Rechtsextremismus
AfD-Verbotsverfahren: Was spricht dafür und was dagegen?

Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, die Partei geht dagegen juristisch vor. Die Einstufung befeuert die ohnehin geführte Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren weiter. Was sind die Vor- und Nachteile?

    Tino Chrupalla, Bundesvorsitzender der AfD, spricht zum Wahlkampfauftakt der AfD in Halle/Saale. Am 23.02.2025 sind rund 59 Millionen Bundesbürger aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen.
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Die Feinde der Demokratie sollen nicht die Möglichkeit bekommen, die Demokratie abzuschaffen. Das ist der Grundsatz, der hinter dem Begriff der wehrhaften Demokratie steht. Deswegen ist es auch möglich, demokratiefeindliche Parteien zu verbieten.
    Schon länger gibt es Befürworter eines Verbotsverfahrens gegen die AfD. Die Einstufungen der AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem hatten diese Debatte befeuert. 
    Eine Mehrheit für einen Antrag auf eine Prüfung eines Verbotsverfahrens kam im Februar 2025 jedoch nicht zustande. Nur 124 Abgeordnete standen zu diesem Zeitpunkt für die Initiative, weshalb es im Bundestag keine Abstimmung gab.
    Anfang Mai stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD, die stärkste Oppositionspartei im Bundestag, von einem „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ bundesweit zu einer „gesichert rechtsextremistischen“ Partei hoch. Juristen zufolge gelten damit auch sämtliche AfD-Mitglieder als rechtsextremistisch. Kurz darauf wurde zudem bekannt, dass auch der Landesverband der AfD in Brandenburg vom dortigen Verfassungsschutz hochgestuft wurde.
    Seitdem nimmt die Diskussion über ein Verbotsverfahren neue Fahrt auf. Ein solches Verfahren ist allerdings komplex und es gibt Befürchtungen, dass es dem demokratischen System sogar schaden könnte. 

    Inhalt

    Was sind die Voraussetzungen, um eine Partei zu verbieten?

    Das Verbot von demokratiefeindlichen Parteien oder Vereinen ist eines der Mittel, mit denen eine wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde und somit gegen ihre eigene Abschaffung vorgehen kann. Grundlage für ein solches Verbot ist der Artikel 21 des Grundgesetzes. Dort heißt es:

    Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

    Was das genau bedeutet, legte das Bundesverfassungsgericht in weiteren Entscheidungen fest. So muss die Partei sich beispielsweise in „aktiv-kämpferischer Weise“ für die Abschaffung der Demokratie einsetzen. Es genüge nicht, oberste Verfassungswerte abzulehnen, heißt es in einer Erläuterung des Bundesinnenministeriums. „Die Partei muss vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen“ - also aktiv gegen den Staat vorgehen.
    Ein weiter entscheidender Punkt: Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann. Das heißt, eine Partei kann nur verboten werden, wenn sie auch eine gewisse Chance hat, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen.
    Auch gegen welche Werte des Grundgesetzes die Partei vorgehen müsste, ist recht eng gefasst. Es handelt sich dabei um die drei zentralen Kernwerte. Diese sind die Würde des Menschen - der Grundsatz, dass alle Menschen gleich viel wert sind -, das Demokratieprinzip und schließlich das Rechtsstaatsprinzip, also die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt und eine Kontrolle durch unabhängige Gerichte.
    Den Antrag auf ein Parteiverbot können nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung stellen. Über ein Parteiverbot entscheidet dann das Bundesverfassungsgericht.

    Welche Parteiverbote und Anträge gab es bereits?

    Zweimal hat das Bundesverfassungsgericht bisher Parteien verboten: die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) und die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), beide in den 1950er-Jahren.
    Gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wurde gleich zweimal ein Verbotsverfahren eingeleitet - und beide scheiterten. Das erste 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen, noch bevor es zur Verhandlung in Karlsruhe kam: Denn damals saßen V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der Partei und hatten möglicherweise die Entscheidungen der NPD beeinflusst. Drei der sieben Richter des zweiten Senats sahen darin ein Verfahrenshindernis.
    2017 entschied das Bundesverfassungsgericht dann erneut über ein NPD-Verbot. Damals stellte das Gericht fest, dass die Partei zwar verfassungsfeindliche Ziele vertrete, die auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet seien. Dem Gericht fehlten jedoch "konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt“. Das Parteiverbot wurde deswegen abgelehnt.

    Wie wird die AfD vom Verfassungsschutz eingestuft?

    „Prüffall“, „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ und „gesichert extremistische Bestrebung“ – das sind die drei Stufen des Verfassungsschutzes zur Einordnung möglicher verfassungsfeindlicher Vereinigungen und Organisationen.
    Seit dem 2. Mai 2025 stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln (BfV) die AfD nach mehrjähriger Prüfung nun als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Der Verdacht, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet, so der Inlandsgeheimdienst.
    Gegen diese Einstufung hat die AfD einen Eilantrag bei Gericht eingereicht. Infolgedessen gab der Inlandsgeheimdienst am 8. Mai eine sogenannte Stillhaltezusage ab. Demnach bezeichnet der Verfassungsschutz die AfD bis zu einer Entscheidung in dem Rechtsstreit nicht mehr öffentlich als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Diese Stillhaltezusage bedeutet aber nicht, dass der Verfassungsschutz nun eine andere Meinung zur AfD hat. Er rückt ausdrücklich nicht von seiner Position ab, dass er die Partei als gesichert rechtsextremistisch ansieht.
    Zuvor war die AfD bereits mehrmals gerichtlich gegen Schritte des BfV vorgegangen. So im März 2021 gegen die bundesweite Einstufung als "rechtsextremistischer Verdachtsfall". Diese Einschätzung wurde ein gutes Jahr später aber in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt. Und auch das Oberverwaltungsgericht Münster folgte dem Urteil aus Köln im Mai 2024. 
    Auch AfD-Landesverbände wurden bereits von den dortigen Verfassungsschutzämtern als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft: in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und zuletzt in Brandenburg, wogegen die Partei juristisch vorgehen will. Darüber hinaus betrachtete das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch die Jugendorganisation der Partei, die „Junge Alternative für Deutschland“ (JA), als „gesichert rechtsextremistisch“. 2025 beschloss die Partei die Auflösung und Neugründung der Jugendorganisation. Ein Eilantrag gegen die Einstufung war zuvor gescheitert.

    Was spricht für ein AfD-Verbot?

    Über ein AfD-Verbot ist schon öfter diskutiert worden - beispielsweise 2022, als über Verbindungen zwischen Reichsbürgern und der AfD berichtet wurde. Eine neuerliche Debatte entfachte im Januar 2024 ein Bericht des Recherchenetzwerks "Correctiv" über ein geheimes Treffen in Potsdam, bei dem unter anderem Vertreter der AfD und der rechtsextremen Identitären Bewegung über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland berieten.
    Durch den Bericht sei es leichter geworden, die Partei zu verbieten, sagte der Publizist und Jurist Heribert Prantl Anfang Januar – denn „die fatalen Pläne der Partei“ seien noch deutlicher geworden. Für Prantl ist es „höchste Zeit“, ein Verbotsverfahren zu initiieren. „Man muss die Kraft haben, intolerant gegenüber denjenigen zu sein, die die Demokratie umbringen wollen.“
    Nach der verschärften Einstufung als "gesichert rechtsextremistische" Gruppierung mehren sich parteiübergreifende Stimmen, die sich für ein Verbot der Partei aussprechen. Während einige Abgeordnete direkt einen Verbotsantrag fordern, sprechen sich andere erstmal für eine Prüfung eines solchen Verfahrens aus. 
    So sagte der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci, dass die Verfassung wenig Spielraum lasse. Die AfD stehe nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und müsse "deshalb verboten werden". Nach der Hochstufung sei das mit noch größerer Dringlichkeit nötig. "Ich glaube nicht an einen schnellen Verbotsantrag, aber ich glaube, dass jetzt die Vorbereitung eines Verbotverfahrens eingeleitet werden muss", so Castellucci.
    Bei der Diskussion über ein mögliches Parteiverbotsverfahren dürften keine politischen oder taktischen Fragen im Vordergrund stehen, sagt Thomas Fischer, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof. Taktische Argumente wie die Frage, ob sich durch ein Parteiverbot noch mehr Anhänger radikalisieren werden, spielen hinsichtlich dessen keine Rolle. „Es kommt für ein Parteiverbot zunächst einmal auf die rechtliche Ebene an“, so Fischer. Es müsse nun gerichtlich geprüft werden, ob die Grundlagen für ein Parteienverbot vorliegen.
    Der Jurist hält zudem eine gründliche Einzelfallprüfung von AfD-Mitgliedern als Staatsbedienstete für erforderlich. Denn nach der Bekanntmachung des Bundesamtes für Verfassungsschutz steht fest: Alle rund 50.000 Mitglieder der AfD sind rechtsextremistisch. Gleichzeitig bekleiden Frauen und Männer mit AfD-Parteibuch Ämter in Bund und Ländern: Sie sind Richter, Lehrer, Polizisten, sonstige Beamte oder in anderen zentralen Positionen der staatlichen Verwaltung tätig. Ist also ein Polizist auch ein AfD-Mitglied, müsse geprüft werden, was für mögliche Konsequenzen das haben kann.
    Alle Bundesländer sollten nun im Einzelfall prüfen, ob sie entsprechende Ämter weiterhin mit verfassungsfeindlichen Personen besetzen möchten, sagt Thomas Fischer. Bundesländer wie Bayern oder Hessen haben eine solche Prüfung bereits angekündigt.
    Befürworter eines Verbotsantrages sehen auch ein weiteres Argument auf ihrer Seite: Durch den politischen Erfolg der AfD steigen auch ihre Chancen, ihre potenziell verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen. Das ist spätestens seit der Bundestagswahl 2025 der Fall, aus der die AfD als zweitstärkste Partei hervorgegangen ist.
    Genauso mit Blick auf die Bundesländer: Dort ist die AfD in Thüringen mit 32,8 Prozent die stärkste Kraft, in Sachsen mit 30,6 Prozent und in Brandenburg mit 29,2 Prozent der Stimmen jeweils zweitstärkste Kraft. Die AfD verfügt in den Landtagen von Thüringen und Brandenburg nun jeweils über eine Sperrminorität und kann so wichtige Entscheidungen blockieren, etwa Änderungen an der Landesverfassung oder die Ernennung von Richtern.

    Was spricht gegen ein AfD-Verbot?

    Gegner eines AfD-Verbotsverfahrens verweisen auf mögliche negative Folgen und Reaktionen in der Bevölkerung. Ein Verbotsverfahren – so die Befürchtung – würde dazu führen, dass sich erhebliche Teile der Bevölkerung weiter von der Demokratie entfremden.
    So sprach sich der Kandidat für den FDP-Vorsitz, Christian Dürr, in den Zeitungen der Funke Mediengruppe gegen einen AfD-Verbotsantrag aus. „Das Signal an die Wählerinnen und Wähler, die die AfD bei der Bundestagswahl zur zweitstärksten Kraft gemacht haben, wäre fatal.“ SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich in der „Bild am Sonntag“ ähnlich: Ein Verbotsverfahren dauere mehrere Jahre und könne nicht das alleinige Mittel sein, um die AfD klein zu kriegen. Man müsse sich politisch anstrengen und den Menschen Sicherheit geben statt zu streiten, sagte der Vizekanzler.
    Auch an den rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung würde das Verbot grundsätzlich nichts ändern, so die Argumentation einiger Verbotsgegner. Viele Kritiker verweisen auch auf die beiden gescheiterten NPD-Verbotsverfahren, die geringen Erfolgschancen eines AfD-Verbots und die Dauer eines solchen Verfahrens.
    Andere Kritiker sehen auch die Gefahr, dass sich die AfD durch ein Verbotsverfahren in eine Opferrolle begibt und so gegebenenfalls weiter Zulauf bekommt. 
    Der AfD-Parteisprecher Kay Gottschalk kritisierte die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Weil das Gutachten des Verfassungsschutzes nicht öffentlich zugänglich ist, rief Gottschalk dazu auf, die Arbeit des Bundesamtes insgesamt zu hinterfragen.
    Thomas Fischer, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, steuert jedoch dagegen: Es gehöre in einem Rechtsstaat dazu, dass der Verfassungsschutz Belege und Beweise vorlege, damit die Gerichte und Politik handeln können. Als Nachrichtendienst muss das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Quellen, aus dem die Beweismittel für die Hochstufung hervorgehen, schützen. Im Zuge zu erwartender Gerichtsverfahren würden Hintergründe transparent.

    Welche Alternativen gibt es zu einem AfD-Verbot?

    Der Publizist und Jurist Heribert Prantl wirbt dafür, rechtsextremen Politikern wie beispielsweise Björn Höcke mit dem Artikel 18 des Grundgesetzes Grundrechte zu entziehen und die Wählbarkeit abzuerkennen. Das sei schneller möglich und einfacher zu handhaben als ein Parteiverbot, so Prantl.
    Die Beweissituation sei bei Artikel 18 GG leichter als bei einem Parteiverbot, sagt Prantl – weil man nur das „verfassungswidrige und systemstürzlerische Agieren“ von einzelnen Personen, und nicht von einer ganzen Partei, nachweisen müsse.
    Insgesamt sind sich viele Experten und Politiker aber einig, dass die AfD nach der Hochstufung nicht mehr als normale Partei behandelt werden kann, wie es der CDU-Politiker Jens Spahn Mitte April - also vor der Hochstufung - mit Blick auf Ämtervergabe in Ausschüssen forderte.
    So sagte Felor Badenberg von der CDU: "Als gesichert extremistische Gruppierung ist die AfD keine politische Partei wie jede andere. Insofern halte ich es für kaum denkbar, dass man AfD-Vertreter in repräsentative Funktionen bringt."
    Der Linken-Abgeordnete Jan von Aken geht noch einen Schritt weiter: "Ehrlich gesagt finde ich, dass eine offen rechtsextreme Partei in den Medien nicht mehr so viel Raum bekommen darf."

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