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Banken-Stresstest
EZB fehlt "eigene Kompetenz"

Dass sich die EZB beim Stresstest auf private Unternehmen stützen musste, sei "besorgniserregend", sagte Wirtschaftsprofessor Hans-Peter Burghof im DLF. Die Zentralbank solle eigene Kompetenzen aufbauen. Auch wenn sie sehr wenig Zeit gehabt habe, eine europaweite Bankenaufsicht aufzubauen, dürfe sie sich nicht in Abhängigkeiten begeben.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Birgid Becker | 27.10.2014
    Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, aufgenommen am 10.05.2012 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    Hans-Peter Burghof vom Institut für Bankwesen der Uni Hohenheim äußert Bedenken darüber, in welchem Maße die EZB sich auf private Anbieter stützt. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Birgid Becker: Mit Ausnahme der Ergebnisse in Italien, wo sich ja die meisten Banken sammelten, die den Test nicht bestanden haben, sieht es so aus, als hätten sich Europas Banken eigentlich recht gut gehalten. Wie sicher kann man nun sein, dass die Banken wirklich solide dastehen? Das habe ich vor der Sendung den Finanzwissenschaftler Hans-Peter Burghof gefragt.
    Hans-Peter Burghof: Na ja, das kann an nicht wirklich gut messen, weil man natürlich nicht drinsteckt. Aber es ist schon ein positives Signal, denn der Stresstest wurde doch mit großer Intensität betrieben, und vor allem wurde vorher genau in die Banken hineingeguckt, was sie an Vermögenswerten haben, was sie an Risiken haben und wie die zu bewerten sind. Ob dabei der eine oder andere politische Zungenschlag gekommen ist, dass man bestimmte Fragen lieber nicht stellt, das können wir von außen leider nicht beurteilen.
    Becker: Welche Fragen wären das die man womöglich nicht gerne gestellt hätte?
    Burghof: Zum Beispiel: Übersteht eine Bank eine Vertiefung der Staatsschuldenkrise in Südeuropa, möglicherweise mit einem oder mehreren Schuldenschnitten? Das kann ja gerade für südeuropäische Banken, die massiv natürlich in den Staatsanleihen des eigenen Landes investiert sind, zu einer Existenzbedrohung werden, die sie nicht überstehen. Das ist aber eine ungewollte Frage, weil wir haben ja nun quasi par Ordre du Mufti festgelegt, dass diese Länder jetzt sicher sind und dass da nichts mehr passiert.
    "Es wird auf die Qualität der Aufsicht ankommen"
    Becker: Das heißt, wenn man sagt, der Stresstest hat seinen Zweck erfüllt, immerhin den Zweck, dass die Banken weitaus besser kapitalisiert sind, als zu Beginn der Übung, dann stimmt das, kann aber nicht dazu führen, dass man vollends beruhigt sein kann?
    Burghof: Richtig. Ich will es mal so sagen: Bankenaufsicht ist natürlich eine kontinuierliche Aufgabe. Denn schauen Sie mal: Wir haben jetzt eine Momentaufnahme. Aber gerade Banken sind natürlich in der Lage, in sehr, sehr kurzer Zeit an den Kapitalmärkten sehr hohe Risiken einzugehen, wenn sie das möchten, und deswegen muss die Bankenaufsicht das ganz massiv im Blick behalten. Es wird also wirklich auf die Qualität der neuen Bankenaufsicht ankommen, ob es uns gelingt, solche Schadensfälle, wie wir sie jetzt leider hatten, in der Zukunft unwahrscheinlicher zu machen.
    Becker: Denn das ist ja der andere Aspekt in diesem Prüfungsverfahren. Bevor die EZB nämlich die Bankenaufsicht Anfang November übernimmt, da wollte sie wohl einfach wissen, worauf sie sich einlässt. Wissen das die künftigen Aufseher jetzt, oder- Sie sagten es: Es bleiben doch noch etliche Fragen offen.
    Burghof: Ganz weiß man das nie, aber sie wissen es jetzt sicher sehr viel besser als vorher. Allerdings muss man das ein bisschen einschränken. Sie haben das ja nicht alles selber gemacht, sondern sie haben sich einiger Privatunternehmen dazu bedient. Das ist ja eine besorgniserregende Tendenz bei der EZB, dass sie, anstatt eigene Kompetenz aufzubauen, sich ganz stark auf private Unternehmen stützt. Die liefern das entsprechend flexibel in guter Qualität, aber du gerätst halt in Abhängigkeiten. Ich hätte mir gewünscht, dass die EZB lieber ein bisschen länger daran arbeitet, aber dann wirklich aus eigener Kompetenz heraus das leisten kann.
    Wenig Zeit, eine Aufsicht aufzubauen
    Becker: Das wäre nämlich die Frage gewesen. Wäre nicht Oliver Wyman aktiv geworden, hätte das die EZB aus eigenen Mitteln stemmen können?
    Burghof: Das wissen wir natürlich von außen nicht. Es ist aber zu vermuten, dass nicht; sonst hätten sie es nicht getan. Die EZB baut ihr Personal erst auf. Diese Idee, wir stampfen jetzt eine europaweite Bankenaufsicht aus dem Boden, ist schon sehr ambitioniert, wenn man überlegt, wie wenig Zeit man dafür hatte.
    Becker: Mit neun Instituten stellt Italien bei den Bankentests ja die meisten Durchfaller. Der offizielle Katzenjammer, der hielt sich ziemlich in Grenzen, abgesehen von den doch starken Reaktionen an der Mailänder Börse. Professor Burghof, was glauben Sie, was kann den italienischen Banken in dieser Situation helfen?
    Burghof: Ich denke, dass das letztendlich ein Reflex der Gesamtsituation Italiens ist, der Korruption auf der politischen Ebene, der Ineffizienz des Arbeitsmarktes, der Überbürokratisierung, der Belastung der Unternehmen mit Bürokratie. Wir haben eine ganze Liste von Sachen, was in Italien alles geändert werden müsste, wo man Reformen braucht, wo sich aber das italienische System als Ganzes mit Klauen und Zähnen dagegen wehrt, dass sich endlich etwas verändert. Und das ist ein Kurs, der auf die Dauer natürlich gegen die Wand führt, und davon haben wir eine Facette in diesem Banken-Stresstest gesehen. Was mich natürlich überhaupt nicht freut: Die haben jetzt sehr viel Zeit gehabt, sich das zu überlegen, die großen italienischen Banken, weil das Abschneiden im Stresstest kommt ja nicht wie ein Gottesurteil von oben rein zufällig, sondern das konnte man ja vorausberechnen, was da passiert, und trotzdem haben so viele italienische Banken sich nicht daran gemacht, ihre Hausaufgaben zu erledigen.
    Becker: In welchem Abstand sollte die EZB, ob nun mit externen Helfern oder ohne, die Stresstests wiederholen? Darüber ist ja noch nicht entschieden.
    Burghof: Stresstests als solche macht man eigentlich kontinuierlich und immer wieder, weil das ein ganz normales Bankaufsichtsinstrumentarium ist. Der Aufwand für diesen Stresstest war natürlich viel, viel höher, den kann man nicht ständig betreiben. Alle paar Jahre, alle fünf Jahre wäre vielleicht ein guter Rhythmus, aber auch wirklich nur bezogen auf die großen Institute. Und je größer, desto häufiger sollte man das machen. Das gilt nicht unbedingt für den Stresstest selber - der ist ja relativ unaufwendig -, sondern wirklich für diese ganze asset quality review, für die Überprüfung der Qualität der Vermögensgegenstände der Banken. Das ist etwas, was sehr aufwendig ist, was man nicht so oft machen kann.
    "Rahmenbedingungen für Investitionen stimmen nicht"
    Becker: Schön wäre es ja jetzt, wenn die frisch "getüvten" und mit Gütesiegel der EZB versehenen Banken nun auch daran gingen, wieder mehr Kredite zu vergeben. Ohne das wird es ja keinen Aufschwung in Europa geben. Passiert das?
    Burghof: Anscheinend nicht, und dann muss man sich fragen, warum das nicht passiert, und die erste Antwort ist, weil die Banken Probleme haben. Aber auch in Italien gibt es Banken, die keine Probleme haben, die diese Kredite vergeben würden und die den Marktanteil sehr gerne übernehmen würden, wenn es sich denn lohnen würde. Das heißt, für Italien gilt wiederum, die Rahmenbedingungen für Investitionen stimmen nicht. Das System ist insgesamt zu ineffizient und deswegen lohnt es sich nicht, hier zu investieren.
    Becker: Haben die Tests eventuell aber die unerwünschte Wirkung gehabt, dass sie dazu geführt haben, dass der Geldfluss in die Realwirtschaft unter dem Eindruck dieser Prüfungen doch noch einmal gebremst wurde?
    Burghof: Für Deutschland gilt das auf keinen Fall. Für andere Länder mag das eine Rolle gespielt haben. Aber es war ja auch vorher schon so, dass in diesen Ländern der Kreditmarkt einfach nicht angesprungen ist, dass aus der Krise 2008/2009 die Unternehmen nicht rauskamen, auch weil sie nicht genügend Geld zur Verfügung bekamen. Das heißt, der Stresstest als solcher wird das nicht ausgelöst haben.
    Becker: Und um den Strich zu ziehen: Europas Banken sind sicherer geworden, der Steuerzahler muss in weitaus geringerem Umfang fürchten, dass Banken wieder mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Das trifft zu?
    Burghof: Das ist eine etwas optimistische Version, aber im Prinzip geht es darum. Allerdings: Wir haben ja eine erhebliche Zahl an Banken, die nicht bestanden haben. Und wir haften ja in Europa zunehmend gemeinschaftlich für solche Schäden.
    Becker: Das heißt, eine Zufriedenheit über gut abgeschnittene deutsche Banken kann auch nur eine sehr begrenzte Zufriedenheit sein?
    Burghof: Richtig. Einstweilen stehen wir immer noch im Wort gegenüber den anderen Staaten. Wir haben gemeinsame Fonds, aus denen heraus das Bankensystem von Ländern unterstützt wird, die in Schwierigkeiten geraten. Da haften wir natürlich alle mit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.