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Australien gibt die Jagd auf eingeschleppte Tierarten frei

Damit sich die Bestände der Kiwis und Kängurus in Australien erholen, dürfen etwa 20.000 Hobbyschützen eingeschleppte Tierarten jagen. Die Angst ist groß, dass die Amateure versehentlich Menschen erschießen.

Von Andreas Stummer | 08.03.2013
    90 Autominuten nördlich von Sydney im Yengo National Park, einem von 860 Naturreservaten in New South Wales, Australiens bevölkerungsreichstem Staat. Boots hievt einen sperrigen Drahtkäfig von der Ladefläche seines Pick-Ups auf den Boden. Er befestigt innen einen Köder, dann tarnt er die Falle mit Ästen, Grasbüscheln und Blättern. Boots fängt Tiere, die in den Nationalparks nichts verloren haben, die Flurschaden anrichten und Australiens einheimische Arten dezimieren: Wilde Hunde und Katzen, Hirsche, Füchse, Kaninchen, Wildschweine und Ziegen. Seit 40 Jahren stellt Boots in den Wäldern von New South Wales Fallen auf, jetzt aber bekommt er Gesellschaft. "Schlechte Gesellschaft", brummt Boots. Denn ab sofort dürfen etwa 20.000 Hobbyschützen in den Nationalparks des Staates Jagd auf eingeschleppte Tierarten machen. Mit Genehmigung der Regierung.

    "Hier draußen gibt es keine intelligenteren Tiere als wilde Hunde. Es dauert ewig, sie aufzuspüren und zu fangen. Wenn jetzt aber auf einmal tausende mit dem Gewehr unterm Arm durch die Wälder trampeln, dann werden die Hunde und auch Hirsche, Füchse und Wildschweine in noch entlegenere Gegenden fliehen, in denen es noch schwieriger wird, sie zu fangen."

    Die Idee, Hobbyschützen in Nationalparks zuzulassen, kommt vom Jagdverband New South Wales, das grüne Licht der Regierung aber ist das Ergebnis eines politischen Deals, der mit "grün" überhaupt nichts zu tun hat. Um den Energiesektor in New South Wales privatisieren zu können, brauchten – und bekamen - die regierenden Konservativen die Stimme von Robert Borsak, dem Chef der sonst unbedeutenden Jäger- und Fischereipartei. Im Gegenzug forderte Borsak, selbst ein begeisterter Großwildjäger, New South Wales’ Nationalparks für Hobbyschützen zu öffnen. Um, wie er sagt, etwas für den Arten- und Naturschutz zu tun.

    "Dies ist die Gelegenheit, eine Freiwilligen-Armee zu mobilisieren, so etwas wie eine private Spezialeinheit. Sie werden alles Ungeziefer in den Nationalparks erlegen. Diese Leute lieben die Jagd und werden den Job jetzt auch auf öffentlichem Land erledigen."

    Wer künftig in den Nationalparks von New South Wales jagen will, der braucht eine Lizenz – den sogenannten R-Jagdschein. Bei genauerem Hinsehen ist der aber nichts weiter als ein schriftlicher Theorie-Test. Ob man auch wirklich mit einem Gewehr umgehen kann, prüft niemand. Jim Pirie ist seit 20 Jahren Vorsitzender des Cudgegong Schützenvereins und ein Waffennarr, wie er offen zugibt. Aber selbst er hält die laxen Sicherheitskontrollen und die angebliche Schützenhilfe bei der Kontrolle schädlicher Tiere für einen Schuss nach hinten.

    "Diese Entscheidung wird uns allen noch leidtun. Stellen Sie sich vor, ein Kind wird von einem Schützen mit einem großkalibrigen Gewehr getroffen. Und von wegen Naturschutz: Die meisten Hobbyjäger haben nicht das Können, wilde Tiere zu jagen. Professionelle Jäger schießen in einem Park über ein Wochenende aus dem Helikopter 1200 Wildschweine. Eine Truppe Amateure in Tarnwesten erlegen vielleicht zehn oder zwölf – wenn sie Glück haben."

    Private Jäger auf öffentlichem Land – zusammen mit Campern, Fischern, Wanderern und Mountainbikern. David Shoebridge von den Grünen sieht rot. Denn seit im benachbarten Neuseeland Hobbyschützen in Nationalparks jagen dürfen kommt es dort immer wieder zu Unfällen. Allein 2012 wurden vier Ausflügler von Privatjägern mit Tieren verwechselt und erschossen, andere verletzt. David Shoebridge ist sicher, dass es auch in New South Wales Leben kosten wird, wenn jetzt die Nationalparks des Staates zu Freiluft-Schießständen werden.

    "Die Regierung unterstützt die Pro Jagd- und Waffenkultur einer radikalen, rechten Partei – ohne sich um die Gefahren für die Öffentlichkeit zu scheren. Je mehr Jäger zur gleichen Zeit wie Ausflügler in den Nationalparks unterwegs sind, desto mehr tödliche Unfälle wird es geben. Das ist unvermeidlich."