Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv


Bahn weist Vorwurf der Bespitzelung zurück

Der Anti-Korruptionsbeauftragte der Deutschen Bahn, Wolfgang Schaupensteiner, hat angesichts der Vorwürfe um angebliche Bespitzelungen bei dem Unternehmen betont, es gebe keinen Grund, den Vorgang zu skandalisieren. Man habe lediglich die Daten von Beschäftigten mit denen von Lieferanten abgeglichen, um zu ermitteln, ob sich Mitarbeiter unter Umständen selbst Aufträge erteilt hätten. Dies sei weder Bespitzelung noch Überwachung, so Schaupensteiner.

Wolfgang Schaupensteiner im Gespräch mit Bettina Klein | 29.01.2009
    Bettina Klein: Kampf der Korruption, den hat sich die Deutsche Bahn auf die Fahnen geschrieben. Aber jetzt ist sie offenbar übers Ziel hinausgeschossen. 173.000 Mitarbeiter wurden überprüft. Es wurden auch Bankverbindungen und Telefonnummern abgeglichen, offenbar routinemäßig, ohne wirkliche konkrete Anhaltspunkte. "Skandal" rufen Politiker im Verkehrsausschuss fraktionsübergreifend. Sie sind empört, sprechen von Bespitzelung und verlangen weitere Aufklärung, möglicherweise sogar einen Untersuchungsausschuss. Die Deutsche Bahn beruft sich darauf, dass dies juristisch nicht zu beanstanden ist. Datenschutz ist bis zu einem gewissen Punkt dem Arbeitgeber überlassen. Am Telefon begrüße ich Wolfgang Schaupensteiner. Er ist für die Einhaltung der Richtlinien bei der Deutschen Bahn zuständig, salopp gesagt der Anti-Korruptionsbeauftragte im Unternehmen. Guten Morgen, Herr Schaupensteiner.

    Wolfgang Schaupensteiner: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Die Deutsche Bahn ist stolz auf ihre Korruptionsbekämpfung und wie man hört auch stolz auf Sie, und jetzt das. Ist der gute Ruf in Gefahr?

    Schaupensteiner: Die Bahn ist ganz zurecht, Frau Klein, stolz auf ihre Korruptionsbekämpfung. Die Korruptionsarbeit reicht zurück seit dem Jahr 2000. Die Korruptionsbekämpfung der Bahn ist Vorbild für viele deutsche Unternehmen geworden, insbesondere in diesem Zusammenhang mit dem Ombudsmann-System, das heißt externe Vertrauensanwälte, die als Ansprechpartner für Mitarbeiter und für Lieferanten und Kunden dienen, wenn es um Auffälligkeiten geht. Die Bahn steht für Transparenz seit dem Jahr 2000. Das wird dokumentiert durch jährliche Veröffentlichungen von Korruptionsberichten.

    Klein: Herr Schaupensteiner, ist auch vorbildlich, dass 173.000 Mitarbeiter routinemäßig überprüft wurden?

    Schaupensteiner: Hier wird ein Vorgang skandalisiert, der überhaupt nicht in die Skandalecke gehört. Hier wird von "offenbar übers Ziel hinausgeschossen" gesprochen, hier wird von "Überwachung von Mitarbeitern" gesprochen. Das ist völlig unsachlich. Die Vorgehensweise, um die es hier geht - ich bin gerne bereit, die hier näher zu erläutern, wie ich es bereits gestern öffentlich gemacht habe, übrigens auch in all den Tagen vorher schon gesagt wurde; hier wurde nie etwas verheimlicht -, diese Vorgehensweise ist eine ganz ordnungsgemäße Kontrolle. Es geht wie gesagt nicht um Bespitzelung und Überwachung; es geht darum, dass, übrigens Empfehlungen von Wirtschaftsprüfern folgend, die Daten von Mitarbeitern und Lieferanten, das heißt also Namen und Anschriften, gegenübergestellt werden, also geprüft werden, ob Mitarbeiter, ohne dass sie dies offengelegt haben, als Auftragnehmer der Bahn in Erscheinung treten, sich selbst also Aufträge geben. Wir hatten in der Vergangenheit eine ganze Reihe von konkreten Fällen dieser Art, übrigens auch aktuell wieder leider Gottes, mit erheblichen Schäden für die Bahn. Es gibt aufgrund dieser Erfahrungen eine Konzernrichtlinie, die ausdrücklich von allen Mitarbeitern des Konzerns abfordert, dass sie Nebentätigkeiten und firmenrechtliche Beteiligungen außerhalb der Bahn offenlegen, um eben Interessenkonflikte zu vermeiden. Um diese Kontrollen geht es, ausschließlich darum, und nicht um Überwachung von Mitarbeitern.

    Klein: Was genau ist denn kontrolliert und überprüft worden?

    Schaupensteiner: Noch einmal, damit es für jeden deutlich wird, dass es sich hier um einen ordnungsgemäßen regelmäßigen Vorgang handelt, der übrigens auch vom Berliner Datenschutzbeauftragten überhaupt nicht kritisiert wird. Es geht nur um formale Fragen, nämlich ob die Mitarbeiter vorher oder nachher in welchem Umfang hätten informiert werden müssen. Übrigens diese Überprüfung, diese rechtliche Untersuchung, die bitte ich abzuwarten. Da appelliere ich übrigens an alle, die sich hier vorschnell zu Urteilen hinreißen lassen. Erst danach sollten wir schauen, ob die Information, die Unterrichtung der Mitarbeiter zukünftig anders gestaltet werden soll, also frühzeitiger, aber das ist noch offen. In der Sache selbst - ich erkläre es gleich -, nämlich diese Überprüfung, gibt es keinen Zweifel, dass diese notwendig ist. Es geht also noch mal darum - das ist für Außenstehende vielleicht nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Ich als Staatsanwalt habe früher viele solcher Fälle gehabt und habe die als typische Korruptionsmuster erkannt, nämlich: Mitarbeiter eines Unternehmens gründen selbst Firmen, unter eigenem Namen, unter dem Namen der Ehefrau, des Ehemannes, je nachdem unter dem Namen von Dritten, und beauftragen ihre eigenen Firmen dann im Namen der Bahn, beauftragen sich also selbst. Dadurch entstehen der Bahn ganz erhebliche Schäden. Wir haben - ich wiederhole - eine Reihe von konkreten Fällen gehabt, seit dem Jahr 1998 mit zunehmender Tendenz, und daraufhin wurde eben diese Konzernrichtlinie verabschiedet: Leute, ihr müsst eure Nebentätigkeiten, eure Firmen offenlegen, wenn die Gefahr der Interessenkollision besteht. Im Zuge der Überwachung dieser Interessenkonflikte sind diese Maßnahmen eingeleitet worden, ich sage noch mal auch auf Empfehlung des Wirtschaftsprüfers und weil das zu einer normalen ordnungsmäßigen Kontrolle gehört.

    Klein: Herr Schaupensteiner, ich verstehe Sie richtig, Sie stehen zu 100 Prozent hinter diesem Verfahren, verteidigen das und sagen, das ist auch das Modell der Zukunft für die Deutsche Bahn?

    Schaupensteiner: Frau Klein, ich verteidige es nicht nur, ich habe als Staatsanwalt bei vielen Gelegenheiten sogar appelliert daran, diese Kontrollen vorzunehmen anhand der vorhandenen Daten. Das sind ja keine Daten, die wir uns irgendwo herholen, sondern das sind ja eigene Daten, das sind die Daten, die der Konzern hat, die jedes Unternehmen hat, nämlich über Mitarbeiter, über Lieferanten, dass man die gegeneinander abgleicht, um auf diese Weise eben mögliche Interessenkonflikte zu klären. Das ist eine Vorgehensweise, die ich als Staatsanwalt empfohlen habe, die richtig ist. Und noch einmal: die Frage, ob die Mitarbeiter und in welchem Umfang hier hätten informiert werden müssen, die gilt es zu klären. Wir haben ja die Mitarbeiter, die betroffen waren, wo wir also Auffälligkeiten gefunden haben, alle interviewt und dann auch Klärung herbeigeführt.

    Klein: Was heißt denn "da gibt es Klärungsbedarf", Herr Schaupensteiner? Wie sehen Sie es selbst denn? Glauben Sie denn, dass Sie die Mitarbeiter ausreichend informiert haben, dass etwas anderes nicht notwendig gewesen wäre?

    Schaupensteiner: Das ist gerade - Frau Klein, da bitte ich um Verständnis - die Rechtsfrage, die strittig ist, nämlich der Umfang der Information. Darum geht es, das gilt es zu klären. Eines habe ich an anderer Stelle bereits betont und werde das auch gerne wiederholen. Wir nehmen jeden Hinweis, gerade auch den vom Berliner Datenschutzbeauftragten, der für uns unmittelbar zuständig ist, ernst, wenn es darum geht, datenschutzrechtliche Bestimmungen noch schärfer zu beachten, wenn denn Anlass dafür ist. Dafür sind wir sensibel genug, das haben wir in der Vergangenheit auch belegt. Gerade im Zusammenhang mit der Korruptionsbekämpfung stehen wir und standen wir für Transparenz. Deswegen bin ich auch zum Konzern gekommen; sonst wäre ich nicht hier. Und noch mal deutlich an der Stelle, weil immer wieder das Wort "Überwachung", "Bespitzelung" und Ähnliches hier formuliert wird, auch wieder im Verkehrsausschuss zum wiederholten Male, und deswegen erlaube ich mir, zum wiederholten Male darauf hinzuweisen: Es gab keine Überwachung von Telefongesprächen, keine Bespitzelung, keine Kontobewegungen und Ähnliches mehr wurden hier kontrolliert. Das war nie Ziel der Untersuchung, ist auch nicht gemacht worden.

    Klein: ... , sondern es wurden die Telefonnummern angeguckt, es wurden Bankdaten, Bankverbindungen angeguckt, ohne dass die Mitarbeiter informiert worden sind.

    Schaupensteiner: Noch einmal: in den so genannten Stammdaten von Mitarbeitern sind selbstverständlich enthalten - das weiß jeder - der Name, die private Anschrift, so weit vorhanden - das ist nicht in allen Fällen der Fall - auch die private Telefonnummer und selbstverständlich die Bankverbindung, denn man muss ja auch das Gehalt überweisen können. Und bei den Lieferanten, bei unseren Auftragnehmern ist es dasselbe: auch dort die Anschrift, also die Firmenanschrift, die Bankverbindung, damit man das Geld überweisen kann. Diese Daten werden gegeneinander abgeglichen. Ich sage Ihnen, das ist ein Routinevorgang, den viele andere Unternehmen auch vornehmen, zur Kontrolle eben möglicher Beschädigungen.

    Klein: Die Bahn hat, das ist in der "Süddeutschen Zeitung" heute zum Beispiel zu lesen, zwar vier Mitarbeiter des Prüfungsausschusses, des Kontrollgremiums über dieses Verfahren informiert, die anderen 16 Aufsichtsräte haben davon nichts erfahren. War das auch korrekt?

    Schaupensteiner: Frau Klein, das sagt mir überhaupt nichts. Der Prüfungsausschuss der Deutschen Bahn ist über die Vorgänge informiert, also jetzt, nachdem das skandalisiert wurde - Stichwort "Network", Stichwort "Telekom". Daher kann ich mit der Information, die Sie mir eben hier vortragen, nichts anfangen.

    Klein: Das heißt, aus Ihrer Sicht ist der einzige Punkt, der zu klären ist, war es juristisch in Ordnung, dass die Mitarbeiter zuvor nicht darüber informiert wurden, dass diese Daten abgeglichen wurden. Verstehe ich Sie da richtig?

    Schaupensteiner: Sie haben es auf den Punkt gebracht. Es geht um diese ordnungsrechtliche Frage, es geht nicht um die Frage, ob es Sinn gemacht hat, ob es nötig war bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Schadensprävention, sondern um die Frage, in welchem Umfang hätten die Mitarbeiter vorher/nachher informiert werden müssen. Gestatten Sie mir an der Stelle folgenden Hinweis: Ich möchte die Öffentlichkeit, den Steuerzahler, den Bürger sehen, wenn die Bahn, die ja nun immerhin Milliarden auch an Steuergeldern bekommt, um zu investieren, hier keine Kontrollen vornimmt, quasi zusieht, dass ihr Millionenschäden - und ich übertreibe nicht - entstehen, und dann möchte ich nicht den Vorwurf hören, warum habt ihr nicht kontrolliert, dass eure Mitarbeiter nicht auch als eure Lieferanten euch gegenüberstehen. Dann würde sogar das Risiko bestehen, dass ein Staatsanwalt daher kommt und nicht ganz zu Unrecht sagt, Untreue durch unterlassene Kontrolle. Das Risiko gehen wir nicht ein, ist auch gar nicht nötig. Ich halte diese Kontrollmaßnahmen nicht nur für sinnvoll, sondern für zwingend erforderlich zur Vermögensbeschädigungsbegrenzung.

    Klein: Die Stellungnahme von Wolfgang Schaupensteiner, Anti-Korruptionsbeauftragter bei der Deutschen Bahn, zur Überprüfung von Mitarbeiterdaten. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Schaupensteiner.