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Bankenskandal in Portugal
Familienimperium vor dem Aus

Die größte portugiesische Privatbank Banco Espírito Santo steckt in einer schweren Krise. Am Mittwoch veröffentlichte die Bank einen Zwischenbericht: Sie muss nun milliardenschwere Verluste auffangen. Damit steht das Imperium einer der einflussreichsten Familien Portugals vor dem Aus.

Von Tilo Wagner | 01.08.2014
    Ein Mann läuft an einer Filiale der Bank Espirito Santo (BES) in Lissabon, Portugal.
    Die größte portugiesische Privatbank Banco Espírito Santo steht wohl vor dem Aus. (picture alliance / dpa - Mario Cruz)
    Das Geldhaus gehört zu 20 Prozent der Gründerfamilie Espírito Santo, die in Portugal seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer der einflussreichsten Familien aufgestiegen ist. Doch das weit verzweigte Firmenimperium steht nach ruinösen Finanzgeschäften nun vor dem Aus. Und der ehemalige Vorsitzende der Bank und Chef der Familie Espírito Santo, Ricardo Salgado, wird nun der Wirtschaftskriminalität beschuldigt. In Portugal geht eine Ära zu Ende.
    Öffentlichkeit hält sich zurück
    Ein beklemmendes Schweigen hüllt sich in Portugal um die Person von Ricardo Salgado. Der ehemalige Chef der angeschlagenen Privatbank Banco Espírito Santo wurde in der vergangenen Woche kurzzeitig festgenommen und gegen eine Kaution von drei Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt. In Portugal will sich jedoch kaum jemand öffentlich zu der Selbstdemontage von Ricardo Salgado und seiner einflussreichen Familie Espírito Santo äußern.
    Selbst soziale Institutionen, die der Bankier Salgado jahrelang unterstützt hat, lehnen Kommentare ab und langjährige Mitarbeiter wählen den Schutzmantel der Anonymität, wenn sie über ihren ehemaligen Chef sprechen. So wie Maria, die seit über 25 Jahren für die Unternehmen von Ricardo Salgado tätig ist:
    "Das Bild, das wir Mitarbeiter von Ricardo Salgado hatten, war eindeutig: Er schien eine vertrauenserweckende Person zu sein und er versprach uns Mitarbeitern eine sichere Zukunft. Seine Unternehmensgruppe Espírito Santo stand für Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit."
    Betrug, Vertrauensmissbrauch und Geldwäsche
    Der Schein trog. In den vergangenen Tagen mussten mehrere Unternehmen der Familienholding "Grupo Espírito Santo" nach ruinösen Finanzgeschäften Insolvenz beantragen. Und die portugiesische Justiz hat ein Verfahren gegen Ricardo Salgado eingeleitet. Dem 70-jährigen werden Betrug, Vertrauensmissbrauch und Geldwäsche vorgeworfen.
    Seit fast zwei Jahren untersuchen Fahnder die weit verzweigten Geschäfte der Familie Espírito Santo. Die in der portugiesischen Presse veröffentlichten Details aus den Untersuchungsberichten lesen sich wie ein Finanzthriller: Es geht um Schweizer Vermögensverwalter, Luxemburger Firmensitze, angolanische Mittelsmänner und Off-Shore-Konten in Panama. Wie viel Salgado von den Machenschaften wusste, ist unklar. Für João Batalha von der Anti-Korruptions-Organisation "Transpârencia e Integridade" steht jedoch fest: Mit Ricardo Salgado geht jetzt ein Mann von Bord, der großen Einfluss auf die portugiesische Politik hatte:
    "Ricardo Salgado steht wie kaum ein anderer für eine ungesunde Vermischung von Wirtschaft und Politik. Er pflegte enge Kontakte zu den beiden Volksparteien, den Sozialisten und den Konservativen. Er schaffte es, Führungspersönlichkeiten aus der Bank in wichtige Positionen im öffentlichen Sektor und in den Regierungen zu platzieren. Und gleichzeitig stellte er ehemalige Politiker als Berater oder Vorstandsmitglieder in seiner Bank ein."
    Gefängnisstrafe unwahrscheinlich
    Ob der einflussreiche Bankier jedoch jemals für die Verbrechen büßen muss, die ihm nun vorgeworfen werden, scheint mehr als fraglich. Portugiesische Behörden haben in den vergangenen Jahren bereits neun aufwendige Prozesse gegen die Führungsspitzen von drei weiteren Privatbanken geführt. Ohne Erfolg: Von mehreren Dutzend Beschuldigten saß bisher nur einer im Gefängnis. Der portugiesischen Justiz fehlt es offenbar an Fachwissen und Ressourcen, um die komplizierten Untersuchungen im Bereich der Finanzkriminalität effizient zu führen.
    Das wüssten auch die Angeklagten, sagt João Batalha. Deshalb rechnet der Anti-Korruptionskämpfer nicht damit, dass Ricardo Salgado mit der Justiz zusammenarbeiten werde. Selbstanzeigen und Geständnisse, wie es im Falle von Ex-Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß geschehen ist, seien in Portugal unwahrscheinlich:
    "Hier in Portugal ziehen sich die Fälle sehr lange hin oder kommen nie zu einem Ende. Deshalb tritt der Angeklagte auch nicht so auf, als ob er sich gegenüber der Justiz wie das schwächere Glied fühlen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Der Angeklagte lässt sich von sehr guten Anwälten vertreten, die es darauf angesetzt haben, das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen, damit das Vergehen irgendwann verjährt, der Prozess archiviert wird und der Angeklagte wieder frei kommt."
    Familiendynastie vor ihrem Ende
    Das Schicksal von Ricardo Salgado und der Familie Espírito Santo wird die Portugiesen noch lange Zeit beschäftigen. Nach der Nelkenrevolution in den 1970er Jahren war die Familie von linksgerichteten Militärs enteignet und die Bank verstaatlicht worden. Die schrittweise Rückkehr des Clans nach Portugal in den 1980er und 1990er Jahren gipfelte in einer beispiellosen Erfolgsstory. Experten sind sich jetzt jedoch einig: Von dem selbst verschuldeten Untergang werden sich Ricardo Salgado und seine Familie nie mehr erholen.