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Baden-Württemberg
"Es geht allein um eine stabile Landesregierung"

Die CDU in Baden-Württemberg berät heute darüber, ob sie sich eine Regierungskoalition unter Führung der Grünen vorstellen kann. CDU-Landeschef Thomas Strobl sagte im DLF, dabei gehe es zunächst allein um Inhalte und nicht um Personalfragen. "Wir müssen Baden-Württemberg fit für die Zukunft machen", so Strobl. Mit den Grünen sieht er sowohl Schnittmengen als auch Differenzen.

Thomas Strobl im Gespräch mit Bettina Klein |
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    Strobl sagte im Deutschlandfunk, man sich sicher schnell darauf einigen können, dass wir "Bildungschancen unabhängig vom Geldbeutel" wollen. Kritisch bewertete der baden-württembergische CDU-Vorsitzende die Frage der Inneren Sicherheit. Dieser Punkt sei für seine Partei ein ganz entscheidender, "und da war es in den letzten fünf Jahren in Baden-Württemberg nicht zum besten gestellt". So sei etwa die Zahl der Einbruchdiebstähle nirgendwo so stark gestiegen wie in Baden-Württemberg, kritisierte Strobl. Wichtig sei außerdem eine Finanz- und Haushaltspolitik, in der man keine Schulden mehr mache.
    Mit Blick auf die zunehmende Forderungen nach einem Rücktritt von Fraktionschef Guido Wolf betonte Strobl, es sei natürlich, dass es nach einem historisch schlechten Wahlergebnis Kritik an der Position des Spitzenkandidaten gebe: "Dafür wird man nicht gelobt." Wolf sei aber am vergangenen Dienstag als Vorsitzender das Landtagsfraktion gewählt worden und nehme als solcher an den Verhandlungen mit den Grünen teil. Generell sei die Fraktion engstens eingebunden. "Ich habe immer gesagt, wir machen das gemeinsam."

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Grün-Schwarz - ein noch nie da gewesenes Politikmodell könnte in diesen Tagen in Baden-Württemberg Wirklichkeit werden. Ein Regierungsbündnis also aus den Grünen als größerer Koalitionspartner und der CDU daneben. Eigentlich sollte heute bereits die Entscheidung auf Seiten der CDU fallen, dafür, als Juniorpartner mit den Grünen eine Landesregierung zu bilden. Doch die Verhandlungen dazu stehen offenbar auch im Zeichen der Forderungen nach einem personellen Neuanfang.
    Mitgehört hat Thomas Strobl, Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und zugleich stellvertretender Bundesvorsitzender. Guten Morgen, Herr Strobl.
    Thomas Strobl: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Sie konnten es mithören, eine Reihe von Fragen drängen sich da heute Morgen auf. Ich würde gern mal damit beginnen: Können Sie das bestätigen, Sie haben von der Kanzlerin den Auftrag, die Verhandlungen über eine grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg zu führen?
    Strobl: Nein, einen solchen Auftrag von der Bundeskanzlerin gibt es nicht. Aber das ergibt sich natürlich aus der Verantwortung heraus, die ich als Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg habe, für das Land Baden-Württemberg und natürlich auch für meine Partei, die CDU.
    "Es geht darum, eine stabile Regierung zu bilden"
    Klein: Das heißt, Sie führen diese Verhandlungen, da gibt es gar keine Diskussion, und nicht der Fraktionsvorsitzende Guido Wolf, der sich ja auch schon als Verhandlungsführer vorgestellt hatte?
    Strobl: Nun, Guido Wolf ist der gewählte Vorsitzende der Landtagsfraktion. Es geht im Augenblick ganz und gar nicht um die Frage, welche Personen welche Aufgaben übernehmen könnten. Das ist wirklich von nachgeordneter Bedeutung. Es geht im Augenblick allein darum, in Baden-Württemberg eine stabile Regierung mit einem Programm zu bilden, das unser Land nach vorne bringt.
    Klein: Klar, es geht vielleicht noch nicht darum, wer welchen Ministerposten bekommt, aber doch schon im Augenblick scheint es ja darum zu gehen, wer die Verhandlungen jetzt mit den Grünen führt. Daher noch mal kurz meine Frage: Sie werden der Verhandlungsführer sein, oder gibt es da eine Teamlösung?
    Strobl: Ich habe immer gesagt, wir machen das gemeinsam. Die CDU-Landtagsfraktion ist selbstverständlich engstens eingebunden und wir haben das gestern noch einmal bekräftigt, dass wir die Verhandlungen gemeinsam führen würden. Wir haben ja eine achtköpfige Verhandlungskommission. Es gibt das Präsidium, es gibt den Landesvorstand. Und noch einmal: Ich habe von Anfang an gesagt, wir werden gemeinsam diese Verhandlungen führen, und wir haben das gestern noch einmal klargestellt.
    "Für ein schlechtes Wahlergebnis wird man nicht gelobt"
    Klein: Okay! - Jetzt haben wir gerade gehört, es gibt wachsenden Unmut an der Figur Guido Wolf. Es gibt Forderungen nach einem personellen Neuanfang von verschiedenen Ortsverbänden, von verschiedenen Flügeln und Strömungen in der Partei. Auch die Frauenunion hat sich entsprechend geäußert. Wann kommt dieser personelle Neuanfang, Herr Strobl?
    Strobl: Wir haben ein historisch schlechtes Wahlergebnis erzielt und man kann auch nicht so tun, als hätten wir ein halbes Prozent verloren, sondern wir haben zwölf Prozent verloren und das müssen wir dann schon noch einmal in den Fokus rücken und analysieren. Und dass es in einer solchen Situation dann Kritik auch an der Person des Spitzenkandidaten gibt, das ist eigentlich natürlich. Es ist doch ganz klar: Für ein schlechtes Wahlergebnis wird man nicht gelobt. Bei aller Kritik möchte ich aber zu bedenken geben, dass Guido Wolf seinen Wahlkampf unter sehr schweren Rahmenbedingungen zu führen hatte. Denken Sie an die Flüchtlinge oder denken Sie an den Streit innerhalb der Unionsfamilie zwischen CSU und CDU, der uns in diesem Wahlkampf sicherlich nicht geholfen hat.
    Klein: Wir verstehen, Sie stellen sich heute Morgen vor oder hinter Guido Wolf. Das kann man, glaube ich, wahrnehmen. Sagen Sie also all jenen, die sagen, dieser Mensch muss auch persönliche Verantwortung ziehen aus dem nicht zuletzt von ihm verantworteten schlechten Wahlergebnis, sagen Sie all denen, das wird nichts, Guido Wolf bleibt im Amt und wird auch in führender Position weiterhin arbeiten?
    Strobl: Noch einmal: Guido Wolf ist am vergangenen Dienstag als Vorsitzender der Landtagsfraktion gewählt worden und als solcher nimmt er jetzt an den Verhandlungen mit den Grünen teil. Und noch einmal: Wir machen das ganz gemeinsam.
    "Erwin Teufel hat zurecht gesagt, erst das Land, dann die Partei"
    Klein: Aber Sie legen sich jetzt nicht fest, wie lange er noch in diesen Ämtern ist und was passiert, wenn es denn möglicherweise mal ein Regierungsbündnis geben wird?
    Strobl: Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Erwin Teufel hat zurecht gesagt, erst das Land, dann die Partei und erst zum Schluss kommen die Personen. Davon lasse ich mich leiten. Wenn dieser Satz richtig ist, dann ist er doch in dieser für das Land Baden-Württemberg und für die CDU besonders schwierigen Situation besonders richtig.
    Klein: Viele haben aber auch den Eindruck, Personalfragen und Personalentscheidungen sind ja nicht nur Dekoration. Sie stehen ja für etwas, für Kriterien, für Werte, auch für Machtinteressen. Wie wollen Sie einen Neuanfang demonstrieren, wenn der nicht auch auf personeller Ebene einen Ausdruck findet, wie zunehmend Menschen in Baden-Württemberg es sich wünschen?
    Strobl: Ich habe schon ein gewisses Verständnis dafür, dass Personalfragen insbesondere für Journalistinnen und Journalisten von einem besonderen Interesse sind.
    Klein: Ich glaube, wir haben ganz viele zitiert aus Ihrem Landesverband, Herr Strobl, die genau das gefordert haben. Sie können es jetzt nicht nur auf die Journalisten schieben.
    Strobl: Ja. Die Personalfragen sind auch natürlich für Mitglieder unserer Partei von einem besonderen Interesse. Aber lassen Sie mich trotzdem sagen: Jedenfalls meine Konzentration ist im Augenblick die, um welche Inhalte geht es. Wie können wir diesem Land eine stabile Landesregierung geben und wie können wir in diesem Land Themen identifizieren, die notwendig sind, dass Baden-Württemberg seine Wettbewerbsfähigkeit in einem internationalen Konzert steigern kann und dass wir eine gute Landesregierung bekommen, so dass wir nach fünf Jahren sagen können, den Menschen in Baden-Württemberg geht es noch besser, als es ihnen heute schon geht.
    "Ich glaube, dass diese Personaldebatten uns nicht helfen"
    Klein: Ich will jetzt nicht noch mehr auf dieser Personalie beharren. Wir werden abwarten, was sich in den kommenden Wochen und Monaten da entwickeln wird, denn es gibt ja offenbar auch Unmut über die Art des Gebarens, dass da jemand so ein Ergebnis einfährt und dann wie ein Sieger auftritt und scheinbar völlig ohne jeden Zweifel. Das hat für Sie aber kein Geschmäckle?
    Strobl: Noch einmal: Ich glaube, dass diese Personaldebatten uns nicht helfen. Ich habe auch selber nie davon gesprochen, wer jetzt Verhandlungsführer ist und wer nicht, sondern ich habe von Anfang an gesagt, wir werden das gemeinsam machen, und so machen wir es jetzt auch.
    Klein: Dann schauen wir mal auf ein paar inhaltliche Forderungen. Grünen-Chef Özdemir hat vergangene Woche bereits drei Punkte formuliert, die er zur Bedingung erklären würde für ein Regierungsbündnis zwischen Grünen und der CDU. Ich nenne mal einen: Deutschland muss aus der Kohleenergie aussteigen: Zweitens: Außerdem muss es einen europäischen Marshall-Plan für Nordafrika geben. Und drittens: In unserem Bildungssystem darf die Frage der Herkunft und des Geldbeutels nicht mehr die entscheidende Rolle spielen. Drei konkrete Punkte der Grünen. Sagen Sie, einer davon ist für uns auf gar keinen Fall zu machen, oder verhandeln Sie über alles?
    Strobl: Na ja. Zum Beispiel der letzte Punkt ist einer, über den wir uns ganz, ganz sicher sehr schnell verständigen können, dass wir Bildungschancen unabhängig vom Geldbeutel in unserem Bildungssystem haben wollen. Die ersten beiden Punkte, die Herr Özdemir genannt hat, scheinen mir eher Punkte zu sein, die in der Bundespolitik zu verorten sind. Es geht jetzt darum, dass wir Baden-Württemberg fit für die Zukunft machen, und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass etwa in Fragen der Nachhaltigkeit wir zusammenfinden. Nachhaltigkeit gibt es allerdings dann nicht nur in der Umweltpolitik, sondern auch in der Finanz- und Haushaltspolitik, dass wir keine Schulden mehr machen. Wir müssen vorankommen in der Verkehrsinfrastruktur-Politik, insbesondere bei der Infrastruktur der Digitalisierung. Da könnten wir gemeinsam den Ehrgeiz entwickeln, dass Baden-Württemberg auf den ersten Platz kommt, Avantgarde ist als ein Technologieland und ein Flächenland. Und ich will hinzufügen: Für die CDU ist der Bereich der inneren Sicherheit ein ganz entscheidender. Der Staat muss nicht alles regeln, aber er muss die innere Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Da war es in den letzten fünf Jahren in Baden-Württemberg nicht zum Besten gestellt. Die Zahl der Einbruchsdiebstähle ist nirgendwo so gestiegen wie in unserem Land, und das müssen wir wieder ändern, dass Baden-Württemberg auf den ersten Platz kommt als sicherstes Bundesland mit einer hervorragenden Polizei, die Straftaten auch optimal aufklärt.
    Bundeskanzelerin gibt Rückendeckung
    Klein: Sie haben jetzt auch noch mal selber einige Punkte genannt. Ich höre bei Ihnen eine Menge Verhandlungsbereitschaft heraus. Sie haben am Anfang des Gespräches gesagt, Sie haben keinen Verhandlungsauftrag von der Kanzlerin, jetzt Grün-Schwarz auszuhandeln in Baden-Württemberg. Aber verstehen wir das richtig, dass Sie die Rückendeckung der gesamten Bundesspitze der CDU haben, so zu verfahren, wie Sie es gerade heute Morgen angedeutet haben?
    Strobl: Nun ja, natürlich spreche ich mit der Bundeskanzlerin über die Lage in Baden-Württemberg und ich habe ganz den Eindruck, dass wir hier Rückendeckung und Unterstützung haben und dass der Bundeskanzlerin schon daran gelegen ist, dass ein so großes Land, über zehn Millionen Einwohner, eine der wirtschaftsstärksten Regionen in Europa, eine gute und eine stabile Regierung bekommt, und deswegen ist das ganz in Ordnung.
    Klein: Thomas Strobl, der CDU-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg und stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, heute Morgen im Deutschlandfunk zu den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen, die nun wohl mit den Grünen aufgenommen werden. Herr Strobl, danke für das Gespräch und die Zeit heute Morgen.
    Strobl: Danke Ihnen und einen schönen Tag noch.
    Klein: Ebenfalls!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.