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Berufsunfähigkeitsversicherung nach Corona-Infektion
Verbraucherschützerin: Schon kleinste Erkrankung kann zur Ablehnung führen

Die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit gilt Experten als existentiell. Der Abschluss einer entsprechenden Versicherung könnte nach einer Covid-Erkrankung jedoch schwierig werden, sagte Bianca Boss vom Bund der Versicherten im Dlf. Sie empfiehlt daher, sich professionelle Unterstützung zu suchen.

Bianca Boss im Gespräch mit Georg Ehring | 28.04.2021
Berufsunfähigkeit
"Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine existenzielle Versicherung", betont die Verbraucherschützerin Bianca Boss (PantherMedia)
Die Berufsunfähigkeitsversicherung steht ganz oben auf der Liste, wenn Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer die Absicherung von wichtigen Lebensrisiken empfehlen. Das hat seinen Grund: Der Verlust der eigenen Arbeitskraft wiegt schließlich viel schwerer als ein gestohlenes Fahrrad oder eine gebrochene Glasscheibe.
Doch wer eine Corona-Infektion überstanden hat, hat möglicherweise Schwierigkeiten, an eine Berufsunfähigkeitsversicherung heranzukommen. Dies hat eine Umfrage des Online-Verbraucherportals Finanztipp ergeben. Wer nach einer Covid-Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, sollte sich deshalb an einen unabhängigen Versicherunsgberater wenden, riet Bianca Boss vom Bund der Versicherten im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
Georg Ehring: Dürfen Versicherer einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung nach einer überstandenen Covid-Erkrankung einfach ablehnen?
Bianca Boss: Tatsächlich ist man ja als Verbraucher oder Verbraucherin der Versicherungsgesellschaft ausgeliefert. Die entscheiden tatsächlich nach Prüfung meiner Angaben, meiner beantworteten Gesundheitsfragen, ob die mich haben wollen oder nicht. Und sie müssen auch nicht mal sagen, aus welchem Grund sie mich vielleicht ablehnen oder mit Beitragszuschlag versichern wollen oder sonstiges. Auch eine überstandene Covid-Erkrankung kann dann eventuell dazu führen, dass die Gesellschaften mich ablehnen.
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"Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine existenzielle Versicherung"

Ehring: Sie vertreten ja auch politisch die Interessen von Versicherten. Finden Sie das in Ordnung, dass das so läuft?
Boss: Natürlich nicht. Wir sind eine der größten Verbraucherschutz-Organisationen in Deutschland und beschäftigen uns mit den privaten Versicherungen und kämpfen um die Rechte oder für die Rechte der Versicherten. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist ja wirklich eine existenzielle Versicherung, denn wer sie nicht hat und seinen Beruf aufgrund von Krankheit und Unfall nicht mehr ausüben kann, der hat ein großes finanzielles, existenzielles Problem und sollte so eine Versicherung haben. Dass aufgrund von vielleicht überstandenen Erkrankungen, deren Folgen man natürlich – das ist das Problem – nicht wirklich absehen kann, dass dann eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht abgeschlossen werden kann, das ist wirklich tragisch für diesen Personenkreis.
Ehring: Aber überraschend finden Sie das nicht?
Boss: Nein! Tatsächlich überrascht uns das gar nicht, denn wir kennen das Annahmeverhalten der Versicherungsunternehmen, und schon die Vergangenheit hat gezeigt, dass. Die wenigsten bekommen wirklich eine Berufsunfähigkeitsversicherung, so wie sie wünschen, weil schon kleinste Erkrankungen dazu führen, dass man abgelehnt wird oder dass Ausschlüsse zum Tragen kommen oder dass Beitragszuzahlungen zum Tragen kommen. Deswegen sollte jeder, der eigentlich kleine Vorerkrankungen hat, wo man sich denkt, das kann doch gar nicht zu einem Problem werden, unabhängig beraten lassen bei Verbraucherzentralen oder auch gerne bei uns, beim Bund der Versicherten, und wir geben dann Tipps und Hinweise, was man beachten sollte, um eine große Chance zu haben, dass man diesen wichtigen Schutz bekommt.

An einen unabhängigen Versicherungsberater wenden

Ehring: Was sollte man denn beachten? Wie sollte ich vorgehen?
Boss: Wenn man tatsächlich Corona gehabt hat und eigentlich denkt, ich bin doch total super auskuriert und mir geht es so gut wie vorher, sollte man trotzdem sich an jemanden wenden, zum Beispiel an einen unabhängigen Versicherungsberater, der für mich anonymisiert Vorversicherungsanfragen bei verschiedensten Unternehmen stellt, und dann guckt man, wie unterschiedlich handhaben das die Gesellschaften. Lehnt mich die eine Gesellschaft vielleicht ab? Nimmt mich die andere Gesellschaft vielleicht mit einer Wartezeit an und dann uneingeschränkt? Oder gibt es irgendwelche anderen Zusätze, die sich die Gesellschaften überlegen? Dann kann ich in Ruhe beratend entscheiden, welches Angebot ich am besten in Anspruch nehmen kann.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Ehring: Wenn ich jetzt Corona hatte und daran noch zu knacken habe, wie soll ich es dann machen?
Boss: Akut, glaube ich, macht es überhaupt gar keinen Sinn, wenn ich wirklich noch angeben muss, ich habe noch Atemnotsbeschwerden, ich kann nicht wirklich riechen und ich bin kurzatmig und so weiter und so fort. Das macht sicherlich keinen Sinn, da jetzt in der Situation tatsächlich einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung zu stellen oder sich ein Angebot einzuholen. Da muss ich tatsächlich erst mal gucken, dass ich das auskuriere, und dann genauso, wie ich vorhin beschrieben habe, sich an jemanden wenden, der mir unabhängig Tipps und Informationen geben kann und der mir dann auch anonymisiert nachher Vorversicherungsanfragen bei verschiedensten Gesellschaften einholt.
Ehring: Aber beantworten muss ich die Gesundheitsfragen auch nach Corona?
Boss: Ja, bitte! Es wird sicherlich nicht, vielleicht noch nicht so speziell nach einer Corona-Erkrankung gefragt, aber es wird ja danach gefragt, ob ich in den letzten fünf oder zehn Jahren medizinisch behandelt worden bin, und das bin ich ja definitiv. Dementsprechend muss ich das auch angeben und es lohnt sich auch wirklich nicht, das zu verschweigen. Im Leistungsfall kommt alles raus. Es ist ja alles dokumentiert. Die Gesellschaften kriegen einen Einblick in meine Gesundheits- oder Krankheitsakten bei der Krankenkasse, bei meinem privaten Krankenversicherer. Es kommt alles raus und dann habe ich das Problem, dass ich im Leistungsfall keine Leistung bekommen habe, aber vielleicht jahrzehntelang teure Beiträge bezahlt habe, denn die Berufsunfähigkeitsversicherung ist ja eine recht teure Versicherung. Also bitte nichts verschweigen. Das bringt gar nichts.

"Das gleiche Problem tut sich bei privaten Krankenversicherungen auf"

Ehring: Wir haben jetzt über die Berufsunfähigkeitsversicherung gesprochen. Ist denn Ähnliches beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung auch zu befürchten?
Boss: Auch da mag es tatsächlich das gleiche Problem sein. Nun ist es so, dass die meisten ja immer noch die Möglichkeit haben, in die gesetzliche Krankenversicherung zu gehen oder erst mal in der gesetzlichen Krankenversicherung sind oder bei den gesetzlichen Krankenkassen sind, und da werden ja keine solchen Annahmekriterien gestellt, so dass man da nicht das "Problem" hat, dass man da gar nicht krankenversichert wäre wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Aber tatsächlich ja, das gleiche Problem tut sich bei den privaten Krankenversicherungen auf. Auch die werden ganz genau hinschauen, wen sie versichern, weil es da natürlich gerade auch auf zukünftige Behandlungen ankommt. Das ist ja deren Leistung in dem Vertrag und da schauen sie natürlich ganz genau hin, gibt es eine Covid-Erkrankung, die eventuell erfordert, dass man noch lange Jahre nachbehandelt werden muss, und da werden die sagen, diesen Patienten möchten wir nicht versichern. Können sie auch! Sie haben die Möglichkeit, das abzulehnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.