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Berber-Architektur in Tunesien
Bedrohtes Kulturerbe

Fragile Bauten aus Lehm und Naturstein, die schon als Kulisse für "Star Wars" dienten: Die Architektur der Berber in Südtunesien ist ein Hingucker. Doch sie droht zu verfallen. Die lokale Bevölkerung versucht, ihr Kulturerbe mit Hilfe eines alternativen Tourismus zu retten.

Von Martina Sabra | 24.03.2019
Das imposante Berberdorf (ksar) Douiret im Süden Tunesiens
Das imposante Berberdorf (ksar) Douiret im Süden Tunesiens (Deutschlandradio / Martina Sabra)
Die Dahar-Berge bei Tataouine sind mit rund 700 Metern nicht hoch, aber großartig anzuschauen. Ockerfarbene Tafelberge, schnurgerade abgefräst vom ewigen Wind, bilden einen majestätischen Kontrast zum strahlend blauen Himmel. Die Baukunst der Berber ist überall sichtbar. Teilweise wohnen die Menschen bis heute in menschengemachten Höhlen, den Troglodyten. Auf vielen Bergen ragen die Ksar empor - wabenförmige Speicherburgen aus Lehmziegeln und Naturstein, mit bis zu 400 Räumen auf mehreren Etagen. Ksar Hedada, ein Dorf mit 1500 Einwohnern, wurde als Kulisse für Szenen aus "Star Wars" international berühmt. Der Ort macht kräftig Werbung damit. Aber der eigentliche Hingucker ist die traditionelle Architektur. Fremdenführer Dau erklärt, wie die Speicherburgen bis vor wenigen Jahrzehnten genutzt wurden:
"In den Speicherburgen bewahrte man alles auf, vor allem Lebensmittel wie Öl und Getreide. Die Bewohner hier waren Halbnomaden. Wenn sie im Sommer mit dem Zelt unterwegs waren, mussten sie ihre Vorräte irgendwo lassen. Jedes Ehepaar, jede Familie hatte einen eigenen Raum, eine sogenannte Ghorfa. Es gab nur einen Zugang, der von einem Wächter bewacht wurde, den alle gemeinsam bezahlten, in Naturalien."
Für Restaurierung fehlt das Geld
Ksar Hedada ist bei Tagestouristen von der Ferieninsel Djerba sehr beliebt. Doch die meisten der rund 150 Speicherburgen in Südtunesien sind einsam gelegen und schwer erreichbar. Manche entstanden vor Christus, andere in der Römerzeit oder während der arabischen Eroberungen, einige erst in der Neuzeit. Manche dienten nur als Speicher, andere waren auch Halteplatz für Karawanen oder militärische Festungen. Eines haben fast alle gemeinsam: Sie sind vom Verfall bedroht, weil die Bewohner in komfortablere moderne Orte umziehen. Und meistens fehlt das Geld, um die zerbrechliche Lehmsubstanz zu erhalten. Nur wenige Speicherburgen konnten in den vergangenen Jahrzehnten restauriert werden.
In Chenini, eine halbe Stunde von Tataouine, ist der Ksar zwar noch bewohnt. Doch die Zahl der Familien schrumpfte binnen weniger Jahrzehnte von über 600 auf aktuell 123. Eine Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe würde mehr Fördergelder und Tourismus-Einnahmen bedeuten. Doch Versuche, den Ort als UNESCO-Weltkulturerbe zu registrieren, seien bislang gescheitert, erklärt Doktor Habib Belhedi, Zahnarzt und Mitglied eines lokalen Vereins zur Bewahrung des Kulturerbes:
"Unser Verein hat Studien gemacht. Wir hätten gute Chancen, aber der Staat müsste etwas tun. Sehen Sie die Strommasten, den Wasserspeicher, den Mobilfunkmast. Das alles müsste so umgebaut werden, dass man es nicht sieht. Nur so hat das Dorf eine Chance, als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt zu werden."
Alternativer Tourismus als Rettung?
Statt auf die UNESCO setzen Habib Belhedi und seine Mitstreiter auf kleine Schritte, um das Erbe zu erhalten. Tagestourismus bringe zwar Geld, doch die Busladungen voller kamerabewehrter Strandurlauber würden die lokale Bevölkerung eher abschrecken, erklärt Belhedi. Man brauche alternativen, langsamen Tourismus und angepasste Konzepte. Belhedi selbst hat in Chenini eine kleine Unterkunft eingerichtet, wo bis zu 30 Gäste in einfachen traditionellen Höhlen übernachten können. Der lokale Kulturverein unterstützt gemeinsam mit dem regionalen Fremdenverkehrsversbüro und internationalen Organisationen in der Umgebung ähnliche Initiativen. Im nahe gelegenen Ksar von Douiret lebten früher 600 Familien, heute sind es noch zwei. Einer der Bewohner ist Raouf Talbi:
"Bevor die Franzosen Tataouine so groß machten, war Douiret die Hauptstadt der Region. Dieser Ort war ein Handelsplatz. Die Abwanderung begann in den 50er Jahren, jedes Jahr ging eine Gruppe. Die letzten Bewohner haben den Ksar vor 30 Jahren verlassen."
Raouf Talbi ist 41 Jahre alt und in Douiret aufgewachsen. Jahrelang begleitete er Wandertouristen zwischen Douiret und Chenini. Seit einigen Jahren betreibt er direkt an der Speicherburg eine kleine, einfache Gästeunterkunft, wo man in Höhlen und in umgebauten Speicherräumen schlafen kann.
"Mein Traum ist, dass das hier ein Paradies wird. Wir haben mit sehr wenig angefangen und ich finde, wir sind schon recht weit gekommen."
Immer mehr Übernachtungsgäste fänden den Weg in die Einsamkeit von Douiret, sagt Raouf Talbi: Dabei seien Individualtouristen und Abenteuerurlauber, aber auch Gruppen, die einen besonderen Ort zum gemeinsamen Lernen und Arbeiten suchen.