Samstag, 18. Mai 2024

Münster
Berufungsverhandlung über Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall

In Münster verhandelt das Oberverwaltungsgericht derzeit über eine Klage der AfD gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Im Kern geht es um die Frage, ob der Verfassungsschutz die Partei beobachten darf oder nicht.

12.03.2024
    Die AfD-Politiker Roman Reusch und Carsten Huetter stehen mit dem Rechtsanwalt Christian Conrad in der Lobby des Oberverwaltungsgerichts in Münster, wo das Berufungsverfahren gegen die Einschätzung als rechtsextremistischer Verdachtsfall verhandelt wird.
    In Münster laufen drei Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht gegen die AfD. (AFP / INA FASSBENDER)
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln hatte die Partei 2021 als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Seitdem darf sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Die AfD klagte gegen diese Einstufung, hatte 2022 vor dem Verwaltungsgericht Köln aber keinen Erfolg. Gegen das Urteil legte sie Berufung ein.

    Zwei Verhandlungstage angesetzt - "zäher Auftakt"

    Für die Verhandlungen am Oberverwaltungsgericht in Münster sind zunächst zwei Tage angesetzt. Es geht dabei auch um die Frage, ob der Verfassungsschutz die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" als extremistischen Verdachtsfall und den inzwischen aufgelösten völkischen "Flügel" als "gesichert rechtsextremistisch" einstufen durfte.
    Zu Beginn der Verhandlung wies das Gericht mehrere Anträge der AfD ab, darunter einen gegen die Besetzung des Senats und einen auf Ausschluss der Öffentlichkeit. Die beiden Parteivorsitzenden Weidel und Chrupalla erschienen unter Verweis auf die Sitzungswoche des Bundestages in Berlin nicht in Münster. Aus dem Bundesvorstand reisten der frühere Bundestagsabgeordnete Reusch und Bundesschatzmeister Hütter an.
    Die Landeskorrespondentin NRW des Deutschlandfunks, Boeselager, berichtete von einem zähen Auftakt. Angesichts der Anträge des AfD-Lagers verzögerte sich der eigentliche Beginn der Tagesordnung um mehrere Stunden. Auch eine Verlängerung des Prozesses könne nicht ausgeschlossen werden.

    15.000 Seiten Akten, 100 Journalisten angemeldet

    Das OVG ist wegen der großen Zahl an Prozessbeteiligten und rund 100 angemeldeten Journalisten auf die Eingangshalle des Gerichts ausgewichen. Hinzu kommen etwa 200 Zuschauer. Das Gericht selbst führt alle Akten mit 15 000 Seiten digital. Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben einem Umfang von 275 Aktenordnern und werden am OVG in einem abgetrennten Raum gelagert. Zur mündlichen Verhandlung werden die Beteiligten jeweils ihre eigenen Kopien mitbringen. 

    Keine aufschiebende Wirkung

    Dass sich die AfD gegen die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts juristisch zur Wehr setzt, hat keine aufschiebende Wirkung, was die Beobachtung der Partei angeht. Das heißt, dass der Verfassungsschutz in den vergangenen Monaten bereits nachrichtendienstliche Mittel wie Observation und Informanten (sogenannte V-Leute) verwenden durfte, um herauszufinden, ob sich der Extremismus-Verdacht erhärtet oder nicht. 

    NRW-Innenminister: Richtungweisendes Verfahren

    Die Gerichtsverfahren finden in Nordrhein-Westfalen statt, weil der Bundesverfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Landesinnenminister Reul sprach von einem zentralen Verfahren. Anschließend sei klar, ob die AfD gegen die Verfassung arbeite beziehungsweise ob es sich um Extremisten handle oder nicht, sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". Mit Blick auf die Forderungen nach einem Parteiverbot betonte Reul, ein Urteil bedeute auch eine Absicherung in der Frage, wie man mit der AfD umgehe.

    AfD spricht von politisch motiviertem Verfahren

    Die AfD spricht von einem politisch motivierten Verfahren. Es gebe in keinem Parteiprogramm auf Landes- oder Bundesebene einen Anhaltspunkt dafür, dass die AfD gegen die Verfassung sei, sagte der stellvertretende Bundessprecher Brandner.
    Der stellvertretende Bundessprecher Boehringer sagte im Deutschlandfunk, sollte es schon am Mittwoch zu einem Urteil kommen, wäre das mit Blick auf den Rechtsstaat sehr bedenklich. Er betonte, der Prozess müsse erheblich länger dauern. Boehringer deutete zudem an, dass seine Partei im Falle einer erneuten Niederlage in Revision gehen würde.

    Verfassungsrechtler: Erfolgsaussichten der AfD gering

    Der Verfassungsjurist Fabian Wittreck hält eine Änderung des Urteils der ersten Instanz für unwahrscheinlich. Das Verwaltungsgericht Köln habe für seine Entscheidung 2022 zahlreiche Entgleisungen von AfD-Politikern zugrunde gelegt. "Diese Liste ist je nach Standort des Beobachters beeindruckend oder höchst deprimierend“, sagte der Verfassungsrechtler an der Universität Münster.

    Weiterführende Links

    AfD als Verdachtsfall? Oberverwaltungsgericht NRW prüft AfD-Klage
    Junge Alternative - Noch radikaler als die AfD
    Rechtsextremismus - Was spricht für und was gegen ein AfD-Verbotsverfahren?
    Diese Nachricht wurde am 12.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.