Montag, 29. April 2024

Nach Protesten in Belarus
Oppositionelle Sportler auch im Exil weiter unter Druck

Nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen in Belarus 2020 kam es zu Massenprotesten, an denen auch viele bekannte Sportler offen teilnahmen. Einige von ihnen leben nach der Niederschlagung der Proteste im Exil. In Belarus drohen ihnen Haftstrafen.

Von Anja Schrum | 17.03.2024
Proteste in Belarus im Jahr 2020.
Im Jahr 2020 sind in Belarus Menschen nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen auf die Straße gegangen. Darunter auch Sportlerinnen und Sportler. (imago images / ITAR-TASS / Stringer via www.imago-images.de)
Eine Handvoll Protestierende steht Anfang März vor der serbischen Botschaft in Berlin-Grunewald. Sie lassen die weiß-rot-weiße Fahnen der belarussischen Opposition wehen. Halten Protest-Plakate in den Händen. „Keine Abschiebung ins Folterlager Weißrussland“ ist da zu lesen und „Free Andrey Gnyot“.
"Wir sind heute hier, um die serbische Botschaft zu bitten, im Fall von Andrej Gnyot einzuschreiten. Das ist ein belarussischer Aktivist, der über Interpol von dem Regime in Minsk ausgeschrieben war zur Fahndung. Belgrad ist dem nachgekommen, hat ihn verhaftet. Und jetzt droht die Auslieferung nach Belarus."
Ina Rumiantseva ist Mitglied bei RAZAM, dem Zusammenschluss der belarussischen Diaspora in Deutschland. Zeitgleich finden ähnliche Aktionen in Warschau und London statt. Dem Filmemacher Gnyot wird in Belarus Steuerhinterziehung vorgeworfen. Aber das sei nur vorgeschoben, die Fahndung sei eindeutig politisch motiviert, so Rumiantseva:
"Und wir wissen, Aktivisten drohen lange Haftstrafen, also selbst für einen 'Like' unter einem Facebook-Post, ja. Und hier ist jemand, der ganz aktiv war. Mit-Begründer der unabhängigen belarussischen Sportvereinigung und wir hoffen jetzt, dass Serbien der Deportation nicht zustimmt und die Menschenrechte am Ende in den Vordergrund stellt, wir haben große Angst um Andrej Gnjot.

Sportler schließen sich 2020 Protest an

Nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen im August 2020 gehen in Belarus Hundertausende auf die Straßen. Tausende werden brutal zusammengeknüppelt und eingesperrt. Dem Protest schließen sich auch viele bekannte belarussische Athletinnen und Athleten an. Sie gründen damals den „Freien Verband belarussischer Athleten“, kurz SOS BY. Einer der Initiatoren: Der Filmemacher Andrey Gnyot. Für den Aktivisten Taras Siakerka steht fest:
"Wenn er auf belarussischen Boden kommt, dann selbstverständlich kommt er in Gefängnis. Wir wissen, dass der junge Mann gegen Regime Lukaschenka sich 2020 angestellt hat und rechnen damit, dass das die Rache ist."

Exil-Sportler werden in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt

Nach der Niederschlagung der Proteste verlassen viele Athleten, die sich offen gegen das Lukaschenko-Regime gestellt hatten, Belarus. Einige werden in Abwesenheit zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch die Basketballerin und damalige Nationalmannschafts-Kapitänin Katsiaryna Snytsina hat Belarus den Rücken gekehrt. Sie spielt heute bei den „London Lions“.
Wir erreichen sie per Videocall in der britischen Hauptstadt. Am Tag zuvor hat ein Berufungsgericht in Belgrad die Auslieferung Andrey Gnyots vorläufig ausgesetzt. "Menschen sterben in den belarussischen Straflagern. Deshalb war das gestern eine großartige Nachricht", sagt Snytsina und fügt hinzu: „Der Kampf ist aber noch nicht vorbei.“
Für Snytsina hat das Vorgehen des belarussischen Regimes Methode. „So demonstriert das Regime seine Macht. Das ist ihr Stil – dir Angst einzujagen. Offiziell sagen sie: Interessiert uns nicht, wer das Land verlassen hat. Du bist unbedeutend. Aber gleichzeitig tun sie alles, um dir das Leben schwer zu machen“, sagt Syntsina.
Die Basketballerin lebt seit vier Jahren im Ausland. Sie macht sich keine Illusionen: „Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen, die festgenommen werden, sobald ich die Grenze zu Belarus übertrete.“

SOS BY kaum noch aktiv - zum Schutz der verblieben Sportler

Snytsina erzählt, dass auch SOS BY kaum noch aktiv ist. Zum Schutz derjenigen Athletinnen und Athleten, die in Belarus geblieben sind. Selbst den Instagram-Account habe man quasi stillgelegt. „Wir haben noch viele Menschen in Belarus, denn wir hatten damals eine lange Liste, fast 2.000 Athleten haben unterschrieben. Jetzt können wir nicht mal Informationen posten, wie zum Beispiel Spendenaufrufeaktionen für unsere Kämpfer in der Ukraine.“
Nur wenige Hundert der Unterzeichner hätten das Land verlassen, schätzt Snytsina. Für diejenigen aber, die im Land geblieben sind, stellt die damalige Unterschrift noch heute eine latente Bedrohung da. Der Fall Andrey Gnyot hat aber auch Katja Snytsina deutlich gemacht: Auch im Ausland bist du nicht sicher – vor dem langen Arm von Lukaschenkos Häschern: „In drei Wochen habe ich Endrundenspiele, vielleicht in der Türkei, das weiß ich noch nicht. Und denke mir: Kann ich dahingehen? Ich mache mir Sorgen. Man weiß nie.“
Die belarussische Sport-Opposition steht also auch im Exil unter Druck. Über das Auslieferungsersuchen im Fall Andrey Gnyot wird Ende März in Belgrad final entscheiden.