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Beratungen auf Bundesparteitag
Grüne bringen Recht auf Wohnungstausch ins Spiel

Die Grünen wollen einen Rechtsanspruch auf Wohnungstausch durchsetzen. So könnten alleinstehende ältere Menschen ihre als zu groß empfundene Wohnung mit der jungen Familie tauschen. Ein grundsätzliches Problem bleibt aber: Viele ältere Menschen wollen ihre Wohnung nicht aufgeben.

Von Panajotis Gavrilis | 13.11.2019
Ein Paar am Herd. Ein Single am Herd.
Beim Bundesparteitag der Grünen ab Freitag berät die Partei einen Antrag zum Wohnungstausch (Unsplash / Saroush Karimi / Aaron Thomas)
Ein Recht auf Wohnungstausch – das wollen die Grünen. Das geht bisher auf freiwilliger Basis, vor allem innerhalb von Wohnungsgesellschaften. Dabei ist der Wohnungstausch nicht ganz unkompliziert: Vier Parteien müssen sich einigen. Beide interessierte Mieterinnen und die jeweiligen Vermieterinnen.
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, begrüßt den Vorstoß der Grünen, "dass man den Mietern einen Anspruch darauf gibt, dass sie tauschen dürfen. Dann würde ich die Zahl von vier Parteien auf zwei Parteien reduzieren. Dann kommt es eigentlich nur noch darauf an, ob die beiden Mieter wechselseitig Interesse an der anderen Wohnung finden. Und die Vermieter müssten dem Wohnungstausch zustimmen."
Privatvermieter sollen nicht verpflichtet werden
Dieser Rechtsanspruch soll zunächst einmal nur für Wohnungsgesellschaften gelten. Private Kleinvermieterinnen sind ausgenommen - und damit der größere Teil des Wohnungsmarktes. Wer seine Wohnung vermietet, kann aber auch dann Nein sagen, also der "Übertragung des Mietvertrags widersprechen", heißt es, wenn die neuen Mieterinnen nicht über das nötige Einkommen verfügen.
Aus Mieter-Sicht ist es wichtig, betont Ulrich Ropertz vom Mieterbund: Wer tauscht, sollte danach keine höhere Miete zahlen müssen.
"Der Hintergrund des Wohnungstausches ist es ja, dass im Prinzip alleinstehende Mieter eine für sie letztlich viel zu große Wohnung bewohnen, sie aber keinen Anreiz haben, in eine kleinere Wohnung zu wechseln, weil die kleinere Wohnung möglicherweise teurer ist als die jetzt von ihnen gemietete teure Wohnung. Also, es muss ganz klar auch mit dem Mini-Vorteil verbunden sein, dass der Wohnungstausch unter dem Strich nicht zu einer Mieterhöhung führt."
Schon jetzt möglich, aber kaum in Anspruch genommen
In Nordrhein-Westfalen oder in Berlin bieten landeseigene Wohnungsunternehmen intern Tauschmöglichkeiten an. In der Hauptstadt gibt es seit vergangenem Jahr ein gemeinsames Internetportal der sechs landeseigenen Unternehmen. Theoretisch stehen somit insgesamt 310.000 Wohnungen zum Tausch zur Verfügung. Und zwar zu den Mietkonditionen der Vormieterin.
Die Bilanz nach einem Jahr ist allerdings durchwachsen. Etwa 30.000 Tauschanregungen gab es, aber nur 163 Mal haben beide Seiten einem Tausch zugestimmt.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, kurz BBU, koordiniert das Tauschportal. Der Sprecher David Eberhart erklärt, wie aus den 163 Tauschvorgängen am Ende nur wenig übrig bleiben, die dann auch tatsächlich umziehen:
"Von diesen 163 angemeldeten Tauschvorgängen sind bislang 114 abgewickelt, von denen 60 dann tatsächlich auch zum Tausch geführt haben. Also man sieht: Technisch wird es sehr stark genutzt, aber, dass dann tatsächlich in der Praxis alle Details stimmen, das liegt dann eben an den jeweiligen Tauschparteien; ist dann doch etwas schwierig."
Senioren sind Wohnungen oft emotional verbunden
Wohnung tauschen - es klingt in der Theorie einfacher und vielversprechender, als es in der Praxis häufig der Fall ist. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft sieht im Wohnungstausch, wenn überhaupt, nur eine geringe Wirkung, um angespannte Wohnungsmärkte zu entlasten.
"Gerade bei Älteren hat man häufig ja die Idee, dass es für sie günstiger wäre, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, die dann vielleicht auch barrierearm ist. Tatsächlich nutzen aber zum Beispiel Senioren diese Instrumente, auch wenn es kostenneutral tatsächlich erfolgt, kaum. Weil sie eben so verhaftet sind an die eigene Wohnung, wo sie teilweise ja schon auch 20 Jahre oder mehr drin wohnen. Das heißt: Auch die Nachfrage nach diesem Instrument ist relativ gering, was es eben auch fraglich macht, ob es tatsächlich sinnvoll ist, hier in der Rechtsprechung auch einzugreifen."
Alternative: Umbau in kleinere Wohnungen
Viele Menschen leben in zu großen Wohnungen, fügt Voigtländer hinzu. Er schlägt vor, diese Wohnungen zu verkleinern, aufzuteilen.
"Mit Aufteilen meine ich natürlich auch wenn jetzt zum Beispiel eine Wohnung frei wird und man hat dann eine Fünf-Zimmer-Wohnung und dann sagt man als Vermieter: Jetzt mache ich zwei kleine daraus. Weil wir tatsächlich einen erheblichen Bedarf an kleinen Wohnungen haben. Also bei den Zwei- und Dreizimmer-Wohnungen gibt es die größte Lücke."
Auch Ulrich Ropertz vom Mieterbund sieht im Wohnungstausch kein Allheilmittel gegen teuren Wohnraum. Aber immerhin sei es eine von vielen kleinen Maßnahmen, die im Einzelfall helfen könne und deshalb auch stärker beworben werden müsse.
Ein grundsätzliches Problem bleibt aber: Viele ältere Menschen wollen ihre Wohnung - auch aus emotionalen Gründen - nicht aufgeben. Zudem ist für viele ein Umzug im hohen Alter organisatorisch eine große Herausforderung.