede im Bundestag ebenfalls kritisiert –, denn wir wussten am Anfang dieser Pandemie zu wenig, was eigentlich in China los ist. Wir wussten nur gerade, wie viele infiziert sind, wie viele verstorben sind, aber genaue Daten fehlten uns. Diese Transparenz war die Hauptkritik am Anfang der Pandemie, und da wurde immer gerne verglichen mit dem ersten SARS-Ausbruch, wo die, sagen wir mal, Transparenz noch mangelhafter war. Ich denke, genau dieser Anfang dieses Managementproblems ist etwas Wichtiges, was aufgearbeitet werden muss, aber man muss es auch an dieser Stelle sagen, die WHO kann so viel verlangen, wie sie will, letztendlich sind es ja die Staaten, die verpflichtet sind, diese Informationen herauszugeben. Das bedarf natürlich auch einer Änderung der internationalen Gesundheitsvorschriften, denn da müsste eine klare Selbstverpflichtung an die Staaten ausgesprochen werden, alle Staaten dieser Welt rechtzeitig zu informieren, transparent zu informieren. So eine Pandemie, wie wir sie jetzt kennen, haben wir seit hundert Jahren in der Menschheit nicht kennengelernt, und das kann nur funktionieren, wenn wir zusammenstehen, die Informationen teilen und Kooperationen auch eingehen.
"Die Weltgemeinschaft braucht US-Amerikaner, die zur WHO stehen"
Schulz: Jetzt ist natürlich die Frage, ob für diesen Ansatz der US-Präsident der Richtige ist. Wir sehen umgekehrt ja auch viel Kritik an Donald Trump, an seinem Management der Coronakrise, daran, dass er die Gefährlichkeit des Virus auch lange runtergespielt hat. Braucht die Weltgemeinschaft diesen US-Präsidenten Trump überhaupt in der Corona-Bekämpfung?
Ullmann: Die Weltgemeinschaft braucht US-Amerikaner, die zur Weltgesundheitsorganisation stehen. Immerhin waren es die Vereinigten Staaten, die 1948 die WHO mitbegründet haben. Ich glaube auch noch nicht einmal, dass der Präsident sich durchsetzen wird mit seiner Forderung, nicht mehr mit der WHO zusammenzuarbeiten, denn ich glaube zu wissen, dass der Kongress eigentlich auch noch zustimmen müsste. Der Kongress ist in den USA ja unter demokratischer Kontrolle, sodass ich kaum glauben werde, dass die demokratische Partei in den USA sich gegen die WHO stellen wird.
Schulz: Oder das wäre aus Ihrer Sicht jetzt noch die Resthoffnung. Sollte es doch so kommen, dass die USA sich zurückziehen können, vielleicht auf Dekret des US-Präsidenten, was würde das bedeuten für die Entwicklung und auch die Verteilung eines Impfstoffs gegen Corona, wenn der dann irgendwann mal gefunden wird?
Ullmann: Das wird sicherlich ein noch größeres Problem darstellen, wie wir es jetzt schon bereits haben, weil erstens haben wir noch keinen Impfstoff, was eigentlich auf die Effektivität und die Sicherheit hinweist, aber da müssen wir auch wirklich die Produktion weltweit aufrechterhalten. Wenn die USA sich heraushält und möglicherweise noch separatistischer unterwegs ist, sozusagen, wir werden erst mal diesen Impfstoff in unserem Land verteilen, bevor er in der Welt verkauft werden kann, wird die Situation noch viel problematischer. Deswegen ist ja auch diese globale Vernetzung so wichtig, dass wir auch uns begreifen als eine Welt und nicht nur eine dominierte Welt von einer Seite oder der anderen Seite. Die WHO darf eigentlich nicht mehr zum Spielball der Politik gemacht werden, wie sie durchaus auch von China, aber gerade von der Trump-Administration auch bespielt wird.
"Hoffnung, dass Vernunft einkehrt in der USA"
Schulz: Hieße aber auch, wenn es zum Bruch käme, dann müsste man schon fast so zynisch sein zu hoffen, dass der Impfstoff nicht in den USA zuerst gefunden wird – zynisch sage ich angesichts inzwischen ja schon mehr als 100.000 Toten, die die USA auch Corona-bedingt sehen.
Ullmann: Ich denke, Zynismus wäre jetzt an dieser Stelle nicht richtig, weil dann würden die anderen Regierungen genauso schlecht agieren wie die Trump-Administration. Deshalb bleibt mir immer noch die Hoffnung, dass Vernunft einkehrt in der USA, in der Regierung dort, dass wir als Weltengemeinschaft zusammenarbeiten und dann auch die Impfstoffe, sobald sie dann erhältlich sind, gerecht in der Welt verteilen können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.