Dirk Müller: Michael Glos hat so richtig Prügel bezogen im politischen Sinne: harsche Kritik an seinem Vorschlag, die Steuern zu senken, damit der Bürger die gute Konjunktur auch in seinem eigenen Portemonnaie spüren könne. Nun bekommt der Bundeswirtschaftsminister indirekt Rückenwind, denn die Steuereinnahmen werden noch besser, noch höher sein, als bislang geplant. Das hat Finanzminister Peer Steinbrück im Deutschlandfunk angekündigt. (Text/
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"Meine Steuerschätzer werden mit um und bei 90 Milliarden Euro in die aktuelle Steuerschätzung hineingehen nächste Woche. Für alle Gebietskörperschaften, sprich für Bund, Länder und Kommunen, werden es wahrscheinlich an die 200 Milliarden Euro sein. Das ist eine fantastische Zahl, über die freue ich mich. Nur man darf nicht besoffen werden, man darf die Bodenhaftung nicht verlieren."
200 Milliarden, um das noch einmal zu wiederholen, sind es also zusammen für Bund, Länder und Gemeinden in den kommenden Jahren. Nun beginnt aufs Neue die Diskussion darüber, wohin mit dem vielen Geld? Darüber wollen wir nun sprechen mit dem Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann (CDU). Guten Morgen!
Dietrich Austermann: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Austermann, ist nun endlich Zeit für eine Bürgerdividende?
Austermann: Na ja, zunächst muss man sich ansehen, in welcher Situation der Staat sich tatsächlich befindet. Wir machen immer noch mehr Schulden, wir haben immer noch weniger Einnahmen als Ausgaben. Das Ganze wird nur teilweise kompensiert durch Privatisierungserlöse. Der Staat versilbert also Tafelsilber, um überhaupt über die Runden zu kommen. Und wir können uns erinnern, dass in den letzten Jahren ja oftmals die Situation so war, dass die Steuerschätzungen hinterher nicht das gehalten haben, was sie versprochen haben. Es geht jetzt darum, dafür zu sorgen, dass wir durch entsprechende Beiträge runterkommen von den Schulden, Haushaltskonsolidierung betreiben, und da halte ich es durchaus für möglich, dass wir in diesem Jahr, spätestens im nächsten Jahr zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt kommen, für mich das wichtigste Ziel. Und dann muss man sehen, was übrig bleibt. Und da schwebt mir eigentlich vor, dass man Maßnahmen trifft, die dafür sorgen, dass wir mittelfristig auch wirklich sicherstellen, dass die Ausgaben unter den Einnahmen bleiben und dass wir die Wirtschaft so ankurbeln, dass dieser Aufschwung keine Eintagsfliege gewesen ist.
Müller: Das heißt, Steuersenkungen in den nächsten Jahren sind für Sie immer noch tabu?
Austermann: Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben ja jetzt vor, mit dem Bundesfinanzminister zusammen eine Umsatzsteuerreform zu machen mit einer Nettoentlastung. Ich glaube, an der Höhe und an dem Volumen dürfte nun auch bei den Sozialdemokraten kein Zweifel mehr bestehen. Das geht in die richtige Richtung. Aber gleichzeitig sollte man überlegen, wie weitere Maßnahmen, die ja von der Regierung geplant sind wie beispielsweise im Bereich der Familienpolitik, im Bereich der Wissenschafts- und Forschungspolitik, finanziell abgesichert werden können. Und ich glaube, dass es richtig wäre, jetzt auch darüber nachzudenken, wie Michael Glos das gesagt hat, zur Absicherung der Konjunktur eine Entlastung bei den Bürgern vorzunehmen. Und da schwebt mir vor zu kombinieren, das, was man tun will zugunsten der Familien mit der Absenkung der Lohn- und Einkommensteuer, indem man tatsächlich pro Person in der Familie einen erheblichen Freibetrag, einen größeren Freibetrag als heute vorsieht und damit einen bestimmten Teil des Einkommens steuerfrei stellt, die Wirtschaft dauerhaft ankurbelt, aber gleichzeitig den Familien die Möglichkeit gibt, ihre Krippenplätze, ihre Kindergartenplätze zu bezahlen.
Müller: Also wenn Entlastung im Portemonnaie, dann nur für Familien?
Austermann: Zunächst einmal nur für diejenigen, die Steuern zahlen. Wir denken ja oftmals darüber nach, im Sozialbereich etwas zu tun, dafür sehe ich nach wie vor keinen Spielraum. Ich sehe, dass hier Entlastung vor allen Dingen bei denjenigen, die die Steuer zahlen, das sind vor allen Dingen natürlich die Leute, die im Mittelstandsbereich bisher diejenigen waren, die am meisten von der Steuerbelastung betroffen wurden. Und das heißt für mich 8000 pro Person, bei einer Familie mit zwei Kindern wären das 32.000 Euro steuerfrei. Das trifft, glaube ich, nicht nur Familien, sondern das trifft die gesamte Bevölkerung.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Austermann, um das noch mal zusammenzufassen, in den kommenden Jahren zahlen die Deutschen weniger Steuern?
Austermann: Das sollte angestrebt werden, damit man wirklich dauerhaft diesen Aufschwung absichert. Und ich bin davon überzeugt, weil ich die Einwände kenne, die kommen - von wegen, dafür haben wir kein Geld, n absehbarer Zeit wird das zu einer großen Belastung. Ich habe die Erfahrung gemacht über viele Jahre hinweg in der Bundespolitik, dass sich jede vernünftige Steuersenkung auch für den Staat steuerlich auszahlt, dass er selbst davon etwas hat, dass er den Bürgern mehr Geld in der Tasche lässt, weil sie es dann konsumieren, weil sie dann investieren.
Müller: Ist die größte Gefahr, das nicht zu tun, die Ministerien selbst, die jetzt wieder alle mehr verlangen?
Austermann: Es gibt zum Teil sinnvolle Wünsche, es gibt zum Teil weniger sinnvolle Wünsche. Es ist richtig, dass wir etwas tun für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland. Es ist richtig, dass wir etwas tun für Wissenschaft und Forschung. Ich sehe auch einzelne Bereiche, bei denen wir im Verteidigungsetat etwas tun müssen. Und dann hat die Bundesregierung eine ganze Reihe von Verpflichtungen übernommen: Da soll für Entwicklungshilfe mehr getan werden, wir sind internationale Verträge eingegangen, das muss abgesichert werden. Deswegen schmelzen diese 100 Millionen, 90 bis 100 Millionen, in diesem Jahr ganz kräftig mittelfristig zusammen. Auch in diesem Jahr wird man davon bestimmt die Hälfte ausgeben müssen für Verpflichtungen, die man bereits eingegangen ist.
Müller: Jetzt sagt aber, Herr Austermann, der Finanzminister, wir dürfen uns natürlich jetzt nicht gerade sehr spendierfreudig zeigen, weil ja viele Kosten noch nicht gedeckt sind, auch Dinge, die noch auf uns zukommen. Das heißt, man hat im Grunde ganz viele Rechnungen schon im Vorfeld ohne den Wirt gemacht.
Austermann: Er selbst sagt ja, dass er von den 90 Millionen, mit denen er mehr rechnet, wahrscheinlich 50 Millionen verliert.
Müller: Milliarden zum Glück.
Austermann: Ich bin auch dafür, dass man verzichtet darauf, weitere Privatisierungserlöse einzukassieren, also weiter Telekom-Aktien zu verscherbeln, das ist Vernichtung von Volksvermögen, so dass echt vielleicht 30, 40 Milliarden übrig bleiben und dass wahrscheinlich in den nächsten drei, vier Jahren, und das muss aber abgesichert werden, dass es eine dauerhafte Verbesserung der Situation bedeutet, und das kann man meines Erachtens durch eine Steuerentlastung, die beim Bürger ankommt und die sich für den Staat auch wieder rechnet.
Müller: Wir wollen ja zum Schluss nicht politikphilosophisch oder wirtschaftsphilosophisch werden, aber wenn so, so viel mehr Geld eingenommen wird als geplant, ist dieses neu eingenommene Geld dann Eigentum des Staates?
Austermann: Ich vertrete die Philosophie, dass wir nicht auf Antrag Geld zurückzahlen sollen, nicht Transferleistungen machen, sondern dass wir dem Bürger einen möglichst großen Teil seines Einkommens belassen. Die Steuerbelastung ist doch in Deutschland nach wie vor zu hoch. Der Staat muss mehr Geld beim Bürger lassen. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz, der auch Ludwig Erhard gefallen würde.
Müller: Dietrich Austermann (CDU) war das, Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Austermann: Ich danke Ihnen auch.
"Meine Steuerschätzer werden mit um und bei 90 Milliarden Euro in die aktuelle Steuerschätzung hineingehen nächste Woche. Für alle Gebietskörperschaften, sprich für Bund, Länder und Kommunen, werden es wahrscheinlich an die 200 Milliarden Euro sein. Das ist eine fantastische Zahl, über die freue ich mich. Nur man darf nicht besoffen werden, man darf die Bodenhaftung nicht verlieren."
200 Milliarden, um das noch einmal zu wiederholen, sind es also zusammen für Bund, Länder und Gemeinden in den kommenden Jahren. Nun beginnt aufs Neue die Diskussion darüber, wohin mit dem vielen Geld? Darüber wollen wir nun sprechen mit dem Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann (CDU). Guten Morgen!
Dietrich Austermann: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Austermann, ist nun endlich Zeit für eine Bürgerdividende?
Austermann: Na ja, zunächst muss man sich ansehen, in welcher Situation der Staat sich tatsächlich befindet. Wir machen immer noch mehr Schulden, wir haben immer noch weniger Einnahmen als Ausgaben. Das Ganze wird nur teilweise kompensiert durch Privatisierungserlöse. Der Staat versilbert also Tafelsilber, um überhaupt über die Runden zu kommen. Und wir können uns erinnern, dass in den letzten Jahren ja oftmals die Situation so war, dass die Steuerschätzungen hinterher nicht das gehalten haben, was sie versprochen haben. Es geht jetzt darum, dafür zu sorgen, dass wir durch entsprechende Beiträge runterkommen von den Schulden, Haushaltskonsolidierung betreiben, und da halte ich es durchaus für möglich, dass wir in diesem Jahr, spätestens im nächsten Jahr zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt kommen, für mich das wichtigste Ziel. Und dann muss man sehen, was übrig bleibt. Und da schwebt mir eigentlich vor, dass man Maßnahmen trifft, die dafür sorgen, dass wir mittelfristig auch wirklich sicherstellen, dass die Ausgaben unter den Einnahmen bleiben und dass wir die Wirtschaft so ankurbeln, dass dieser Aufschwung keine Eintagsfliege gewesen ist.
Müller: Das heißt, Steuersenkungen in den nächsten Jahren sind für Sie immer noch tabu?
Austermann: Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben ja jetzt vor, mit dem Bundesfinanzminister zusammen eine Umsatzsteuerreform zu machen mit einer Nettoentlastung. Ich glaube, an der Höhe und an dem Volumen dürfte nun auch bei den Sozialdemokraten kein Zweifel mehr bestehen. Das geht in die richtige Richtung. Aber gleichzeitig sollte man überlegen, wie weitere Maßnahmen, die ja von der Regierung geplant sind wie beispielsweise im Bereich der Familienpolitik, im Bereich der Wissenschafts- und Forschungspolitik, finanziell abgesichert werden können. Und ich glaube, dass es richtig wäre, jetzt auch darüber nachzudenken, wie Michael Glos das gesagt hat, zur Absicherung der Konjunktur eine Entlastung bei den Bürgern vorzunehmen. Und da schwebt mir vor zu kombinieren, das, was man tun will zugunsten der Familien mit der Absenkung der Lohn- und Einkommensteuer, indem man tatsächlich pro Person in der Familie einen erheblichen Freibetrag, einen größeren Freibetrag als heute vorsieht und damit einen bestimmten Teil des Einkommens steuerfrei stellt, die Wirtschaft dauerhaft ankurbelt, aber gleichzeitig den Familien die Möglichkeit gibt, ihre Krippenplätze, ihre Kindergartenplätze zu bezahlen.
Müller: Also wenn Entlastung im Portemonnaie, dann nur für Familien?
Austermann: Zunächst einmal nur für diejenigen, die Steuern zahlen. Wir denken ja oftmals darüber nach, im Sozialbereich etwas zu tun, dafür sehe ich nach wie vor keinen Spielraum. Ich sehe, dass hier Entlastung vor allen Dingen bei denjenigen, die die Steuer zahlen, das sind vor allen Dingen natürlich die Leute, die im Mittelstandsbereich bisher diejenigen waren, die am meisten von der Steuerbelastung betroffen wurden. Und das heißt für mich 8000 pro Person, bei einer Familie mit zwei Kindern wären das 32.000 Euro steuerfrei. Das trifft, glaube ich, nicht nur Familien, sondern das trifft die gesamte Bevölkerung.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Austermann, um das noch mal zusammenzufassen, in den kommenden Jahren zahlen die Deutschen weniger Steuern?
Austermann: Das sollte angestrebt werden, damit man wirklich dauerhaft diesen Aufschwung absichert. Und ich bin davon überzeugt, weil ich die Einwände kenne, die kommen - von wegen, dafür haben wir kein Geld, n absehbarer Zeit wird das zu einer großen Belastung. Ich habe die Erfahrung gemacht über viele Jahre hinweg in der Bundespolitik, dass sich jede vernünftige Steuersenkung auch für den Staat steuerlich auszahlt, dass er selbst davon etwas hat, dass er den Bürgern mehr Geld in der Tasche lässt, weil sie es dann konsumieren, weil sie dann investieren.
Müller: Ist die größte Gefahr, das nicht zu tun, die Ministerien selbst, die jetzt wieder alle mehr verlangen?
Austermann: Es gibt zum Teil sinnvolle Wünsche, es gibt zum Teil weniger sinnvolle Wünsche. Es ist richtig, dass wir etwas tun für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland. Es ist richtig, dass wir etwas tun für Wissenschaft und Forschung. Ich sehe auch einzelne Bereiche, bei denen wir im Verteidigungsetat etwas tun müssen. Und dann hat die Bundesregierung eine ganze Reihe von Verpflichtungen übernommen: Da soll für Entwicklungshilfe mehr getan werden, wir sind internationale Verträge eingegangen, das muss abgesichert werden. Deswegen schmelzen diese 100 Millionen, 90 bis 100 Millionen, in diesem Jahr ganz kräftig mittelfristig zusammen. Auch in diesem Jahr wird man davon bestimmt die Hälfte ausgeben müssen für Verpflichtungen, die man bereits eingegangen ist.
Müller: Jetzt sagt aber, Herr Austermann, der Finanzminister, wir dürfen uns natürlich jetzt nicht gerade sehr spendierfreudig zeigen, weil ja viele Kosten noch nicht gedeckt sind, auch Dinge, die noch auf uns zukommen. Das heißt, man hat im Grunde ganz viele Rechnungen schon im Vorfeld ohne den Wirt gemacht.
Austermann: Er selbst sagt ja, dass er von den 90 Millionen, mit denen er mehr rechnet, wahrscheinlich 50 Millionen verliert.
Müller: Milliarden zum Glück.
Austermann: Ich bin auch dafür, dass man verzichtet darauf, weitere Privatisierungserlöse einzukassieren, also weiter Telekom-Aktien zu verscherbeln, das ist Vernichtung von Volksvermögen, so dass echt vielleicht 30, 40 Milliarden übrig bleiben und dass wahrscheinlich in den nächsten drei, vier Jahren, und das muss aber abgesichert werden, dass es eine dauerhafte Verbesserung der Situation bedeutet, und das kann man meines Erachtens durch eine Steuerentlastung, die beim Bürger ankommt und die sich für den Staat auch wieder rechnet.
Müller: Wir wollen ja zum Schluss nicht politikphilosophisch oder wirtschaftsphilosophisch werden, aber wenn so, so viel mehr Geld eingenommen wird als geplant, ist dieses neu eingenommene Geld dann Eigentum des Staates?
Austermann: Ich vertrete die Philosophie, dass wir nicht auf Antrag Geld zurückzahlen sollen, nicht Transferleistungen machen, sondern dass wir dem Bürger einen möglichst großen Teil seines Einkommens belassen. Die Steuerbelastung ist doch in Deutschland nach wie vor zu hoch. Der Staat muss mehr Geld beim Bürger lassen. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz, der auch Ludwig Erhard gefallen würde.
Müller: Dietrich Austermann (CDU) war das, Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Austermann: Ich danke Ihnen auch.