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Berlusconi und der Fußball
Dritte Liga statt AC Mailand

Statt in den ruhmreichen AC Mailand investiert Silvio Berlusconi jetzt in den Drittligaklub SS Monza 1912, den kaufte er im September. Angeblich aus purer Romantik. Berlusconi initiiert mit seinem neuen Spielzeug aber auch eine Wertedebatte. Und er könnte daraus politisches Kapital schlagen.

Von Tom Mustroph | 18.11.2018
    Der Vorsitzende der Partei Forza Italia, Silvio Berlusconi, auf einer Pressekonferenz am 7. Mai 2018.
    Der Vorsitzende der Partei Forza Italia, Silvio Berlusconi, auf einer Pressekonferenz am 7. Mai 2018. (AFP / Tiziana FABI)
    Anpfiff in Monza. Der frühere Milan-Manager Adriano Galliani hat gerade Platz genommen im Stadion Brianteo. Hier spielt der Drittligist SS Monza. Galliani ist hier neuer Manager, installiert, weil sein alter Arbeitgeber Silvio Berlusconi den ganzen Klub kaufte. Drei Millionen Euro waren das. Peanuts gegenüber den 600 Millionen Euro, die Berlusconis Holding Fininvest vor einem Jahr für den Verkauf des AC Mailand erhielt.
    "Berlusconi wohnt drei Kilometer von hier in Arcore. Galliani stammt aus Monza. Ich glaube, dass eine romantische Sache ist. Sie hätten ja auch andere Klubs kaufen können", mutmaßt Sportdirektor Filippo Antonelli über die Motive.
    Er ist schon seit vier Jahren hier. Für Galliani mag das Romantik-Motiv sogar stimmen. Er stammt nicht nur aus Monza. Von ihm, Italiens wohl berühmtesten Fußballglatzkopf, hängt in der Geschäftsstelle des SS Monza sogar ein Foto aus den 1970ern: mit Haaren!
    "Meisterschaft binnen anderthalb Jahren"
    "Galliani war, bevor er zum AC Mailand ging, neun Jahre lang bei Monza. Er sagt immer: Ich bin einer von Monza. Beim AC Mailand war ich nur ausgeliehen und jetzt bin ich zurück in Monza", sagt Antonelli.
    Galliani brachte aus Mailand auch gleich den Trainer mit: Ex-Profi Cristian Brocchi. Der kennt seinen Auftrag:
    "Sie erwarten von mir, dass ich der Mannschaft zu einem guten Offensivspiel verhelfe. Das steckt mir in der DNA, das habe ich mit meinen Teams immer gemacht. Und binnen anderthalb Jahren wollen wir eine Meisterschaft gewinnen."
    "Liebe zu den alten Zeiten"
    Mittelfristiges Ziel ist die Serie A. Das erfüllt die Fans, die in den letzten Jahren vor allem Ausflüge auf die Holperplätze der vierten Liga machen mussten, mit Freude. Roberto, seit 50 Jahren Monza-Fan:
    "Mit Galliani und Berlusconi steigt das Niveau. Früher mochte es uns reichen, zurück in die zweite Liga zu kommen. Jetzt werden die Träume größer. Der Traum vom Aufstieg in die Seria A ist ja niemals gestorben, zumindest für die nicht, die damals die Relegation gegen Bologna und Pescara erlebt haben."
    Das war der bisherige Höhepunkt von Monza: Die Aufstiegsspiele 1979. Roberto war da schon Fan. Und Adriano Galliani Manager. Die Liebe zu den alten Zeiten schlägt sich auch in der Art und Weise wieder, wie der Erfolg erreicht werden soll. Sportdirektor Antonelli sagt:
    "Mit einem Team, das hauptsächlich aus Italienern besteht, mit einigen Ausländern natürlich auch. Aber die Idee ist, ein Team mit einer Identität aufzubauen. Die Formel ist wie beim AC Mailand, der die großen Pokale gewann: Alles Italiener und drei Ausländer."
    Schon vier mal live im TV
    Über eine weitere Forderung von Neubesitzer Berlusconi schmunzeln selbst die Angestellten. Berlusconi will keine Tattoos und keine auffälligen Frisuren bei Spielern sehen. Gälte die Regel schon jetzt, hätte Coach Brocchi Probleme, überhaupt elf Mann zu nominieren. Auch den Körper des Trainers sollen Tattoos zieren.
    Abgesehen davon hat Berlusconis Einstieg bereits einiges bewegt. Das Match am Sonntag war schon das vierte von Monza in dieser Saison, das live im Fernsehen gezeigt wurde.
    Politisches Kapital könnte Berlusconi mit dem Engagement ebenfalls gewinnen. Der Aufbau eines Klubs in der Provinz taugt als Gegenbild zum Millionärsgekicke, finanziert mit arabischem, russischem und chinesischem Geld.
    Mit der Trumpfkarte "Verankerung in der Provinz" errang in den letzten Jahren auch die Lega Nord die Deutungshoheit im rechten politischen Lager. Lega-Chef Matteo Salvini und Berlusconi nähern sich gerade wieder an. Die Rhetorik des einfachen und ehrlichen Fußballs in der Provinz taugt durchaus zur Mobilisierung.
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