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Bei Olympia fragen, "ob es dem Ort gut tut"

"Nolympia" heißt ein Netzwerk, das die bayerische Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 stoppen will. Mitglied Axel Döring hält nicht nur die ökologischen Bedingungen, sondern auch den Einfluss des IOC auf den Austragungsort für bedenklich.

Axel Döring im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckman | 01.10.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Es ist gerade einmal zwei Jahre her, dass München und Garmisch-Partenkirchen sich geschlagen geben mussten. Bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018 mussten sich die Bayern der südkoreanischen Stadt Pyeongchang gegenüber geschlagen geben. Gestern hat der Deutsche Olympische Sportbund aber entschieden, die Region bewirbt sich erneut, und zwar für die Winterspiele im Jahr 2022. Das ruft natürlich sofort die Gegner auf den Plan. Einer von ihnen: Axel Döring vom Netzwerk "Nolympia". Er ist zugleich Vorsitzender des Kreisverbands Garmisch-Partenkirchen des Vereins Bund Naturschutz in Bayern und er hat den Widerstand gegen die Olympischen Spiele 2018 maßgeblich mitorganisiert. Guten Morgen, Herr Döring.

    Axel Döring: Guten Morgen.

    Heckmann: War Ihr Kampf also am Ende umsonst?

    Döring: Das werden wir erst sehen, wenn die Entscheidung gefallen ist, zuerst nach den Bürgerentscheiden am 10. November, und, sollte es da nicht klappen, ob tatsächlich dann der Zuschlag an Deutschland geht.

    Heckmann: Was haben Sie denn gegen die Olympischen Winterspiele überhaupt? Haben Sie da auch Argumente auf Ihrer Seite, oder macht es Ihnen einfach Spaß, sich als Spielverderber zu betätigen?

    Döring: Spaß, als Spielverderber sich zu betätigen, macht es überhaupt nicht. Das Ganze ist ja sehr mühsam, es ist mit Erfolgen, mit Misserfolgen, mit Anfeindungen auch verbunden. Es ist sehr viel einfacher, sich in seinem Sessel zurückzulehnen und dem Ganzen zuzuschauen. Aber ich bin hier verwurzelt und ich gehöre zu den Leuten, die auch Verantwortung mittragen wollen für ihre Heimat.

    Heckmann: Was für Anfeindungen sind das denn? Was müssen Sie sich da so anhören?

    Döring: Bei der letzten Bewerbung, da gab es - Von den ganz normalen Anfeindungen, die es einfach gibt, wenn man verschiedene Meinungen hat, ging das bis hin zu Morddrohungen, zu anonymen Morddrohungen. Da kommt alles zusammen, was man sich irgendwo vorstellen kann.

    Heckmann: Aber Sie ziehen das durch, weil Sie denken, Sie haben gute Argumente auf Ihrer Seite? Da würden wir gerne mal was hören.

    Döring: Wir haben ganz sicher gute Argumente auf unserer Seite, sowohl ganz allgemeine Argumente zu Olympischen Spielen als auch spezielle Argumente, die lokal begründet sind. Die ganz allgemeinen Argumente, das ist zum Beispiel der Host City-Vertrag, der mit dem IOC zwingend abgeschlossen werden muss und der die Rechte und die Pflichten zwischen dem IOC und den Veranstalterorten in einer Art und Weise verteilt, dass das Staatsrechtler als sittenwidrigen Knebelungsvertrag benannt haben.

    Heckmann: Wieso? Inwiefern?

    Döring: Das geht so los, dass die Ausrichter unbegrenzte Defizitgarantien geben müssen. Das geht eigentlich nach der Schuldenbremse gar nicht. Das ist so, dass garantiert werden muss, dass zum Beispiel für diese olympischen Geschäfte keine Steuern anfallen. Das ist auch sehr schwierig. Steuern, die dann im Ausland anfallen, müssen erstattet werden. Das IOC kann bis zuletzt alle Regelwerke, alle Richtlinien einseitig verändern. Es kann einseitig die Zahlungen aus diesem Durchführungsetat verändern. Alles kann das IOC entscheiden, alles kann das IOC verändern und die Ausrichterorte müssen sich schon im Vorhinein verpflichten, dass sie alles das akzeptieren. Das sind zum Beispiel neue Sportarten. Ich habe den Herrn Vesper gehört, der gesagt hat, das sind nur 3000 Quadratmeter, die versiegelt werden müssen. Er führt sich da ja selber schon ad absurdum.

    Heckmann: Das ist die eine Seite, diese grundsätzlichen Argumente. Aber Sie haben auch gesagt, dass Sie die Region auch für nicht geeignet halten.

    Döring: Es ist auch die Region nicht geeignet. Zum Ersten sind wir mitten im Klimawandel. Das hat ja der Klimarat der UN erst in den letzten Tagen wieder bestätigt. Das würde für uns bedeuten, dass diese Kandahar, von der behauptet wird, sie würde den heutigen Anforderungen der FIS genügen, …

    Heckmann: Das ist die entsprechende Abfahrt?

    Döring: Das ist die Kandahar-Abfahrt, genau. Das ist das Herzstück letztlich der alpinen Wettbewerbe, die von 1700 auf 700 Meter Meereshöhe geht, die also sehr tief liegt nach diesen Maßstäben. Und da das IOC diese riesenkommerzialisierte Veranstaltung verlangt, hundertprozentige Schneesicherheit, das heißt, man müsste auch dort massiv aufrüsten, dass es zuverlässig schneesicher ist. Man müsste weiter ausbauen. Damals bei der Skiweltmeisterschaft hat man nach zwei Jahren schon völlig neue Pläne wieder gehabt und da behauptet heute Herr Vesper, man müsste überhaupt nichts tun.
    In diesen Konzeptstudien steht nichts über die Parkplätze drin und es steht nichts drin, dass zum Beispiel alle diese Sportstätten vier Meter hoch eingezäunt werden müssen. Es gibt eine Vielzahl von Dingen, die da dagegen sprechen.

    Heckmann: Pardon, Herr Döring. Lassen Sie mich noch gerade auf den Bürgerentscheid zu sprechen kommen, der am 10. November dann stattfinden wird. Es gab ja schon einen Bürgerentscheid im Jahr 2011, und der ist ja für die Bewerbung ausgefallen, und zwar ziemlich deutlich: mit 58 Prozent. Gehört es nicht zur Demokratie, dass man sich dann auch der Mehrheit mal beugt?

    Döring: So war das nicht, dass das 58 Prozent waren. Es gab zwei Bürgerentscheide, den einen von uns, dass man diese Verträge, die Host City-Verträge prüft. Der ist mit 49,5 Prozent gelaufen. Dann gab es den Bürgerentscheid von Olympia und dann gab es die Stichfrage, und die Stichfrage ist mit 54 Prozent ausgegangen.

    Heckmann: Na ja. Aber die Mehrheit hat gesagt, wir wollen die Olympischen Spiele hier.

    Döring: Das ist richtig. Aber der Ort, der wird sich in einer Art und Weise verändern, dass man wirklich die Frage stellen muss, ob es dem Ort gut tut. Man muss zum Beispiel auch daran denken, dass sowohl München wie auch Garmisch-Partenkirchen bei den Mieten zu den teuersten Orten gehören. Das ist etwas, wo man auch heute schon nach der Bewerbung und nach der Skiweltmeisterschaft bemerkt, dass es da weitergeht mit den Mieten, dass sich das verstärkt. Man darf also nicht nur das Ganze aus dem Sport sehen, sondern man muss es wirklich als Einwohner dieses Ortes sehen, der auf langer Zeit hier leben will, und man muss es dann auch sehen gerade für die jungen, denen es immer schwerer wird, hier Fuß zu fassen und hier überhaupt sich einzumieten und anzumieten. Das sind alles Dinge, die man da mit einbeziehen muss.

    Heckmann: München und Garmisch-Partenkirchen wollen sich für die Olympischen Winterspiele erneut bewerben, wenn es nach dem Willen des DOSB geht, und das ruft auch die Kritiker hervor. Unter anderem ist das Axel Döring vom Netzwerk "Nolympia". Danke Ihnen für das Interview.

    Döring: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.