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Berlusconis Drittligist AC Monza
Ein Team nur für Italiener

Im September 2018 begann für den italienischen Drittligisten AC Monza eine neuen Ära. Silvio Berlusconi kaufte den Club und setzt auf seinem Weg in Italiens höchste Spielklasse ausschließlich auf italienische Profis. Den Monza-Ultras gefällt die Vorgabe des neuen Präsidenten.

Von Tom Mustroph | 19.10.2019
Silvio Berlusconi hat 2018 den AC Monza gekauft
Silvio Berlusconi mit Spielern des AC Monza. (www.imago-images.de)
Gedränge vor dem Stadio Brianteo in Monza. Mehr als 4.500 Menschen wollen sich dieses Drittligaspiel ansehen. Sie decken sich vor dem Stand der Ultras des AC Monza noch schnell mit Hemden und Schals ein.
"Wir erleben so eine Art Aschenputtel-Geschichte. Nach 107 Jahren unseres Vereins kommt jetzt der richtige Moment. Wir haben die Hoffnung, dass wir in die erste Liga aufsteigen können. Das ist uns niemals zuvor geglückt", erzählt Fausto Marchetti. Er ist der Sprecher der wichtigsten Ultra-Gruppe von Monza.
Neue Fans für Monza
"Bei Heimspielen sind wir etwa 1.000 Mann, die singen. Auswärts kommt nur der harte Kern, 100, 120 Leute etwa. Aber jetzt kommen mit dieser Welle des Enthusiasmus viele neue Leute."
Die Monza-Ultras singen durch. Sie bejubeln das Siegtor ihres Vereins und greifen sich bei Latten- und Pfostenschüssen entsetzt an die Köpfe. Für ihren Sportsgeist spricht, dass sie mit einem Transparent auch den Trainer der gegnerischen Mannschaft feiern. Der war bis zum Beginn der letzten Saison noch Coach bei Monza.
Neuanfang im September 2018
Im September 2018 begann aber eine neue Ära. Silvio Berlusconi kaufte den Klub. Er hat große Dinge vor. Filippo Antonelli, Sportdirektor von Monza: "Wir wollen in die Serie B aufsteigen und dann auch in die Serie A. Das ist der Traum der Besitzer. Die Investments dafür gehen ins Stadion, in die Struktur und die Trainingsplatze und schließlich die Spieler. Das ist der Wille von Präsident Berlusconi."
Dafür wird geklotzt. Der Verein hat in der Winterpause der vergangenen Saison 15 Spieler verpflichtet, im Sommer nochmal neun. Insgesamt sechs Spieler haben Serie A-Erfahrung. Monza ist überlegen, führt mit vier Punkten die Staffel A in der Serie C an und wird schon als ‚Juventus der dritten Liga’ bezeichnet. Juventus Turin ist italienischer Rekordmeister und führt auch die Serie A an.
"Das ist kein schlechter Vergleich. Danke!", sagte letzte Woche Berlusconi. Der Patron genießt die Auftritte seines Klubs. Nur wenige Autominuten entfernt vom Stadion liegt sein Anwesen Arcore. Der AC Monza ist ein Kiezklub für ihn. Und zugleich ein Sprungbrett zurück in die Fußballwelt. In den Katakomben das Stadio Brianteo lässt sich vorzüglich über die Schwierigkeiten seiner Nachfolger beim AC Mailand lästern.
Ich habe gesagt, in einem Freundschaftsspiel würden wir sie sicherlich schlagen. Ich habe dann etwas übertrieben und 3:0 gesagt. Ich mache das aber nur, um ein Lächeln zu erzeugen."
Auch in die Frage, ob das Stadion seines alten Vereins AC Mailand, das San Siro, erhalten bleiben soll oder nicht, mischt sich Berlusconi aus Monza ein.
"Ich wünsche mir, dass sie eine Lösung finden, ohne San Siro abzureißen. Es gibt natürlich auch eine andere Variante: Sie geben es an Monza."
Berlusconi will nur Italiener im Team
Die Journalisten in der Mixed Zone des Stadio Brianteo hat Berlusconi bereits eingewickelt. Die Fußballprominenz ebenfalls. Regelmäßiger Gast der Monza-Spiele ist Ex-Nationalstürmer Christian Vieri. Am letzten Wochenende war auch Fabio Capello da, Champions League-Sieger mit dem AC Mailand, spanischer Meister mit Real Madrid und Ex-Auswahltrainer von England und Russland. Die Entwicklung des Projekts erfolgt überraschenderweise ohne die ganz großen Transfercoups. Große Namen wie der Brasilianer Kakà waren als Neuzugänge zwar immer mal wieder im Gespräch. Gekommen sind dann aber solide Kicker ohne Glamour.
"Wir wollten vor allem Spieler holen, die zum Projekt passen und zur Spielweise des Trainers. Manchmal haben die großen Namen nicht den Willen dafür", sagt Sportdirektor Antonelli. Im Schatten von Berlusconis früherem Manager Adriano Galliani hat er eine Truppe aufgebaut, die derzeit mit erfrischendem Offensivgeist die als Klopperliga berüchtigte Serie C dominiert. Antonelli setzt dabei auf italienische Profis. Auch das ist eine Vorgabe von Berlusconi.
"Was der Präsident sagt, gefällt uns, weil es romantisch ist. Wir haben hier schon sehr viele Ausländer gesehen, die sogar unterhalb der Stadiontribünen schliefen. Sie wurden benutzt, wurden ausgebeutet", erzählt Ultra-Boss Marchetti. Tatsächlich brachte einer der Vorgänger von Berlusconi, ein windiger Bauunternehmer aus Brasilien, Spieler der unteren Ligen Brasiliens nach Monza - machte sich dann aber aus dem Staube.
Ultra-Chef Marchetti kennt auch die anderen Tiefpunkte in der jüngeren Geschichte des AC Monza: "Der Klub ging zwei Mal bankrott. Die Tore waren verschlossen. Es gab kein Wasser, keine Elektrizität mehr. Wir haben sogar die Trainingsplätze für die Mannschaft gesucht."
Denken in rechten Ideologieschablonen
Im Vergleich dazu wähnt ganz Monza sich gegenwärtig im Paradies. Das Fußballmärchen ist so schön, dass Marchetti sogar seine politische Grundeinstellung für einen Moment zu vergessen scheint. Denn außerhalb des Stadions hat er sich der neofaschistischen Kleinstpartei Lealtà Azione angeschlossen und auch seine Sympathie für die identitäre Bewegung geäußert. Die steht der Lega Nord und Fratelli d’Italia näher - also den Konkurrenten Berlusconis im rechten politischen Lager. Berlusconis Forderung nach einem Team nur für Italiener will Marchetti jedenfalls nicht als politisches Statement werten.
"Für uns ist das nicht nationalistisch, sondern der Versuch eines romantischen Fußballs, eines Fußballs alter Prägung", sagt er, und fängt dann an, von einem Verein mit toller Nachwuchsarbeit und Chancen für die Jungs aus der Gegend zu schwärmen. Das passt dann auch in rechte Ideologieschablonen. Die Zukunft wird zeigen, ob Monza in der Nachwuchsarbeit den rassistischen Trennlinien folgt oder in die ‚Jungs von hier’ nicht doch auch die Kinder von Eltern aus Nigeria und Ghana, Albanien und Rumänien, die seit Jahren schon in den Fabriken und auf den Feldern Norditaliens arbeiten, einschließt. Dann käme dem AC Monza eine richtige Vorbildrolle zu.