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"Beppo Grillo ist Antisystem schlechthin"

Eine "Geiselhaft" wäre es, wenn sich Pier Luigi Bersani in Italien auf eine Duldung durch die "Fünf Sterne"-Bewegung des Komikers Beppe Grillo einlassen würde, sagt Michl Ebner von der Südtiroler Volkspartei. Dieser sei völlig unberechenbar und gegen links und rechts gleichermaßen.

Michl Ebner im Gespräch mit Christiane Kaess | 27.02.2013
    Dirk Müller: Die Krise in Italien – darüber hat meine Kollegin Christiane Kaess mit dem Politiker Michl Ebner von der Südtiroler Volkspartei gesprochen. Wie dramatisch ist die Lage in Italien?

    Michl Ebner: Wenn wir bedenken, dass 25 Prozent der italienischen Wähler Beppe Grillo ihre Stimme gegeben haben, eine reine Protestaktion, dass es im Abgeordnetenhaus und im Senat unterschiedliche Situationen gibt, so sieht man, dass die Regierungsfähigkeit aufgrund des Wahlergebnisses am Wahlabend nicht gegeben ist. Jetzt muss man schauen, wie viel Fantasie die Parteien entwickeln, ob es zu einer tragfähigen Regierung kommt oder nicht.

    Christiane Kaess: Ist nicht die Tolerierung des Mitte-Links-Bündnisses durch die Partei von Beppe Grillo eigentlich der einzige Weg, den Bersani gehen muss?

    Ebner: Das ist eine der Varianten. Beppe Grillo ist aber Antisystem schlechthin und das wäre sicherlich eine Geiselhaft, in der sich Bersani wahrscheinlich nicht so wohl fühlen würde.

    Kaess: Warum?

    Ebner: ..., weil Beppe Grillo völlig unberechenbar ist und er gleich gegen links wie gegen rechts ist. Und aus diesem Grund für eine Koalition und eine koalitionsähnliche Vereinbarung nicht zur Verfügung steht. Das hat er heute Abend noch mal bestätigt.

    Kaess: Aber ist Bersanis Aufforderung an Beppe Grillo, Verantwortung zu übernehmen, nicht schon auch als Einladung zu sehen?

    Ebner: Ich glaube, dass es ein sehr mutiger Schritt war, wenige Stunden, nachdem diese Patt-Situation bekannt geworden ist. Andererseits aber hat Beppe Grillo darauf überhaupt nicht positiv geantwortet und man muss jetzt sehen, wie sich die Situation entwickelt. Man darf ja nicht vergessen: Beppe Grillo ist die stärkste Einzelpartei im Abgeordnetenhaus und ist im Senat letztendlich Zünglein an der Wage. Er wird seine Haut, seine Stimmen so teuer als möglich verkaufen, wenn er einer traditionellen Partei angehören würde. Nachdem das aber eine Protestbewegung ist, weiß man eigentlich nicht, wie die wirklich ticken.

    Kaess: Sie haben sich jetzt gerade sehr kritisch über ihn und diese Bewegung "Fünf Sterne" geäußert. Auf der anderen Seite heißt es, dass es durchaus eine inhaltliche Nähe zwischen dem Mitte-Links-Bündnis und der Bewegung "Fünf Sterne" gibt. Ist das eine Basis oder könnte das eine Basis für eine Zusammenarbeit sein?

    Ebner: Also, ich würde da sehr vorsichtig sein, eine politische Ähnlichkeit zwischen der "Fünf Sterne"-Bewegung und dem PD zu sehen. Die "Fünf Sterne"-Bewegung ist eine reine Protestbewegung, während der PD, also die sozialdemokratische Partei mit christdemokratischen Einschlüssen, eine strukturierte Partei mit klaren Vorstellungen ist. Hier zwei Dinge zusammenzubringen, die zum Teil unterschiedlicher nicht sein können, ist sehr, sehr schwierig.

    Kaess: Wie erklären Sie sich, dass so viele Leute Grillo gewählt haben?

    Ebner: Die Unzufriedenheit sehr, sehr vieler Italiener – und wir sprechen hier von Millionen von Italienern – mit der derzeitigen politischen Situation, mit dem Sparprogramm von Monti, mit der hohen Arbeitslosigkeit von 36 Prozent bei den Jugendlichen, mit einer Arbeitslosigkeit von bald eineinhalb Dutzend insgesamt. Das vierte Jahr in Rezession, 2012 waren es fast drei Prozent Rezession, heuer werden es wieder ein Prozent sein. Das sind Sprengstoff-Argumente, die die sonst an und für sich ausgeglichenen Italiener auf die Straße, auf die Plätze gebracht haben. Und acht Millionen, fast 700.000 haben diesen Protest über Beppe Grillo zum Ausdruck gebracht.

    Kaess: Welche Alternativen gibt es zu Grillo, wenn man an eine mögliche Regierungsbildung denkt?

    Ebner: Es wäre eine theoretische Möglichkeit, die ja praktisch auch gegeben sein könnte, über eine Große Koalition, die sich entweder auf einige wenige Reformen einigt, unter anderem des Wahlrechts. Und dann in einem dreiviertel Jahr oder einem Jahr wieder wählt. Heute haben ja die großen Parteichefs erklärt, man will nicht wieder zu Neuwahlen gehen. Aber das könnte eventuell eine Möglichkeit sein. Die Schwierigkeit ...

    Kaess: Aber das hat ja, Herr Ebner, eigentlich Bersani schon ausgeschlossen. Und wenn man sich mal anguckt, was Berlusconi heute sinngemäß gesagt hat, nämlich die Zinsen, die wir zahlen müssen, zumindest im Vergleich zu Deutschland, die interessieren uns eigentlich nicht, disqualifiziert er sich damit nicht als Partner von Bersani?

    Ebner: Da gebe ich Ihnen Recht. Aber Berlusconi ist nicht ein normaler berechenbarer Politiker, das haben Sie in Deutschland ja im Laufe der letzten Jahre leider auch mitbekommen. Eine Sache ist, was Berlusconi so nach außen hin immer von sich gibt. Und eine andere Sache ist, ob bei ihm nicht auch schlussendlich die Staatsräson überwiegt und er sich auf einen kleinen gemeinsamen Nenner vielleicht mit Bersani bereit erklärt.

    Müller: Meine Kollegin Christiane Kaess im Gespräch mit dem Südtiroler Politiker Michl Ebner.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.