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Autos in Griechenland
Unterwegs ohne TÜV und Versicherung

Aktuell wird die Zahl der unversicherten Autos in Griechenland auf rund eine Million geschätzt. Fast ebenso viele haben keine gültige TÜV-Plakette. Das könnte sich künftig allerdings ändern. Der Grund dafür ist ausgerechnet das zweite Sparpaket der griechischen Regierung.

Von Rodothea Seralidou | 25.01.2016
    Ein Taxi fährt durch das Hafenviertel von Piräus.
    Taxi, Lkw oder Pkw: Viele Autofahrer fahren ohne TÜV und ohne Versicherung. (imago/MiS)
    Auf dem Gelände der Firma KTEO-Hellas in Vari, 20 Kilometer von der Athener Innenstadt entfernt: Das Unternehmen ist der größte private TÜV-Anbieter des Landes für Kraftfahrzeuge. Rund ein Dutzend junge Männer im Blaumann arbeiten hier wie am Fließband: Der eine kontrolliert die Bremsen, der andere die Abgase, ein dritter sieht sich Fahrwerk und Unterböden der Autos an.
    Serafim Margaritis hat sich mit seinem Toyota Yaris in die Warteschlange eingereiht. Er selber nehme den Besuch beim TÜV ernst, sagt der 70-jährige Rentner. Doch in seinem Bekanntenkreis sei er mit dieser Einstellung eine Ausnahme:
    "Viele überlegen es sich zweimal, ob sie die 50 Euro für die Kontrolle ausgeben sollen oder nicht und sagen: 'Ich lass es lieber! Die Polizei wird mich eh nicht erwischen!' Sie fahren auch eher selten mit ihrem Auto und vermeiden die Innenstadt. Die Leute haben nun mal finanzielle Schwierigkeiten."
    Lasche Kontrollen
    Tatsächlich seien die Polizeikontrollen in dieser Hinsicht lasch, sagt Stratos Floros, der technische Leiter des privaten TÜV-Unternehmens. Das Einzige also, was TÜV-Sünder bisher wirklich zahlen mussten, war ein kleines Bußgeld von maximal 68 Euro: Das wird zusammen mit der Rechnung für die Hauptuntersuchung fällig - vorausgesetzt, die säumigen Fahrer entschließen sich, ihr Auto überhaupt zur Kontrolle zu bringen. Das Ergebnis solch einer laxen Abschreckungspolitik lässt sich auf Griechenlands Straßen täglich besichtigen. Rund eine Million Autos haben keine gültige TÜV-Plakette an der Windschutzscheibe - für ein Land mit weniger als elf Millionen Einwohnern eine erschreckend hohe Zahl. Floros schildert die praktischen Konsequenzen:
    "Das sind einerseits die Autos, die beim Vorbeifahren eine schwarze Rauchwolke hinterlassen und die Umwelt verpesten. Und dann gibt es noch die Fahrzeuge, die eigentlich nicht mehr fahrtüchtig sind. Ihre Bremsen funktionieren zum Beispiel nicht mehr richtig. Sie können jederzeit einen Unfall verursachen."
    Sparpaket als Anreiz für TÜV-Plakette
    Nun aber müssen die griechischen TÜV-Sünder damit rechnen, bald tiefer in die Tasche zu greifen: Zweimal im Jahr nämlich soll die Datenbank des Finanzministeriums mit jener des Verkehrsministeriums abgeglichen werden. Halter von zugelassenen Autos, die den TÜV geschwänzt haben, sollen durch diese elektronische Recherche automatisch herausgefiltert und mit einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro pro Halbjahr bestraft werden.
    "Das ist eine Auflage, die das zweite Sparpaket vorsieht. Der Staat erwartet dadurch Einnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro. Wer keinen gültigen TÜV hat, muss also mit einem Mahnbrief vom Finanzamt rechnen."
    Zu den ehemaligen TÜV-Muffeln gehört auch Nitsa Lambrou. Sie habe die Hauptuntersuchung einfach vergessen, beteuert die Rentnerin. Nun wolle sie ihre TÜV-Plakette rasch doch noch erneuern. Die kleine Frau mit den blondierten Haaren hat im beheizten Warteraum Platz genommen und verfolgt auf einem Bildschirm, wie es mit der TÜV-Kontrolle ihres sechs Jahre alten Hyundai vorangeht. Schlimmer als ein Fahrzeug ohne TÜV-Plakette findet sie Autos, die ohne gültige Kfz-Versicherung unterwegs sind.
    "Ich hatte schon einmal einen Unfall mit einem unversicherten Auto. Der Fahrer wollte einen U-Turn machen und ist auf mich drauf gefahren. Und dann sagte er noch dreist zu mir - damals hatte ich einen Citroën: 'Warum hast du nicht gebremst, du hast doch so gute Reifen!'"
    Die Zahl der unversicherten Autos wird aktuell auf eine Million geschätzt - das sind ebenso viele Autos, wie jene ohne TÜV-Check. Absolut kein Zufall, sagt TÜV-Spezialist Stratos Floros:
    "Wer sein Auto versichert, der ist auch so pflichtbewusst und bringt es zur Hauptuntersuchung. Und umgekehrt: Wer es nicht versichert, der vernachlässigt auch die technische Kontrolle."
    Viele bleiben auf ihrem Schaden sitzen
    Eigentlich springt bei einem Unfall mit einem unversicherten Fahrzeug der sogenannte "Hilfsfonds" ein, in den für genau solche Fälle alle Versicherungsgesellschaften des Landes einzahlen müssen. Doch oft begehen die Fahrer der unversicherten Autos Fahrerflucht oder die Geschädigten sind ratlos, was zu tun ist. So auch Rentnerin Nitsa Lambrou. Sie hatte nach dem Unfall die Polizei nicht gerufen - und blieb deshalb auf ihrem Schaden sitzen.