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Auswärtige Kulturpolitik
"Die SPD versucht, Terrain zurück zu gewinnen"

Monika Grütters bleibt Kulturstaatsministerin auch in der neuen Regierung, sie hat der Bundeskulturpolitik insgesamt zu mehr Sichtbarkeit verholfen. Doch als Siegerin ist die Auswärtige Kulturpolitik aus den Koalitionsverhandlungen hervorgegangen, meint Thomas E. Schmidt im Dlf.

Thomas E. Schmidt im Gespräch mit Michael Köhler | 14.03.2018
    Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien, spricht am 23.08.2017 in Berlin bei der Eröffnung des Festivals "Pop-Kultur".
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) macht in der GroKo weiter (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Michael Köhler: Die Regierung ist vereidigt. Das Kabinett ist komplett. Neben vielen Personalwechseln in den Ressorts gibt es aber auch Kontinuität. Die Kanzlerin heißt Angela Merkel und die Kulturstaatsministerin weiterhin Monika Grütters. Letztere genoss auch bei Kritikern Ansehen. So sehr, dass vereinzelt ein vollwertiges Kulturministerium gefordert wurde. Aber es gibt auch Kritik. Der Fortgang des Vorzeigeprojekts Humboldt Forum stockt und wird von Streitigkeiten begleitet.
    Im Auswärtigen Amt ist mit Michelle Müntefering eine SPD-Staatssekretärin für Auswärtige Kulturpolitik zuständig. Das Politikfeld ist insgesamt aufgewertet, dessen Sichtbarkeit erhöht, aber die Probleme sind nicht geringer. Was kann nationale und auswärtige Kulturpolitik unter Bedingungen internationaler Verflechtungen leisten? Mit Thomas E. Schmidt, Kulturkorrespondent der Wochenzeitung Die Zeit, haben wir darüber gesprochen.
    Zuerst habe ich ihn gefragt: Warum ist die Leitungsstruktur des Vorzeigeprojekts "Humboldt-Forum" gescheitert?
    Thomas E. Schmidt: Gescheitert ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es hat sie nie gegeben. Normalerweise fängt man ein solches Projekt an, indem man die Kompetenzen und die Hierarchien festlegt und dann den Apparat aufbaut. Hier hat man einfach angefangen in der Hoffnung, es würde sich alles schon von selbst regeln nach dem Prinzip der Kollegialität. Aber hier sind drei mächtige Institutionen und ein Bundesland auch noch involviert, und jetzt zeigt sich, dass da natürlich Interessengegensätze sind und unterschiedliche Vorstellungen wirken. All das hat man versäumt zu klären und so ist es geschehen, dass es jetzt schwierig wird, einen Intendanten zu finden, aber auch einen neuen Direktor für die Sammlungen, die ausgestellt werden sollen, denn Frau de Castro hat ja bekanntlich abgesagt.
    Köhler: Nun ist heute das neue Kabinett vereidigt worden unter der Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Kulturstaatsministerin Grütters bleibt im Kanzleramt, aber es hat doch einige Revierveränderungen gegeben. Eine ist vielleicht ganz nennenswert: Das ist die neue Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering von der SPD. Insgesamt würde ich sagen vielleicht eine Aufwertung der Sichtbarkeit von Kulturpolitik, aber das Ganze macht es nicht leichter. Kriegt das jetzt andere Gewichte?
    Schmidt: Ja, es ist schon eine Aufwertung von Kulturpolitik. Das würde ich schon sagen. In den Koalitionsverhandlungen ist die auswärtige Kulturpolitik sicherlich als Siegerin hervorgegangen, wenn man das mal so vereinfachend sagen darf. Das Auswärtige Amt hat einen gut aufgestellten Bereich mit durchdachten und finanzierten Projekten vorgelegt, und das hat dazu geführt, dass einige Kompetenzen auch abgewandert sind, beispielsweise die ganze Klärung der Kolonialismus-Problematik, die jetzt so breit diskutiert wird. Das wird jetzt im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik angesiedelt sein. Und Ausdruck dieser, wenn man so will, Aufwertung des Auswärtigen ist natürlich auch eine Benennung einer Staatsministerin für internationale Kulturpolitik, die jetzt im Auswärtigen Amt gewissermaßen ein Pendant bildet zur Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt.
    Köhler: Das Politikfeld Kultur, Kulturpolitik ist etabliert, ist gestärkt worden. Aber die Amtsinhaberin ein bisschen gedämpft oder geschwächt?
    Schmidt: Ich würde nicht sagen, dass sie geschwächt ist. Allerdings gab es nicht unbedingt jetzt Jubel im Lande, als man hörte, dass Frau Grütters wieder auf ihr Amt zurückkehrt. - Ich würde es anders sehen. Ich glaube, dass die SPD es nutzt, um sich auf diesem, sei es kleinen Feld der Kulturpolitik auch wieder zu profilieren, auch zu profilieren gegen den politischen Kontrahenten. Das muss erlaubt sein und sie ist auch darauf angewiesen, denn wir erinnern uns ja daran, dass Bundeskulturpolitik und auch das Amt eines Kulturbeauftragten einmal eine Erfindung der SPD war. Da versucht eine Partei, schon ein bisschen Terrain zurückzugewinnen. Ich würde das Parteipolitische jetzt in der Kultur nicht überbewerten, aber wenn es einen neuen Wettbewerb, auch einen neuen Wettbewerb der Ideen gibt, das wäre, glaube ich, für das ganze Feld nicht das Schlechteste.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.