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Beckedahl: Flatrate-Urteil geht nicht auf Netzneutralität ein

Das Urteil gegen die Reduzierung der Surfgeschwindigkeit bei Telekom-Flatrates sei ein wichtiges Zeichen für die Verbraucher, sagt Netzaktivist Markus Beckedahl. Damit sei aber nicht geklärt, ob die Telekom eigene Unterhaltungsangebote von einer Drosselung ausnehmen darf.

Markus Beckedahl im Gespräch mit Christine Heuer |
    Das Urteil gegen die Reduzierung der Surfgeschwindigkeit bei Telekom-Flatrates sei ein wichtiges Zeichen für die Verbraucher, sagt Markus Beckedahl vom Verein "Digitale Gesellschaft". Damit sei aber nicht geklärt, ob die Telekom generell ihre Dienste wie Spotify von einer Drosselung ausnehmen darf.

    Dirk-Oliver Heckmann: Für die Deutsche Telekom war das Urteil des Landgerichts Köln eine schlechte Nachricht. Eigentlich nämlich wollte der Konzern in einigen Jahren damit beginnen, den Datendurchsatz zu reduzieren, wenn ein Kunde eine entsprechende Datenmenge überschritten hat. Dabei hatten die eine sogenannte Flatrate abonniert. Das Kölner Landgericht urteilte jetzt: So geht das nicht! Wo Flatrate draufsteht, muss auch Flatrate drin sein. Die Telekom prüft, ob sie gegen das Urteil Berufung einlegt. – Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern Abend mit Markus Beckedahl gesprochen. Er ist Netzaktivist und Vorsitzender des Vereins "Digitale Gesellschaft e.V.". Und sie hat ihn zunächst gefragt, wie sehr er sich über das Urteil freut.

    Markus Beckedahl: Ich freue mich über das Urteil, weil es ein klares Zeichen gesetzt hat in die Richtung, dass nur als Flatrate auch verkauft werden darf von den Telekommunikationsunternehmen, wo auch wirklich eine Flatrate drin ist. Allerdings muss man dazu sagen: Die eigentliche Netzneutralitätsdebatte tangiert dieses Urteil leider nicht.

    Christine Heuer: Die Telekom hat ja auch Berufung angekündigt. Für wie haltbar halten Sie das Urteil überhaupt?

    Beckedahl: Das ist eine erste Instanz beim Landgericht Köln. Ich habe die Hoffnung, dass auch in weiteren Instanzen die Verbraucherzentralen recht bekommen werden. Allein schon der gesunde Menschenverstand sagt, wenn Ihnen etwas verkauft wird, wo in viel Kleingedrucktem irgendwas ganz anderes drinsteht, dass das nach unseren Verbraucherrechten her nicht legal sein sollte.

    Heuer: Nun argumentiert aber das Kölner Landgericht ja vor allem damit, dass der Kunde unter Flatrate eine Art All-inclusive-Angebot ohne Einschränkung versteht. Was ist denn, wenn die Telekom das Tempo trotzdem drosselt und ihr Angebot dann einfach nicht mehr Flatrate nennt?

    Beckedahl: Ja das wäre in etwa vergleichbar, wie wenn Sie erst mal was als Bioprodukt verkaufen, dann kommt raus, das ist gar nicht so Bio, und dann nennen Sie es halt gewöhnliches Produkt. Sagen wir mal, vom reinen Verbraucherrechts-Standpunkt her kann man dagegen nichts sagen. Als selber Verbraucher kann ich der Deutschen Telekom nur empfehlen, auch weiterhin Flatrates anzubieten, weil Flatrates uns geholfen haben, einfach mal unabhängig vom Geldbeutel und einer tickenden Uhr uns die ganze Zeit im Internet aufzuhalten.

    Heuer: Ich verstehe Sie richtig, Sie glauben, wenn einfach das Kind anders genannt wird, dann ziehen die Verbraucher nicht mehr mit?

    Beckedahl: Nein. Ich glaube, dass, wenn das Kind einfach anders genannt wird, man leider vom Verbraucherrecht her keine großen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Deutschen Telekom und ihrer ganzen Konkurrenten hat. Es geht ja ganz klar um so eine Verbrauchertäuschung, die im Moment stattfindet. Sie kaufen etwas als Flatrate, wo im Kleingedruckten drinsteht, dass es eigentlich gar keine Flatrate ist, und das geht nicht.

    Heuer: Wir reden, wenn wir über diese Telekom-Pläne sprechen, viel von Gigabyte, Kilo- und Megabits. Wenn Sie das bitte einmal in den Alltag des Internet-Nutzers übersetzen würden, Herr Beckedahl. Was bleibt den Flatrate-Surfern erspart, wenn das Tempo nicht gedrosselt werden darf?

    Verletzung der Netzneutralität
    Beckedahl: Die Deutsche Telekom hat jetzt neue Verträge oder neue Tarife eingeführt, wonach 2016, also erst in zweieinhalb Jahren, bei dem 16-Megabit-Tarif, der jetzt noch für viele illusorisch ist, ab 75 Gigabyte das Volumen gedrosselt werden soll. 75 Gigabyte klingt jetzt erst mal ganz groß, aber im Endeffekt sind 75 Gigabyte sieben Filme in HD-Größe, die Sie sich im Monat anschauen können, und wenn Sie in einer vierköpfigen Familie leben, dann können Sie sich darüber streiten, wer jetzt mal einen Film in Internet sehen darf und wer nicht.

    Heuer: Die Telekom wollte ja eigene Unterhaltungsangebote von der Einschränkung ausnehmen. Dagegen sind Sie auch. Warum?

    Beckedahl: Ja da geht es tatsächlich um die Frage der Netzneutralität. Die Deutsche Telekom hat angekündigt, einerseits ab einem bestimmten Volumen den Internet-Zugang zu drosseln und andererseits weiterhin die eigenen Angebote und die von Partnerunternehmen in einer besseren Geschwindigkeit durchzuleiten. Das verletzt die sogenannte Netzneutralität, das verletzt das Kernprinzip des Internets, weil bestimmte Produkte, bestimmte Services einfach mal bessergestellt werden gegenüber vielen anderen. Das ist nicht das Internet, wie ich es kenne.

    Heuer: Machen Sie mal ein Beispiel.

    Beckedahl. Man kennt es vielleicht aus dem Mobilfunk, wo die Deutsche Telekom mit T-Mobile schon das Partnerunternehmen Spotify als Musik-Streaming-Service anbietet. Wenn Sie einen Mobilfunkvertrag bei T-Online haben und beispielsweise nur ein Gigabyte Volumen haben im Monat, dann können Sie trotzdem die ganze Zeit Musik hören, aber nur über Spotify. Das diskriminiert alle anderen Marktteilnehmer. Das setzt das Spotify in eine Position, wo sie einfach mal ihr Monopol oder ihren Wettbewerbsvorteil weiter ausbauen können zusammen mit der Deutschen Telekom.

    Heuer: Da ist es ja gang und gäbe, die Geschwindigkeit ab einer bestimmten Datenmenge zu beschränken. Muss das aus Ihrer Sicht auch geändert werden?

    Beckedahl: Es muss auf jeden Fall geändert werden, dass uns auch im Mobilfunkbereich etwas als Flatrate verkauft wird, wo dann im Kleingedruckten drinsteht, dass eine Flatrate da dann nur aus 300 Megabit oder ein Gigabyte besteht. Wir plädieren ganz klar dafür, dass diese Verbrauchertäuschung aufhört. Auch in anderen Bereichen akzeptieren wir es nicht, dass etwas als Bio verkauft wird, wo Atommüll drin ist.

    Heuer: Und da hoffen Sie im Mobilfunkbereich vielleicht auch noch auf ein paar Klagen?

    Beckedahl: Ja. Dieses Urteil ist leider explizit auf die DSL- und VDSL-Tarife der Deutschen Telekom angelegt. Wir hoffen darauf, dass die Verbraucherzentrale jetzt auch den Mut gefasst hat und ein bisschen mehr Motivation findet, einfach mal gegen alle konkurrierenden Unternehmen, aber auch gegen im Mobilfunkmarkt agierende Unternehmen gerichtlich vorzugehen und so eine Praxis zu untersagen.

    Heckmann: Das war Markus Beckedahl, der Netzaktivist und Vorsitzende des Vereins "Digitale Gesellschaft e.V.". Es ging um das Urteil des Landgerichts Köln gegen die Deutsche Telekom in Sachen Flatrate. Die Fragen stellte meine Kollegin Christine Heuer.


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