Dienstag, 23. April 2024

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Autopreis "Gelber Engel"
"So kann man sich nicht rausreden"

Über Jahre ist die Wahl zum "Lieblingsauto der Deutschen" offenbar vom ADAC manipuliert worden. Gerd Lottsiepen, Sprecher des ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland (VCD), kritisiert im DLF die Vereinsoberen des ADAC. Entweder hätten sie von den Verfälschungen des Kommunikationsdirektors gewusst oder ihn besser kontrollieren müssen.

Gerd Lottsiepen im Gespräch mit Friedbert Meurer | 20.01.2014
    Gert Lottsiepen, Verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD),  gestikuliert mit der linken Hand.
    Lottsiepen (VCD): "Das sind dann einige wenige Leute, die handeln dann miteinander aus, was der ADAC der Politik, der Öffentlichkeit gegenüber verbreitet." (Tobias Kleinschmidt - picture alliance )
    Friedbert Meurer: 18 Millionen sind Mitglied beim ADAC, aber unumstritten ist der ADAC nie gewesen. Er gilt als Autofahrer-Lobby. Sein umstrittener Slogan lautete einmal: "Freie Fahrt für freie Bürger". Darunter verstehen die einen, dass die Autofahrer keine Lust haben, am Gängelband der Politik gehalten zu werden, oder als Melkkuh der Nation herzuhalten. Andere sehen aber diesen Slogan und die Politik des ADAC als eine rücksichtslose Ansage gegenüber den Interessen von anderen, von Fußgängern, Radfahrern oder Bahnreisenden. Jetzt aber setzt der ADAC auch das Vertrauen wohlmeinender Mitglieder aufs Spiel. Der Club hat nämlich zähneknirschend zugeben müssen, dass er bei der Wahl des Gelben Engels, des beliebtesten Autos der Deutschen, die Zahlen manipuliert hat. Kritiker des ADAC hat es schon immer gegeben. Deswegen wurde zum Beispiel vor fast 30 Jahren der Verkehrsclub Deutschland gegründet, VCD, ein ökologisch ausgerichteter Verkehrsclub. Er präsentiert sich als Alternative für diejenigen, denen die Ausrichtung des ADAC nicht behagt. Gerd Lottsiepen ist verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Guten Tag, Herr Lottsiepen.
    Gerd Lottsiepen: Guten Tag, Herr Meurer!
    Meurer: Der VCD ist kein Freund des ADAC. Empfinden Sie ein bisschen Genugtuung über die Meldungen aus München?
    Lottsiepen: Ach so richtig freuen können wir uns darüber nicht. Ich wurde heute auch schon gefragt, ob bei uns jetzt die Sektkorken knallen. Nein, das ist nicht der Fall. Es wäre der Fall dann, wenn wir einen Lobby-Erfolg hätten, wenn wir zum Beispiel durchsetzen würden ein Tempolimit. Das ist aber jetzt vielleicht leichter geworden, weil der ADAC hat bis jetzt immer gesagt, unsere Mitglieder, wir vertreten unsere Mitglieder, die wollen kein Tempolimit. Und das alles muss man jetzt hinterfragen, nachdem dieser doch relativ große Betrug aufgedeckt wurde.
    Lottsiepen: ADAC-Mitglieder wenig aktiv
    Meurer: Warum soll der ADAC jetzt nicht mehr im Namen von 18 Millionen Autofahrern sprechen?
    Lottsiepen: Weil man zum Beispiel an dieser Geschichte hier sieht, dass die ADAC-Mitglieder relativ wenig aktiv sind. Der ADAC hat das ja deshalb gemacht, weil die Anzeigenerlöse, die sind abhängig von der Auflagenhöhe der Zeitschrift, aber auch davon, ob die tatsächlich überhaupt gelesen wird, ob die Leser dieser Zeitschrift aktiv werden, und man hat um den Faktor zehn nach oben lügen müssen und hat dadurch natürlich auch höhere Einkünfte erzielt. Also warum soll man dem ADAC jetzt glauben, dass die 18 Millionen Mitglieder mehrheitlich gegen ein Tempolimit sind.
    Meurer: Hinter den Kulissen ist schon öfter gemunkelt worden, Herr Lottsiepen, der ADAC würde deutsche Autos bevorzugen bei seinen Umfragen, bei seinen Tests. Haben Sie immer schon in Gesprächen Hinweise dafür erhalten, oder das so gesehen?
    Lottsiepen: Natürlich beschweren sich ausländische Hersteller, dass sie bei solchen Wahlen immer deutlich schlechter abschneiden, als es die deutschen tun. Wir haben bis jetzt dort keine Beweise, keine Belege dafür gehabt, dass dort betrogen wurde. Das muss man jetzt alles untersuchen. Ich will jetzt keine Beschuldigung loslassen, die ich nicht belegen kann.
    Meurer: Die Affäre entzündet sich an der Wahl zum beliebtesten Auto der Deutschen. Es gibt ja andere Hitlisten, sage ich einmal, zum Beispiel die Pannenstatistik, nach der sich viele Autokäufer doch ausrichten, für welche Autos wird am häufigsten der Pannendienst, der Gelbe Engel gerufen. Haben Sie Zweifel daran, dass die Pannenstatistik stimmt?
    Lottsiepen: Auch da gibt es ja Gerüchte. Es gibt ja inzwischen die Mobilitätsgarantien, die Autohersteller aussprechen für ihre Neuwagen, und wenn man jetzt dort mit diesen neuen Fahrzeugen eine Panne hat, dann ruft man die Nummer an, die man vom Autohersteller bekommen hat. Das wird dann zwar oft ohne Umweg sogar an den ADAC weitergeleitet, aber gezählt wird es dann eben bei dem Hersteller und nicht beim ADAC. Das alles muss man jetzt natürlich noch mal aufdecken und schauen, ob die Angaben, die dort gemacht wurden in den letzten Jahren, richtig sind. Das ist eben das Problem, was der ADAC jetzt am Hals hat, was aber auch vielleicht für andere Untersuchungen gilt, dass da jetzt noch mal ganz extrem nachgefragt wird, ob denn da alles mit richtigen Dingen zuging.
    Großteil des ADAC-Umsatzes werde nicht durch Vereinstätigkeit erzielt
    Meurer: Wir haben gerade im Beitrag gehört den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen, der sagt, es gibt keine Kontrolle beim ADAC, man schottet sich ab, und er fordert eine völlig neue Struktur. Was läuft schief möglicherweise an der Struktur des ADAC?
    Lottsiepen: Der ADAC ist halt ein Unternehmen mit einem Milliarden-Umsatz. Ein Großteil des Umsatzes wird ja nicht durch die Vereinstätigkeit erzielt, sondern durch geschäftliche Tätigkeiten. Der ADAC wird aber geführt nach Vereinsrecht, wobei es da ja auch noch merkwürdig ist, dass nicht alle ADAC-Mitglieder überhaupt stimmberechtigt sind, sondern man muss ja wieder in Untergliederungen noch zusätzlich Mitglied sein, um dort wählen zu können. Im Ergebnis ist es so, dass die Vereinsoberen, die Leute, die da irgendwann mal hingekommen sind, eigentlich schalten und walten können wie sie wollen. Das sind dann einige wenige Leute, die handeln dann miteinander aus, was der ADAC der Politik, der Öffentlichkeit gegenüber verbreitet.
    Meurer: Glauben Sie, Herr Lottsiepen, dass die Vereinsoberen tatsächlich nichts wussten von den Machenschaften des Kommunikationsdirektors?
    Lottsiepen: Entweder haben sie wirklich nichts gewusst, dann muss man ihnen vorwerfen, dass das natürlich in ihrer Verantwortung ist. Der Gelbe Engel ist ein ganz, ganz, ganz wichtiges Produkt des ADAC und ich habe es ja jetzt auch gelesen, dass man sagt, der Herr Ramstetter hätte das alles für sich behalten. Ja, da muss dann natürlich der Geschäftsführer oder der Präsident sagen, so geht’s nicht, wir wollen sehen, was da wirklich Sache ist. Das kann nicht sein und es wird ja jetzt auch allenthalben berichtet, dass es innerhalb des ADAC längst brodelt. So kann man sich nicht rausreden. Die Leute haben wahrscheinlich, die Vereinsoberen haben entweder davon gewusst, oder sie hätten sich darum kümmern müssen. Wenn sie das nicht getan haben, muss man ihnen das auch vorwerfen.
    Meurer: Der Gelbe Engel des ADAC hat jetzt selbst eine Panne. Darüber habe ich gesprochen mit Gerd Lottsiepen, dem verkehrspolitischen Sprecher des VCD, des alternativ ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland. Danke und auf Wiederhören, Herr Lottsiepen.
    Lottsiepen: Ja danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.