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Belgien fordert Abzug von US-Atomwaffen

‎Der START-II-Vertrag zwischen den USA und Russland sieht keine Abrüstung der sogenannten taktischen Atomwaffen vor, die in Westeuropa stationiert sind. Vor dem Treffen der NATO-Außenminister fordert Belgiens Premierminister Yves Leterme den Abzug dieser Nuklearwaffen.

Von Doris Simon | 08.04.2010
    Antworten in der Debatte um die Zukunft der taktischen Nuklearwaffen soll in diesem Jahr das neue strategische Konzept der NATO geben, eine der großen Wegmarken, die NATO-Generalsekretär Rasmussen sich und dem Bündnis gesetzt hat. Einer seiner Vorgänger, der Belgier Willy Claes, hat sich bereits festgelegt: Gemeinsam mit den früheren belgischen Regierungschefs Jean-Luc Dehaene und Guy Verhofstadt forderte Claes Mitte Februar den raschen Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Belgien und den verbündeten Ländern.

    Die Atomwaffen beschädigten die Glaubwürdigkeit des Westens, wenn dieser von anderen Ländern atomare Zurückhaltung oder Abrüstung verlange, es sei Zeit, die Atompolitik den neuen Umständen anzupassen, forderte Claes in einem Rundfunkinterview.

    "Diese sogenannten taktischen Nuklearwaffen in Europa haben überhaupt keinen politischen und militärischen Sinn mehr, und das gilt auch für die Waffen bei uns in Kleine Brogel. Das liegt schließlich mitten in Europa."

    Bis zu 20 taktische Nuklearwaffen sollen noch auf dem belgischen Fliegerhorst Kleine Brogel stationiert sein, etwa eine knappe Stunde vom deutschen Niederrhein entfernt. Aufbewahrt sind die Bomben vom Typ B-61 in speziell gesicherten Magazinen im Boden unter Flugzeugschutzbauten.

    Wobei Sicherheit manchmal relativ ist: Ende Januar schafften es sechs Friedensaktivisten über den Zaun der Militärbasis. Sie konnten eine Stunde lang ungestört über die Basis mit den Nuklearwaffen spazieren, bis ein Wachsoldat auf sie aufmerksam wurde. Ihren Film stellten sie anschließend ins Internet. Die Aktivisten gehörten zu den sogenannten Bombspotters, Bombenbeobachter, die seit Jahren vor den Absperrgittern des belgischen Fliegerhorsts demonstrieren.

    Doch zu den Mahnwachen, Chortreffen oder Demonstrationen an der Militärbasis kommen anders als in den 80er-Jahren nur noch wenige Belgier, bedauert der grüne Europaabgeordnete Philippe Lamberts:

    "Einige Gruppen aus der Friedensbewegung demonstrieren noch regelmäßig an den Absperrungen an Kleine Brogel. Aber eine Massenbewegung gibt es nicht mehr. Allerdings ist sich die politische Klasse heute einig, dass es wirklich keine Rechtfertigung mehr gibt für solche Waffen."

    Trotzdem hat die belgische Regierung länger als andere geschwiegen über die Zukunft der Atomwaffen im eigenen Land. Erst die Forderung von Bundesaußenminister Westerwelle und der Aufruf der belgischen Elder Statesmen hat Belgiens Premierminister Yves Leterme dazu veranlasst, Stellung zu beziehen. Auch Leterme tritt nun für einen Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Westeuropa ein. Der Grüne Philippe Lamberts erklärt das lange Zögern mit der kollektiven Psyche belgischer Regierungen.

    "In der belgischen Regierung und ganz besonders bei den Christdemokraten gilt die Maxime, dass man die Gefühle der Amerikaner nicht verletzen darf. Natürlich handelt es sich nur noch um symbolische Waffen, aber es sind Nuklearbomben, und damit sind es trotzdem starke Symbole. Eine Aufforderung an die USA, diese abzuziehen, wäre aus der Sicht der Regierung ein Verhalten gewesen, das eines guten Alliierten unwürdig ist."