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Bankenpleiten
Die Kraft des Nichtstuns

Wie liefen nach dem Zusammenbruch des US-Geldhauses Lehman Brothers Bankenrettungen in Europa ab? Höchst unterschiedlich und auch unterschiedlich effizient - und das hatte nicht in erster Linie mit der Größe der Bank zu tun.

Von Mischa Ehrhardt | 22.01.2019
    Die Hochhäuser und Bankentürme bilden die Skyline von Frankfurt am Main.
    Das Bankenviertel in Frankfurt/Main. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Wenn das Problem `Too Big to fail´ heißt, helfen zur Lösung des Problems Kaffee und Kekse.
    "Die Amerikaner nennen dass die `Wir-bringen-die-Kekse-Strategie´. Es gibt wirklich Verhandlungen, wo Regierungsvertreter in einem Raum gegangen sind und gesagt haben: `Wir stellen die Kekse hin. Und Sie, liebe Industrievertreter, müssen jetzt untereinander besprechen, wie Sie sich gegenseitig retten können.´ Und dann sind sie rausgegangen".
    Cornelia Woll hat unter anderem ein Buch geschrieben, sozusagen über die Kraft des Nichtstuns - einen Vergleich von Bankenrettungen in verschiedenen Ländern nach der Pleite von Lehman Brothers. Dabei, so hat sie festgestellt, gibt es zwischen den Ländern große Unterschiede. Großbritannien und Irland mussten beispielsweise sehr viel mehr Steuergelder zur Bankenrettung ausgeben als etwa Dänemark. Dort zeigte die Aktivität der Bankenbranche zur Rettung einzelner Finanzinstitute Wirkung.
    "Sehr effizient war das zum Beispiel in Dänemark, wo die dänischen Banken sich erst einmal gegenseitig gerettet haben. Das Ganze wurde dann vom Staat garantiert - allerdings erst in einem zweiten Schritt. Dadurch wurde der Druck auf den Sektor insgesamt sehr gemindert. Das war zum Beispiel in Irland nicht der Fall. In Irland hat der Staat versucht, mit den Banken einzeln zu verhandeln. Und das kam dann am Ende zu einem großen Zusammenbruch, der auch zum Staatsbankrott geführt hat".
    Größe ist weniger entscheidend
    "The Power of Inaction" nennt Woll dieses Phänomen - einfach gesagt: Die Kraft des Nichtstuns. Denn wo Bankenbranchen nicht nach einer Lösung suchen wollten oder konnten, ist letztlich dann der Staat mit Steuergeldern eingesprungen, wenn es brenzlig wurde für ein systemrelevantes Geldhaus. In ihren Untersuchungen hat Woll auch festgestellt, dass die Größe der Geldhäuser bei der Frage der Systemrelevanz gar nicht so entscheidend war und ist.
    "Auch sehr viel kleinere Institute können, wenn sie zusammenbrechen, systemische Konsequenzen haben. Hypo Real Estate war keine besonders große Bank, aber hatte trotzdem potenzielle Auswirkungen auf das System und wurde dadurch auch in diesen Rettungsschirm miteinbezogen. Das heißt, die Frage ist: Wie ist der Grad der Vernetzung, und wie kann man das steuern und planen und so regeln, dass es die privaten Gläubiger sind, die dafür haften?" Und eben nicht die Steuerzahler wie in der Vergangenheit.
    Führungskräfte werden nur selten zur Rechenschaft gezogen
    Apropos haften: Die Sozialwissenschaftlerin hat jüngst verstärkt untersucht, wer und ob Personen aus der Finanzbranche auch juristisch haftbar gemacht worden sind. Das Ergebnis: Ziemlich selten. Und wenn, dann eher Führungskräfte aus kleineren und mittelständischen Unternehmen und nicht die Chefs und Manager von Großkonzernen. Das liegt zum einen daran, dass in vielen Ländern Führungskräfte von Großunternehmen durch Unternehmensrecht besser geschützt sind als ihre Kollegen in kleineren Unternehmen. Zum anderen konnten es sich Großbanken aber auch leisten, den Kopf ihrer Manager vor einem möglichen Schuldspruch durch Vergleiche aus der Schlinge zu ziehen.
    "Das ganz große Problem ist, dass wenn man einen börsengelistetes Institut strafrechtlich verfolgt, dass dann sowohl die Finanzmärkte reagieren, teilweise aber auch die Mitarbeiter in einigen Unternehmen, die strafrechtlich verfolgt werden, das Unternehmen wechseln. Man hat also auch Einbußen auf Seiten der Struktur des Unternehmens. Und die Staatsanwaltschaften müssen dadurch immer sehr genau wissen, wo sie eingreifen, denn teilweise kann das zu einer wirtschaftlichen Vorverurteilung kommen, bevor die strafrechtliche Verurteilung überhaupt erst ausgesprochen ist".
    Im Ergebnis kommt also heraus: Zu groß für’s Gefängnis, oder: `Too Big to Jail.´