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Bei Plastik ist "bio" nicht automatisch "öko"

Bioplastik - schon der Begriff ist mehrdeutig: Für die einen ist es Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen, für die anderen ist es ein Kunststoff, der biologisch abbaubar ist. Das Recycling der nicht abbaubaren Biokunststoffe ist ein wichtiges Thema für den Verband der europäischen Biokunststoffbranche auf seiner Tagung in Berlin.

Von Dieter Nürnberger | 07.11.2012
    Geht es nach der Biokunststoffindustrie, dann stehen deren Produkte kurz vor dem Durchbruch - "von der Nische zum Mainstream" so die Hauptüberschrift des zweitägigen internationalen Kongresses in Berlin. So soll nach einer Marktuntersuchung die weltweite Produktionskapazität von derzeit rund 1,2 Millionen Tonnen auf knapp 6 Millionen im Jahr 2016 steigen. Das wäre eine Verfünffachung, so der Dachverband European Bioplastics. Auch die Politik - die nationale wie auch die europäische - setzt mit Aktionsplänen auf einen Ausbau der Biokunststoff-basierten Produkte. Clemens Neumann ist im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der zuständige Hauptabteilungsleiter. Biokunststoffe haben mittlerweile einen festen Platz in zahlreichen Anwendungsgebieten, sagt Neumann:

    "Das geht los bei Schuhen - auch bei Handys sind einzelne Teile aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Dies betrifft auch oft schon die Innenverkleidung bei Automobilen. Auch im Bereich der Ernährungswirtschaft wird dies eingesetzt, hier versucht man, dass die Verpackungen zumindest auch aus 60 oder 70 Prozent nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind."

    In der Branche unterscheidet man zwischen biologisch abbaubaren Kunststoffen und biobasierten, nicht abbaubaren Stoffen. Das Hauptwachstum der nächsten Jahre wird allerdings vor allem durch das Segment der nicht abbaubaren Kunststoffe getragen werden. Und deshalb gilt ein effizientes Recycling für vielen Experten als entscheidender Punkt. Denn in vielen Produkten sei beides enthalten: konventionelles, Erdöl-basiertes Plastik und Biokunststoff. Diese Mischformen seien das Hauptproblem, sagt Benjamin Bongart, Abfallexperte beim Naturschutzbund Deutschland:

    "Wenn ein Kunststoff aus Versehen im Meer landet oder auch generell in der Natur landet, dann bleibt er dort für viele Hundert Jahre. Er zerfällt dort zu Mikroplastik, ist ein Absorber für Schadstoffe und kann zudem auch in die Nahrungskette gelangen. Das ist das Problem von Plastik, aber eben auch von Bioplastik, welches praktisch klassische Stoffe mit nachwachsenden Rohstoffen verbindet."

    Biokunststoff soll langfristig eine Alternative zur Öl-basierten herkömmlichen Plastikproduktion sein. Eine Bioplastiktüte beispielsweise wird in der Regel aus Stärkepulver von Mais oder Kartoffeln hergestellt. Doch sehen viele Umweltverbände die jeweiligen Ökobilanzen solcher Produkte auch kritisch. Die Deutsche Umwelthilfe beispielsweise warf schon vor Monaten einzelnen Unternehmen Verbrauchertäuschung vor. Ein Bioplastikbecher hätte gegenüber einem herkömmlichen Kunststoffbehälter nicht per se die propagierten Ökovorteile. Es gebe Probleme bei der Kompostierung und vor allem beim Recycling. Clemens Neumann vom zuständigen Bundesministerium sagt deshalb, man müsse sämtliche Aspekte in der ökologischen Bewertung berücksichtigen:

    "Entweder muss das Produkt dann in der Tat biologisch abbaubar sein. Oder - wenn es über die Verwertung in den Kreislauf kommt - muss dann auch dieses Produkt wieder besonders verwertet werden können. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft ist die Masse, die wir derzeit an Biokunststoffabfällen haben, noch zu gering, um diese Stoffe herauszufiltern."

    Auch auf dem Kongress standen die Optionen für ein Recycling der nicht abbaubaren Biokunststoffe im Vordergrund. Denn der Prozess der Wiederverwertung wirft viele Fragen auf. Welches Material passt beispielsweise in hierzulande bereits vorhandene Recyclingabläufe? Das ist mitunter ein Problem, da verschiedene Kunststoffe auch unterschiedliche Schmelzpunkte haben. Benjamin Bongart, der Experte des Naturschutzbundes, verfolgte die Diskussionen auf dem Kongress und auch die hier präsentierten Lösungsansätze:

    "Wir haben gehört, dass ein Aussortieren möglich ist, allerdings nur, wenn die Mengen steigen. Neue Materialen aber, die aus recyceltem Bioplastik sind, die sucht man heutzutage am Markt sozusagen wie die berühmte Nadel im Heuhaufen."

    Für das Gros der alternativen Plastikkunststoffe, die nicht abbaubar und kompostierbar sind, heiße das Ziel Recycling, so Bioplastics, der europäische Dachverband. Und parallel zum Wachsen des Marktes würden dann auch die Wiederverwertungsoptionen zunehmen, so zumindest das Versprechen der Branche.