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Beginn des Hadsch
Syrische Flüchtlinge pilgern nach Mekka

In Saudi-Arabien beginnt der Hadsch. Millionen Muslime aus der ganzen Welt pilgern nach Mekka, um dort die traditionelle Wallfahrt zu begehen. Und auch syrische Flüchtlinge sind dabei, allerdings nur Gegner von Syriens Machthaber Assad. Denn Saudi-Arabien ist erklärter Gegner des Regimes. So ist der Hadsch dieses Mal politischer denn je.

Von Anna Osius | 10.09.2016
    Muslimische Gläubige im im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka (9.9.16)
    Muslimische Gläubige im im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka. (AFP/AHMAD GHARABLI)
    Am Flughafen in Beirut herrscht Ausnahmezustand. Durchsagen werden gebrüllt, Reiseleiter wedeln mit "I love Mekka"-Fähnchen, resignierte Sicherheitsbeamte stellen das Dauerpiepen der Kontrollanlagen aus und verlegen sich aufs Durchwinken. Alles wuselt durcheinander. So ist es halt vor dem Hadsch, meint ein Kontrolleur grinsend. Die Pilgerfahrt nach Mekka mobilisiert Millionen Muslime weltweit.
    "Es ist ein Traum für jeden Menschen, jeden Muslim dieser Welt, nahe bei Allah, bei Gott zu sein", sagt Ali, der gerade nach Mekka aufbricht. "Ich bete für jeden Moslem, dass er - wie ich jetzt - die Chance bekommt, bei dem Hadsch dabei zu sein. Vor allem die Reise zur Großen Moschee wird für mich etwas ganz Besonderes sein, denn das ist der Ort für die Vertriebenen dieser Welt."
    Ali ist selbst Vertriebener. Der Familienvater stammt aus Syrien und musste mit seinen Angehörigen vor dem Krieg fliehen. Sie leben in einem Zelt. Eigentlich hätte er kein Geld, pilgern zu gehen. Die Reise nach Saudi-Arabien kostet 2.000 Dollar. Doch für die Flüchtlinge gibt es eine Spendenaktion.
    "Wo sollte ein syrischer Flüchtling 2000 Dollar hernehmen", so Samer Beiradar, Leiter der Organisation, die die Pilgerfahrt für die Syrer koordiniert. Wir erreichen ihn in Mekka am Telefon. "Damit diese Menschen pilgern können, fragen wir jeden reichen Syrer, der zum zweiten, dritten oder vierten Mal zum Hadsch will, ob er das Geld nicht besser spenden möchte, um einem Flüchtling zu helfen. So sammeln wir das Geld. Und 200 Flüchtlinge konnten in diesem Jahr umsonst fliegen."
    Angespanntes Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
    Samer und seine Organisation gehören zur syrischen Opposition mit Sitz in der Türkei. In Zeiten des Syrienkrieges und des zunehmend angespannten Verhältnisses zwischen Saudi-Arabien und Iran ist der Hadsch politischer denn je. Wer nach Mekka pilgern darf, bestimmt Saudi-Arabien. Und da die Großmacht am Golf gegen das syrische Regime von Machthaber Assad ist, haben die Saudis die Organisation der Pilgerfahrt für Syrer komplett in die Hände der Opposition gelegt und dem Assad-Regime jeden Anspruch auf Beteiligung an dem Hadsch entzogen. 12.500 Syrer dürfen in diesem Jahr nach Mekka pilgern. Das hat Saudi-Arabien festgelegt. Syrer aus dem Ausland wohlgemerkt, Assad-Anhänger sind unerwünscht.
    "Ich finde das unmöglich", schimpft Mohammed, der als Syrer in Beirut ein Café betreibt und glühender Assad-Anhänger ist. "Ich würde gerne pilgern gehen, aber Saudi-Arabien dominiert alles. Lang lebe Syrien, lang lebe Bashar al Assad."
    Genauso, wie Vertreter des Assad-Regimes momentan nicht nach Saudi-Arabien pilgern, um sich nicht in Feindesland zu begeben, muss auch die syrische Opposition schauen, wie sie die Reisen für die gläubigen Syrer organisiert. Ein offizielles Büro gibt es zum Beispiel im Libanon nicht, denn dort würden die Oppositionellen sofort Gefahr laufen, von der mit Assad verbündeten Hisbollah-Miliz aufgegriffen zu werden. Auf unserer Suche nach den Organisatoren der Hadsch für Syrer landen wir schließlich in einem mehr oder weniger heimlichen Verbindungsbüro in einer Tiefgarage. Dort gibt man uns die Nummer von Samer, dem Chef, der in Mekka sitzt.
    Wunsch nach einem friedlichen Hadsch
    Auch, wenn die Syrer in politischen Fragen derzeit gespalten sind, eines steht fest: Für die Flüchtlinge ist die Pilgerreise nach Mekka etwas ganz Besonderes:
    "Wenn sie in Mekka ankommen, siehst du, wie den Flüchtlingen die Tränen übers Gesicht laufen", sagt Samer. "Die Gefühle sind unbeschreiblich, weil sie sicher sind: Gott hat ihnen geholfen, hier zu sein, raus aus dem Krieg, dem Elend in den Flüchtlingszelten, nahe zu Gott."
    Nach der Massenpanik im vergangenen Jahr wünschen sich in diesem Jahr die Pilger in Mekka nur eines: dass alles friedlich bliebt. Und eines ist klar: Sie alle beten für Syrien
    "Wir beten, dass der Krieg endet. Wir bitten Gott, Erbarmen mit Syrien zu haben. Niemand in der ganzen Welt kümmert sich um Syrien, also bitten wir Gott. Wir wollen endlich Frieden für unser Land, Frieden für Syrien."