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Autopreis "Gelber Engel"
ADAC-Daten frisiert, Berlin brüskiert

Der ADAC fürchtet um seine Reputation, nachdem die Wahl seiner Mitglieder zum "Lieblingsauto der Deutschen" manipuliert wurde. Die Führung des ADAC ist nach eigenen Angaben völlig überrascht. Die Bundesregierung verlangt Aufklärung.

    Nach den aufgedeckten Manipulationen rund um den Autopreis "Gelber Engel" sei der ADAC "bis ins Mark" getroffen, da der Verein "als eine der vertrauenswürdigsten und seriösesten Organisationen" des Landes gegolten habe, sagte Geschäftsführer Karl Obermair. Bis zum Geständnis des bisherigen Kommunikationschefs Michael Ramstetter, dass er die Abstimmung manipuliert habe, hätten Präsidium und Geschäftsführung so etwas nicht für möglich gehalten. Ramstetter habe die Abstimmung "in einer unglaublich dreisten Art und Weise" verändert.
    Obermair bestätigte Berichte, wonach der einstige Kommunikationschef die Teilnehmerzahlen nach oben korrigiert hatte. Von einer Verzehnfachung der Stimmen ist die Rede; auch das gute Abschneiden deutscher Fabrikate wird angezweifelt. Inzwischen legte Ramstetter alle Ämter beim ADAC nieder - er habe "die alleinige und vollständige Verantwortung" übernommen, sagte Obermair. Es solle nun daran gearbeitet werden, die "angeschlagene Reputation" des ADAC möglichst schnell wieder zu verbessern, sagte Obermair.
    Nach tagelangen Dementis hatte Ramstetter eingeräumt, dass die Zahl der Stimmen bei der Wahl 2013 mit nur rund 76.000 in Wahrheit deutlich niedriger liegen würden als die von dem Automobilclub veröffentlichte Zahl von etwa 290.000 Stimmen. Das Siegerauto VW Golf soll nur 3.409 Stimmen erhalten haben, ein ADAC-Papier vom Dezember 2013 habe dagegen als offizielles Ergebnis 34.299 Stimmen genannt - die Zahlen sind also frei erfunden. Mit den höheren Zahlen sollte der Preis wohl aufgewertet werden. Laut ADAC sei aber nicht die Rangfolge der Autos verändert worden. Wahlberechtigt sind nach Angaben des Vereins nur ADAC-Mitglieder.
    ADAC-Chef dementierte lange
    Bei der Verleihung des Preises 2014 am vergangenen Donnerstag hatte ADAC-Chef Obermair vor 400 geladenen Gästen, darunter die gesamte Spitze der Autoindustrie, noch von "Unwahrheiten und Unterstellungen" gesprochen, von "komplettem Unsinn" und einem "Skandal für den Journalismus".
    ADAC-Chef Karl Obermair
    ADAC-Chef Karl Obermair (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Nun stehen alle Zahlen seit der ersten Preisverleihung 2005 auf dem Prüfstand. Doch nachvollziehbar sind laut "SZ" längst nicht alle Statistiken, da diese teilweise unmittelbar nach der jeweiligen Preisverleihung vernichtet worden sein sollen. Für die Zukunft verspricht der ADAC Besserung und ein "notariell überwachtes Verfahren".
    Autoexperte zieht Pannenstatistiken des ADAC in Zweifel
    Die öffentlichen Reaktionen belasten den ADAC, dem nun eine Vertrauenskrise droht. Der Skandal wirft nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen ein Schlaglicht auf andere Tests, Statistiken und die Unabhängigkeit des ADAC. "Auch die Pannen- und Tunnelstatistik müsste man jetzt untersuchen", sagte Dudenhöffer. Wenn beim Gelben Engel gelogen worden sei, könne man das für andere Bereiche nicht ausschließen.
    Bundestagsausschuss im Gespräch
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte weitere Klärung: "Der ADAC hat jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden." Die Vorgänge zeigten, dass "großen Verbänden manchmal etwas mehr Bescheidenheit im Auftreten gut täte", sagte der Minister in München, der wegen der geplanten Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer mit dem ADAC im Streit liegt.
    CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt
    CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt (picture alliance / dpa/ Peter Kneffel)
    Der ADAC lebe ganz besonders vom Vertrauen seiner Mitglieder wie auch der Verbraucher, betonte ein Sprecher von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Juristisch handele es sich um eine Sache der zuständigen Staatsanwaltschaft.
    Die Vorsitzende des Verbraucherschutzausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), verlangte vom ADAC eine Organisationsreform zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit. "Der ADAC hat Millionen Autofahrer hinter die Fichte geführt." Da der ADAC sich als unabhängig und gemeinnützig darstelle, habe er einen enormen Einfluss auf Kauf- und Mietverhalten. Die Verbraucher hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, was sich hinter den Manipulationen verberge. Künast forderte, der Bundestagsausschuss müsse sich mit dem Thema beschäftigen.
    Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter sprach sich wegen des Skandals für Konsequenzen beim ADAC aus. "Einen solchen Betrug darf sich ein Automobilklub mit fast 19 Millionen Mitgliedern nicht leisten", sagte er "Spiegel Online". Der ADAC trage angesichts seiner vielen Mitglieder eine große öffentliche Verantwortung, mit der er gewissenhaft umgehen müsse.