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Austretendes Schweröl "würde alles Leben abtöten"

2400 Tonnen Schwer- und Dieselöl lagern in den Tanks der Costa Concordia. Sollte der Treibstoff ins Meer gelangen, wären die Folgen für das Naturparadies vor Giglio katastrophal, befürchtet Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland.

Kim Detloff im Gespräch mit Georg Ehring | 18.01.2012
    Georg Ehring: Das vor der Küste Italiens havarierte Kreuzfahrtschiff droht weiter zu sinken. Taucher stellten heute Morgen vorerst die Suche nach Vermissten ein, weil die auf einen Felsen aufgelaufene Costa Concordia erneut um einige Zentimeter abgerutscht war. Dadurch seien die Suchmannschaften in Gefahr geraten, das teilte die Feuerwehr mit. Die Costa Concordia war am Freitagabend auf einen Felsen gelaufen und gekentert. Bei dem Unglück sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen und mehr als 20 Personen werden noch vermisst. Die Hoffnung, sie noch lebend zu bergen, die schwindet.

    Nach der Schiffskatastrophe richtet sich der Blick auch auf die Folgen für die Umwelt. Kim Detloff, Meeresschutz-Experte des Naturschutzbundes Deutschland, kennt Giglio aus eigener Anschauung. Guten Tag, Herr Detloff.

    Kim Detloff: Guten Tag!

    Ehring: Herr Detloff, zunächst geht es ja um die Bergung der Menschen. Können Sie nachvollziehen, wie schwierig das ist in dieser Umgebung?

    Detloff: Ja, das können wir. Und auch wenn die menschliche Tragödie natürlich noch im Vordergrund steht, dann machen wir uns als NABU natürlich jetzt schon Sorgen um die Umwelt. Die Bergung ist insofern sehr schwierig, da es sich einmal um ein sehr großes Schiff handelt, was sehr instabil an der Küste liegt. Wir haben dort eine Topographie, Giglio fällt in mehreren Terrassen in größere Tiefen ab, und wenn es über die erste Terrasse, die etwa bei 30 Meter endet, hinausrutschen sollte, dann wird es gänzlich in den Tiefen des Mittelmeeres verschwinden und bei 70 Meter liegen, und dann ist natürlich die Bergung der Menschen nicht mehr aussichtsreich und auch das Abpumpen des Öls würde dann schwerer werden.

    Ehring: Was für ein Ort ist das, Giglio und die Umgebung? Das ist bekannt als Taucherparadies. Was ist dort in der Natur vorzufinden?

    Detloff: Das ist richtig. Das ist wirklich ein Paradies für Taucher, die ganzjährig dort anzutreffen sind, aber auch für Ornithologen und Wanderer. Giglio ist ein Granitfelsen im Mittelmeer, der dicht mit der typischen mediterranen Strauchlandschaft, der Macchie, bewachsen ist. Wir haben seltene Vogelarten dort wie Korallenmöwen oder auch Sturmtaucher. Aber auch unter Wasser ist es ein Paradies. Wir sind dort in einer biogeographischen Übergangsregion. Das heißt, dort treffen kalte Meeresströmungen und warme Meeresströmungen zusammen, und deshalb haben wir dort eine für das Mittelmeer außergewöhnliche Artenvielfalt, wirklich ausgehend von den Meeressäugern, bis zu acht Meeressäugerarten sind da, über die Fischfauna und auch am Meeresboden haben wir zahllose wirbellose Tiere, die im Mittelmeer ihresgleichen suchen.

    Ehring: Welche Folgen kann die Havarie denn für die Natur haben?

    Detloff: Öl kann ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Die ersten offensichtlichen Opfer sind häufig Seevögel. Wenn eine Öllache, ein Ölteppich an der Wasseroberfläche treibt, dann kommen Seevögel damit in Berührung. Sie verkleben sich ihr Gefieder und die isolierende Wirkung des Gefieders geht verloren, sie erfrieren. Aber sie versuchen auch, sich zu putzen, und sie nehmen dann Öl und die giftigen Inhaltsstoffe auf, und diese giftigen Stoffe, die schädigen Immunsystem, Fortpflanzungssystem, die Leber und sind auch krebserregend.

    Ehring: Wie viel Öl ist an Bord und ist davon schon etwas ausgelaufen?

    Detloff: Bisher sind glücklicherweise nur geringe Mengen ausgelaufen. Das können Hydrauliköle sein oder andere Quellen. Die großen Tanks mit den bis zu 2400 Tonnen Schwer- und Dieselöl scheinen noch intakt zu sein. Aber das kann sich natürlich stündlich ändern, gerade wenn das Schiff in Bewegung gerät und abrutscht.

    Ehring: Schweröl ist ja als Treibstoff wegen seiner Umweltschädlichkeit auch umstritten. Wie verhält es sich denn im Havariefall?

    Detloff: Im Havariefall ist es auch schwieriger, weil Schweröl, das ist nun mal ein Abfallprodukt der Erdölaufbereitung und es nimmt gerade im kalten Zustand eine teerartige Konsistenz an. Das heißt, man muss es, um es abzupumpen, erst mal erwärmen auf mindestens 60 oder 70 Grad, ansonsten kann man es gar nicht fördern und pumpen. Und auch im Meer schwimmt es nicht dauerhaft an der Oberfläche, sondern es sinkt ab. Es würde praktisch den Meeresboden überdecken, alles Leben abtöten und dort zu einer chronischen Umweltbelastung werden. Es würde nach und nach giftige Inhaltsstoffe abgeben.

    Ehring: Und welche Schutzmaßnahmen sind möglich? Wie kann man den Umweltgefahren jetzt vorbeugen?

    Detloff: Ich glaube, die Behörden an der italienischen Küste, die unternehmen schon alles. Solange im Schiff nach Überlebenden gesucht wird, kann eben noch nicht gepumpt werden, weil das Schiff instabil werden könnte. Es sind Ölsperren ausgelegt, die den nahen Küstenabschnitt schützen sollten, wenn Öl austritt. Aber natürlich hat das Abpumpen oberste Priorität, und es sind ja auch Experten und Unternehmen aus den Niederlanden vor Ort, die das möglich machen können. Aber selbst wenn die endlich mal loslegen können, wenn alle Vermissten gefunden sind, dann würde das Tage, vermutlich sogar Wochen dauern, bis diese 2400 Tonnen abgepumpt sind.

    Ehring: Kim Detloff, Meeresschutz-Experte des Naturschutzbundes Deutschland. Herzlichen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.