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Auswirkung der Krim-Krise
Russische Touristen bleiben Prag fern

Tschechiens Präsident Milos Zeman hat Russland vor einem Einmarsch in den Osten der Ukraine gewarnt und fordert eine Bereitschaft der NATO für diesen Fall. Dennoch fürchtet nicht nur seine Regierung eine solche Eskalation. Die Tourismusbranche spürt schon jetzt die Folgen der Krim-Krise.

Von Stefan Heinlein | 09.04.2014
    "Prag ist eine Stadt die verzaubert – erleben sie Tschechien – ein Land der Geschichte." Der Fernseh-Werbespot der Prager Tourismuszentrale läuft in vielen russischen Programmen. Mit großem Erfolg. Über 750.000 Touristen aus Russland kommen im letzten Jahr an die Moldau – das ist Platz vier nach den Deutschen, US-Amerikanern und Briten. Doch aktuell hat sich die Situation merklich verändert, klagt der Präsident des Hotelverbandes Vaclav Starek:
    "Wir spüren bereits die Folgen der Krim-Krise sehr hart. Die Buchungszahlen russischer Kunden in den Reisebüros sind um ein Drittel gesunken. Auch die Hotels befürchten dramatische Einbußen. Viele Russen fahren jetzt nicht mehr nach Europa, sondern nach China."
    Doch noch drängeln sich viele russische Reisegruppen am Altstädterring und auf der Karlsbrücke. Die Gäste aus Moskau und St. Petersburg gelten als besonders zahlungskräftig. Sie wohnen in den besten Hotels, essen in den teuersten Restaurants und kaufen hochwertige Souvenirs, erzählt Alexandr Grischin. Sein Reisebüro am Wenzelsplatz hat sich auf Kunden aus Russland spezialisiert. Doch seit Jahresanfang geht sein Umsatz deutlich zurück:
    "Die Europäische Union verschreckt die russischen Bürger mit den Wirtschaftssanktionen. Noch werden zwar Visa vergeben, doch die Verunsicherung wächst. Viele haben Angst, jetzt eine Reise nach Europa zu planen."
    Die vorerst auf Eis gelegten Gespräche über eine Lockerung der Visumspflicht für Russen im Schengenraum bereiten auch dem Karlsbader Bürgermeister Petr Kulhanek tiefe Sorgenfalten. Mehr als die Hälfte aller Touristen in seiner Kurstadt kommen traditionell aus Russland. Viele Gäste haben für den Sommer bereits abgesagt:
    "Unsere Hotels melden einen Rückgang der Buchungszahlen aus Russland von bis zu 30 Prozent. Wenn das so weitergeht, wird es viele Entlassungen geben und einige kleinere Betriebe werden schließen müssen."
    Riesige Verluste drohen
    Eine Sorge, die auch Tourismusmanager Vaclav Starek teilt. Die Entwicklung auf der Krim sei zwar völkerrechtswidrig, doch die Folgen einer möglichen Ausweitung des Sanktionspolitik seien verheerend für seine Branche:
    "Wenn die Russen als wichtige Kunden wegbleiben, wird das zu riesigen Verlusten führen. Der Tourismusbereich ist ein sehr wichtiger Arbeitgeber in vielen Regionen. Wir sind nicht gegen die Sanktionen – aber jedem muss klar sein: Das hat große Folgen für unsere Wirtschaft"
    Tatsächlich steuert die tschechische Mitte-Links-Regierung bislang einen vorsichtigen Kurs gegenüber dem Kreml. Anders als das Nachbarland Polen fordert Prag vorerst nicht eine härtere Gangart gegenüber Moskau. Deutliche Worte dagegen von Präsident Milos Zeman. Mit einer möglichen Annektierung der Ost-Ukraine würde Russland eine rote Linie überschreiten.
    "Ich bin in diesem Fall nicht nur für schärfste Sanktionen der EU, sondern sogar für eine militärische Bereitschaft der NATO, indem etwa Truppen auf das Gebiet der Ukraine verlegt werden."
    Auch in der Bevölkerung wecken die Bilder aus der Ukraine dunkle Erinnerungen an das brutale Ende des Prager Frühlings 1968 und die Jahre der russischen Besatzung. Eine Grundstimmung, die sich in den Umfragen widerspiegelt. Während eine Mehrheit die Europäische Union auch zehn Jahre nach dem Beitritt weiter kritisch beurteilt, sind die meisten Tschechen glühende Anhänger der NATO-Verteidigungsallianz. Der Besuch von Generalsekretär Rasmussen in dieser Woche wird deshalb als ein wichtiges Zeichen der Bündnissolidarität gewertet.