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Bahn-Gewerkschaft droht mit Streiks

Die Gewerkschaft Transnet hat für den Fall mit Streiks gedroht, dass die Deutsche Bahn bei dem geplanten Börsengang ohne das Schienennetz privatisiert wird. Die Beschäftigung in dem Unternehmen werde am besten gesichert, wenn Netz und Betrieb zusammenblieben, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Norbert Hansen. Deshalb dürfe die Existenzgrundlage von 240.000 Menschen nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Erst hieß es, die Entscheidung sei gefallen. Dann wiederum kam die Meldung, es sei noch keine Vorentscheidung getroffen worden. Beim Streit um die Privatisierung der Bahn AG wird offenbar auch mit einem Gutteil Psychologie gearbeitet. Anders ist nicht zu erklären, dass die Teilnehmer des Lenkungsausschusses gestern völlig Unterschiedliches zu berichten hatten. Die Verkehrsexperten von Unions- und SPD-Fraktion teilten mit, der Börsengang inklusive Netz sei vom Tisch, was das Bundesverkehrsministerium daraufhin bestritt. - Am Telefon ist jetzt der Vorsitzende der Bahn-Gewerkschaft Transnet Norbert Hansen. Guten Morgen!

    Norbert Hansen: Schönen guten Morgen!

    Heckmann: Herr Hansen, glauben Sie daran, dass noch keine Entscheidung gegen Ihr Modell, gegen das des integrierten Börsengangs gefallen ist, oder versucht das Verkehrsministerium nur zu beschwichtigen?

    Hansen: Nein, nein. Ich habe inzwischen Gewissheit, dass die Entscheidung nicht gefallen ist, und auch, dass offensichtlich einige Gegner des Bahnkonzerns versuchen, das jetzt herbeizureden. Ich habe sowohl aus dem Verkehrsministerium direkt als auch von der SPD-Fraktion die verbindliche Erklärung, dass es keine Entscheidung gegen den integrierten Bahnkonzern gegeben hat.

    Heckmann: Aber die Äußerungen der Verkehrsexperten von SPD und Union gestern nach der Sitzung sprachen noch eine andere Sprache?

    Hansen: Ja, das ist offensichtlich Taktik und ich finde das langsam unerträglich, wie man hier ein Unternehmen als politische Spielwiese missbraucht. Es geht um das Schicksal von 240.000 Beschäftigten und nicht darum, dass Politiker sich hier tummeln können und ihre Profilneurosen austoben.

    Heckmann: Aber es scheint so zu sein, dass bei den Parlamentariern eine Mehrheit gegen dieses Modell, das von Ihnen favorisiert wird, zu erwarten ist?

    Hansen: Das sehe ich noch nicht. Das Parlament besteht ja nicht nur aus den Abgeordneten des Verkehrsausschusses, sondern aus einer ganzen Vielzahl mehr. Wir haben mehr als 50 Prozent der Abgeordneten inzwischen über unsere Funktionäre im Gespräch gehabt und hier ist für mich eher eine Mehrheit für das bewährte System des integrierten Bahnkonzerns zu erkennen, das schließlich jetzt seit zwölf Jahren auf einem guten Sanierungsweg ist und inzwischen Gewinne macht.

    Heckmann: Was wäre denn aus Ihrer Sicht eigentlich so schlimm an einer Trennung zwischen Bahn und Netz? Verkehrsexperten sagen ja, dass ohne eine solche Trennung ein wirklicher Wettbewerb nicht möglich sei, oder ist der Wettbewerb von Ihnen gar nicht gewollt?

    Hansen: Der Wettbewerb findet ja erfolgreich statt. Inzwischen gibt es nahezu 300 Unternehmen auf der Schiene in Deutschland.

    Heckmann: Auf wenigen Strecken!

    Hansen: Bitte?

    Heckmann: Auf relativ wenigen Strecken.

    Hansen: Nein, nein, auf dem gesamten Netz und inzwischen auch im Güterverkehr. Diese Wettbewerbsunternehmen haben jedes Jahr zweistellige Zuwachsraten. Wo gibt es das? Nein, es geht im Hintergrund darum, dass es hier große Investoren gibt, die ihre Lobbyisten auf den Weg schicken und die natürlich das gesamte Geschäft der Bahn AG übernehmen wollen. Das ist aber wirtschaftspolitisch sicherlich auch nicht im Interesse der Bundesregierung.

    Heckmann: Das heißt Sie sehen dahinter keine ökonomische Notwendigkeit?

    Hansen: Nein, natürlich nicht! Warum soll man ein Unternehmen an andere Eigentümer, ausländische Eigentümer vollständig verkaufen, wenn es floriert. Das was die Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck gebracht hat, berücksichtigt die Verfassung. Danach bleibt sie Mehrheitsgesellschafter. Das können wir mittragen. Dieser Eigentumsvorbehalt im Grundgesetz muss aufrecht erhalten bleiben. Bis zu 49 Prozent wären in Ordnung, wenn die Bedingungen für die Beschäftigten stimmen. Was hier aber nach einer Trennung passiert ist, dass der Bund zu 100 Prozent das Netz möglicherweise behält und zu 100 Prozent alles andere nach und nach verkaufen wird. Das hat Risiken für die Beschäftigten, die für uns völlig unkalkulierbar sind.

    Heckmann: Wie sehen diese Risiken aus?

    Hansen: Die Risiken bestehen darin, dass die Tarifverträge nicht mehr weiter gelten. Wir haben einen Kündigungsschutz bis 2010 mit dem Bahnkonzern vereinbart. Wenn der nicht mehr existiert oder die Strukturen sich verändern, dann fallen die Beschäftigten wieder in das Kündigungsrisiko zurück. Wir haben aber einen Preis dafür bezahlt: in etwa fünf Prozent Einkommensverzicht über Arbeitszeitflexibilität. Das wäre Betrug an den Vorleistungsbereitschaften der Beschäftigten. Wir wissen natürlich überhaupt nicht, ob andere Eigentümer bereit wären, einen solchen weitgehenden Kündigungsschutz mit uns wieder neu zu vereinbaren.

    Heckmann: Herr Hansen, wie würden sie als Gewerkschaft reagieren, wenn es doch zu dieser Entscheidung kommen sollte, Trennung zwischen Bahn und Netz? Würden Sie Ihre Beschäftigten mobilisieren?

    Hansen: Auf jeden Fall! Wir haben ja eine Kampagne schon seit Monaten laufen: "Schütze deine Bahn". Da gibt es einen Aktionsplan. Der beinhaltet auch im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen zum Kündigungsschutztarifvertrag die Möglichkeit, notfalls Streikmaßnahmen zu ergreifen. Im Moment sind wir noch in der Phase der Verhandlungen und der Protestaktionen.

    Heckmann: Der Vorsitzende der Bahn-Gewerkschaft Transnet Norbert Hansen war das zu den Plänen der Privatisierung der Bahn. Herr Hansen, ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Hansen: Bitte, gerne!