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Bartels: De Maizière muss Verantwortung als Minister gerecht werden

Es "drängt sich der Eindruck auf, als ob hier Beamte am Minister vorbei operieren", meint der stellvertretende verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag Hans-Peter Bartels zum Drohnen-Debakel. Thomas de Maizière (CDU) hätte so ein großes Rüstungsprojekt selbst verfolgen müssen.

Hans-Peter Bartels im Gespräch mit Silvia Engels | 22.05.2013
    Silvia Engels: Sie kann fliegen, aber sie darf es nicht. Die Rede ist von der unbemannten Aufklärungsdrohne Euro-Hawk, die über viele Jahre für die Bundeswehr entwickelt wurde. Ihr fehlt ein automatisches Warnsystem vor Kollisionen, und sie kann nicht gut nachgerüstet werden. Deshalb bekommt sie keine Zulassung für den zivilen Luftraum und einen dreistelligen Millionenbetrag hat das Projekt gekostet, Geld, das verloren gehen wird, denn Verteidigungsminister de Maizière hat das Projekt gestoppt. Er begründete das vergangene Woche im Bundestag so:

    O-Ton Thomas de Maizière: "Wenn Probleme bei neuartigen Modellen auftauchen, wie in dem Fall, an dem wir jetzt diskutieren, so wird erst daran gearbeitet, sie zu lösen. Wenn wir dann sehen, dass diese Probleme nicht adäquat behoben werden können, wenn Kosten aus dem Ruder zu laufen drohen, dann ziehen wir lieber die Reißleine, auch in Zukunft. Lieber ein Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende, und das werden wir auch in diesem Fall chronologisch genau dokumentieren."

    Engels: Verteidigungsminister de Maizière – und seitdem ist Ruhe. Auf die Chronologie des Ministers müssen die Abgeordneten nämlich noch eine Weile warten. Am Telefon ist Hans-Peter Bartels, für die SPD im Verteidigungsausschuss. Guten Morgen, Herr Bartels.

    Hans-Peter Bartels: Guten Morgen.

    Engels: Reicht es Ihnen, dass Minister Thomas de Maizière erst am 5. Juni im Verteidigungsausschuss Rede und Antwort zu dem Scheitern von Euro-Hawk nehmen will?

    Bartels: Na ja, er hat jetzt schon eine gewisse Zeit, die er sich offenbar auch nehmen muss, um die Akten überhaupt zu sichten. Es ist schon erstaunlich, dass im Ministerium jetzt eine Arbeitsgruppe zusammengestellt wird, die zusammenträgt, was entscheidungsrelevant ist, was es um den Euro-Hawk und andere Drohnenprojekte gegeben hat. Eigentlich denkt man doch, dass solche laufenden Projekte kontinuierlich überwacht werden.

    Engels: Hat der Minister sein Ministerium nicht im Griff?

    Bartels: Ein bisschen drängt sich der Eindruck auf, als ob hier Beamte am Minister vorbei operieren. Er hat ja auch nicht selbst, wie er sagt, die Reißleine gezogen, sondern das hat er seinen Rüstungsstaatssekretär machen lassen. Also bisher hat sich de Maizière eigentlich immer nur mit dem Thema Kampfdrohnen, das allerdings sehr vehement, vor einigen Wochen noch befasst. Es sind insgesamt vier Drohnenprojekte, die in seinem Hause laufen, und ich denke, zu allen vieren müssen wir jetzt hören, wie der Stand ist und ob die funktionieren können.

    Engels: Es häufen sich ja die Medienberichte, wonach die Fluggenehmigungsprobleme schon länger bekannt waren, spätestens im Sommer 2011, als die erste Testdrohne nur mit Umwegen überhaupt von Kalifornien nach Deutschland überführt werden konnte und die Bodenstation zwischenzeitlich den Kontakt verlor. Ist es vorstellbar, dass solche Probleme dem Minister nicht vorgelegt werden?

    Bartels: Eigentlich nicht. Natürlich hat ein Verteidigungsminister eine Menge Dinge zu tun: Er hat sich um Soldaten in den Einsatzgebieten zu kümmern, er hat in den Bündnissen Verhandlungen zu führen. Aber große Rüstungsprojekte – und dies ist eins von 30 Hauptwaffensystemen der Bundeswehr; so stand es ja noch vor wenigen Tagen in dem Bericht, der dem Kabinett vorgelegt wurde – sollte er zumindest kursorisch selbst verfolgen, und wenn dann große Risiken auftreten, dann müsste ihm das gemeldet werden und übrigens nicht nur ihm, sondern auch dem Parlament.

    Engels: Ein weiterer Vorwurf lautet, dass das Verteidigungsministerium dem Bundesrechnungshof unvollständige, weil zum Teil geschwärzte Informationen über den Euro-Hawk zukommen ließ. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin spricht in diesem Zusammenhang von Rechtsbruch. Sie auch?

    Bartels: Ich habe so was noch überhaupt nicht gehört, dass der Bundesrechnungshof Unterlagen nicht bekommt von der Regierung. Es handelt sich ja hier um Dokumente, die in Deutschland für ein deutsches Beschaffungsvorhaben geführt werden, und all das, was die Regierung hat, müsste auch dem Bundesrechnungshof zugänglich sein.

    Wenn da amerikanische Stellen Vorbehalte haben, wenn eine amerikanische Firma oder die amerikanische Regierung – wir wissen es nicht – anmeldet, das darf nicht weitergegeben werden, dann muss die Regierung mit den Amerikanern darüber reden, und dann sollte sie natürlich den Standpunkt des Rechnungshofes einnehmen und nicht den der Amerikaner.

    Engels: Wenn wir alle diese kritischen Punkte bei Ihnen zusammenzählen, sollte dann Ihrer Meinung nach der Verteidigungsminister zurücktreten?

    Bartels: Nein! Er sollte jetzt die Unterlagen zusammensammeln, die offenbar in seinem Ministerium existieren, wofür er eine gewisse Zeit braucht. Darüber müssen wir dann reden. Wir wollen erst mal sehen, wie ist der Stand dieses Projekts, wer hat wann was gewusst, wer hat entschieden, dass weitergemacht wird, wer hat dann irgendwann entschieden, dass abgebrochen wird, wie viel Kosten sind entstanden, was für Konsequenzen hat das für andere Drohnenprojekte, und dann muss man darüber reden, welche Konsequenzen zu ziehen sind, gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen klar. Aber im Moment wollen wir von de Maizière, dass er seiner Verantwortung als Minister gerecht wird und die Aufklärung gegenüber dem Parlament hier selbst vorantreibt.

    Engels: Wer hat was wann gewusst beim Thema Euro-Hawk – das ist ein gutes Stichwort. Die "FAZ Sonntagszeitung" hatte am Wochenende berichtet, dass die Schwierigkeiten mit der Fluggenehmigung für die damals geplante Drohne schon 2004 der Bundeswehr bekannt waren. Da hatte der verstorbene Peter Struck für die SPD das Verteidigungsministerium inne. Herr Bartels, können Sie ausschließen, dass auch die SPD Mitverantwortung für diese offenbar seit langen Jahren verpatzte Planung trägt?

    Bartels: Wir wollten dieses Drohnenprojekt. Wir wollten einen in großer Höhe fliegenden Aufklärer für die Signal erfassende Aufklärung, als Nachfolger für die Breguet Atlantic, die ja außer Dienst gestellt wurde, ein bemanntes Flugzeug. Am Anfang dieses Projekts gab es großen Konsens, dass man in eine Entwicklung einsteigt, und am Anfang einer Entwicklung gibt es jede Menge Probleme. Das war beim Euro-Fighter so, das ist beim A400M so, das ist auch bei zivilen Flugzeugen A380 so, und diese Probleme löst man dann in einem Entwicklungsprojekt.

    Das besondere an diesem Projekt ist, dass es abgebrochen wurde, dass die Probleme hier offenbar nicht lösbar waren, und da interessiert uns, wann ist das klar geworden, wie lange hat man sich das noch angeguckt und Geld weiter ausgegeben für etwas, was man nicht mehr in den Griff bekommen hat.

    Engels: Aber haben Sie als Parlamentarier über diese ganzen Jahre hinweg vielleicht auch einfach zu wenig nachgefragt?

    Bartels: Wir haben Haushaltsberatungen jedes Jahr. Dann wird über den Stand von Rüstungsprojekten schon berichtet, darüber wird diskutiert. Es wird ja Geld eingestellt in den Haushalt, und dann müsste die Regierung uns sagen, dass sie Probleme hat, die sie nicht mehr in den Griff bekommt. Wie gesagt: Dass es Probleme gibt, ist normal, dafür gibt es ja die Entwicklungsverträge.

    Engels: Haushaltsberatung ist wieder ein gutes Stichwort, denn im Juni 2012 hat der Bundesrechnungshof sich über das Verhalten des Verteidigungsministeriums, was diese Schwärzungen angeht, genau beim Haushaltsausschuss beschwert. Hätten da Ihre Parteifreunde im Ausschuss auch inhaltlich genauer nachhaken müssen, was denn da los ist?

    Bartels: Vielleicht hätte man damals schon sehen können, dass hier die Regierung ein Problem vertuschen will. Da ist man vielleicht gutgläubig und sagt, es kann ja nicht sein, dass hier was nicht weitergegeben werden soll, aber wird schon sich klären lassen. Dass hier technische Probleme dahinter standen, das war, glaube ich, für die Kollegen im Haushaltsausschuss nicht absehbar, und mir selbst ist das ja auch erst Anfang des Jahres durch Insider-Tipps aus dem Bereich der Beschaffung der Bundeswehr klar geworden, dass hier riesige zusätzliche Summen gefordert werden könnten, um eine Zulassungsfähigkeit zu erreichen.

    Das schien mir nun völlig unplausibel zu sein, und ich habe dann nachgefragt, und erst diese Fragen brachten ja die Diskussion in Gang, an deren Ende jetzt, wie der Staatssekretär für Rüstungsfragen, Herr Beemelmans, sagte, die Reißleine gezogen wird und Herr de Maizière im Bundestag ja das Wort Euro-Hawk selbst noch nicht mal in den Mund genommen hat. Also er versucht schon, Distanz davon zu halten.

    Engels: Dann schauen wir noch auf die weiteren Konsequenzen. Ein dreistelliger Millionenbetrag ist wohl verloren. Lassen sich diese Probleme auch auf die geplante Anschaffung von US-Drohnen vom Typ Global-Hawk übertragen? Ist dieser Einkauf sinnlos?

    Bartels: Das müssen wir jetzt erfahren. Es stehen in der Bundeswehrplanung die fünf Euro-Hawks, die jetzt gestoppt sind, vier Global-Hawks für abbildende Aufklärung, also eine etwas andere Rolle, als die Euro-Hawks sie gehabt hätten. Es ist aber im Prinzip die gleiche Flugzeugfamilie. Wir sind beteiligt an einem Projekt der NATO, wo fünf Global-Hawks gekauft werden sollen. Dafür zahlt Deutschland 480 Millionen Euro.

    Und der Minister hat bis vor wenigen Wochen sehr vehement die Beschaffung von Kampfdrohnen betrieben. Zunächst sollten drei davon gekauft werden. Bei all diesen Flugzeugen stellt sich die Frage, sind diese denn zulassungsfähig für den europäischen Luftraum.

    Engels: Weiter offene Fragen rund um das Thema der Anschaffung von Drohnen für die Bundeswehr – wir sprachen mit Hans-Peter Bartels, für die SPD im Verteidigungsausschuss. Vielen Dank für das Gespräch.

    Bartels: Ich danke Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.