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Beschlüsse des EU-Gipfels sind "ein ganz wichtiger Schritt in die Zukunft"

Der Fiskalpakt verschärfe die Maastricht-Kriterien und bringe größere Verbindlichkeit mit sich, sagt Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Daher gehe eine viel stärker disziplinierende Wirkung auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aus, als bisher.

Norbert Barthle im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Der deutsche Vorstoß, einen Sparkommissar für Griechenland einzusetzen, ist bei den übrigen EU-Partnern auf keine Gegenliebe gestoßen, um es vorsichtig zu formulieren. Aber der EU-Gipfel in Brüssel hat sich gestern Abend auf den sogenannten Fiskalpakt geeinigt, auf Sparvorgaben, die verbindlich werden sollen. Ist das ein Erfolg, wie die Kanzlerin es sagt?
    Verbunden sind wir jetzt mit Norbert Barthle, dem haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Barthle.

    Norbert Barthle: Ich grüße Sie, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Barthle, zu dem jetzt beschlossenen Fiskalpakt, da hatten wir ja mit den Maastricht-Kriterien schon ganz ähnliche Vereinbarungen oder Vorschriften, die dann auch nicht eingehalten wurden, die dann auch nicht durchgesetzt wurden. Warum soll das diesmal anders sein?

    Barthle: Gerade aus dieser Erfahrung hat man ja gelernt. Wir haben sehen müssen, dass die Maastricht-Kriterien von vielen Staaten - unter anderem auch von Deutschland - permanent gebrochen wurden, nicht eingehalten wurden, und dass es da keine Möglichkeit gab, entsprechende Sanktionierungen vorzunehmen, also ein bisschen Zwang auszuüben. Und deshalb ist dieser Fiskalpakt jetzt von so großer, entscheidender Bedeutung, weil er die bisherigen Maastricht-Kriterien einerseits deutlich verschärft und B eine wesentlich größere Verbindlichkeit mit sich bringt, sodass ich berechtigt davon ausgehe, dass mit diesem Fiskalpakt eine viel stärkere disziplinierende Wirkung auf die einzelnen Mitgliedsstaaten ausgeht, als das bisher der Fall war.

    Zagatta: Sie sagen, "ein bisschen Zwang". Also wir sind nach wie vor beim Prinzip Hoffnung?

    Barthle: Nein, nicht nur, denn erstens mal ist es ein großartiger Erfolg, dass sich alle Mitgliedsstaaten, alle 25, die diesen Pakt unterzeichnen wollen, dazu verpflichten, eine Schuldenbremse entweder in ihre nationale Verfassung aufzunehmen, oder einen rechtsähnlichen Zustand zu schaffen, sodass eine Selbstverpflichtung auch in den einzelnen Ländern entsteht, eine Schuldenbremse einzuhalten, die nahezu so scharf ist wie unsere, nämlich mit 0,5 Prozent maximale Neuverschuldung, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Das ist eine sehr, sehr scharfe Regelung, die – da kann ich sehr leicht das verstehen – von den Linken, von Gewerkschaften bekämpft wird, denn die stehen ja immer nur für mehr Geld ausgeben, für mehr Schulden machen, das passt denen überhaupt nicht.

    Zagatta: Aber auch im Regierungslager, Herr Barthle, sollen ja jetzt viele verärgert sein, dass dieser Stabilitätspakt schon wieder aufgeweicht worden ist. Kann man diese Verärgerung abstreiten?

    Barthle: Die kann man nicht abstreiten. Es ist sicherlich so, dass wir nicht alle unsere Ziele zu 100 Prozent erreicht haben, aber mit Verlaub: Das haben Verhandlungen so an sich. Wenn man alle seine Ziele zu 100 Prozent durchsetzen wollte, dann bräuchte man nicht zu verhandeln. Dass da das eine oder andere Ziel etwas abgeschwächt wurde, das ist aus meiner Sicht kein Schaden. Wir haben unsere wichtigsten Positionen durchgesetzt, und das ist für mich deshalb ein großartiger Erfolg für Angela Merkel, ein großartiger Erfolg für Wolfgang Schäuble und vor allem ein großartiger Erfolg für Europa. Das ist eigentlich das Entscheidende, weil wir jetzt den Gleichklang haben, einerseits Finanzstabilität, Haushaltskonsolidierung voranzutreiben, andererseits auch Wachstumskräfte zu stärken, etwas für die Volkswirtschaften zu tun. Darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs vereinbart und das ist für mich ein ganz wichtiger Schritt in die Zukunft.

    Zagatta: Herr Barthle, "ein großartiger Erfolg", sagen Sie. Das hört man eigentlich nach jedem Gipfel, wo Frau Merkel dann jeweils auch wie Sie jetzt von einem großartigen Erfolg spricht. Wenn wir da von Erfolg zu Erfolg eilen, warum sind wir dann in einer Krise?

    Barthle: Wir haben nach wie vor eine Staatsschuldenkrise, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass Griechenland wirklich sich so langsam zum Sonderfall entwickelt. Das übrige Rettungsprogramm EFSF funktioniert bei Portugal, funktioniert bei Irland gut. Das was wir gemacht haben, um Ansteckungsgefahren zu verhindern, funktioniert bisher auch gut. Die Märkte beruhigen sich so langsam, wenn man die Credit Default Swap Märkte anguckt, da hat sich schon eine deutliche Beruhigung ergeben, und ich hoffe sehr, dass wir, wenn wir das erste Viertel Jahr dieses Jahres überstehen, dass wir dann über den Berg sind. Aber Griechenland ist ein Sonderproblem, das man auch mit besonderen Mitteln behandeln muss.

    Zagatta: Etwa mit einem Sparkommissar? Den hat die Bundesregierung ins Gespräch gebracht und hat damit für großen Wirbel und Empörung gesorgt in Brüssel. Daraus ist ja jetzt oder wird wohl auch nichts. Selbst Außenminister Westerwelle geht da heute auf Distanz. Hören wir uns das vielleicht mal an:

    O-Ton Guido Westerwelle: "Hier ist entscheidend, dass wir diese Debatte auch mit einer klaren pro-europäischen Ausrichtung führen. Mancher Ton, der in den letzten Tagen verwendet worden ist, ist eher geeignet, zur Verhärtung auch bei unseren Partnern in Europa beizutragen."

    Zagatta: Herr Barthle, aus den Reihen der Union und damit der Bundesregierung einen solchen Sparkommissar vorzuschlagen, war das ungeschickt?

    Barthle: Das ist, glaube ich, auch ein bisschen falsch verstanden worden. Das ist ja nicht so gedacht, dass wir jetzt einen Sparkommissar, einen Oberaufseher nach Griechenland schicken wollen, sondern unsere Vorstellungen – und dabei bleibe ich – gehen dahin, dass wir bei der Europäischen Kommission in Brüssel jemanden brauchen, einen sozusagen Haushaltskommissar, der sich um die Einhaltung dieses Fiskalpaktes kümmert, der sich die Haushalte der einzelnen Mitgliedsstaaten anschaut, wenn diese nach Brüssel gemeldet werden, der dann entsprechend Signale aussendet, wie und wo noch etwas verbessert werden müsste. Also wir brauchen nicht nur einen Kommissar, der sich um die wichtigen Energiefragen kümmert, sondern wir brauchen auch einen, der die Haushaltsdisziplin in den einzelnen Mitgliedsstaaten einhält. Das war der Fehler der vergangenen Jahre, und der darf sich nicht wiederholen.

    Zagatta: Was heißt das jetzt im Fall Griechenlands? Da hört man, die Verhandlungen stocken. Aber mittlerweile hat man ja wirklich den Eindruck, egal was sich in Griechenland tut, neue Hilfsgelder gibt es trotzdem. Ist dieser Eindruck so falsch?

    Barthle: Der ist falsch, denn momentan ist die Troika in Griechenland und die Troika muss einen Bericht abgeben, ob die Schuldentragfähigkeit Griechenlands gegeben ist und ob Griechenland zumindest ein Stück weit die Auflagen auch einhält, die es bekommt, um dieses Programm, dieses Hilfsprogramm zu erhalten.

    Zagatta: Herr Barthle, ein Stück weit? Habe ich Sie da richtig verstanden?

    Barthle: Ja. Griechenland hat in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt, dass sie mehr Zeit brauchen als vorgesehen war bei der Ausfertigung des Programms. Da sind ja genaue Vierteljahres-Tranchen vorgegeben, was alles erfüllt werden muss. Da hinkt Griechenland bisher schon hinterher. Dass die etwas mehr Zeit brauchen, das kann man ja akzeptieren. Aber man kann nicht akzeptieren, dass da einfach gar nichts geschieht. Wenn nichts geschieht, dann gibt es keine siebte Tranche, und wenn es keine siebte Tranche gibt, gibt es auch kein zweites Griechenland-Programm, das das erste ergänzen soll. Voraussetzung für ein zweites Griechenland-Programm ist tatsächlich, dass Griechenland unter Beweis stellt, selbst Anstrengungen zu unternehmen, um sich aus dieser Krise herauszuarbeiten.

    Zagatta: Wie ist es dann mit dem Rettungsfonds von 500 Milliarden, der ja jetzt auf den Sommer vorgezogen wird? Da soll demnächst schon über eine Aufstockung entschieden werden, und damit – das lehrt ja die Erfahrung – ist doch klar, dass das noch wesentlich teurer wird für die Deutschen. Ist das den Deutschen noch vermittelbar?

    Barthle: Zunächst geht es darum, den ESM einzurichten. Auch dazu braucht es nationale Gesetzgebung, und da bleibt es bei dem bisher vorgesehenen Volumen von 500 Milliarden Euro.

    Zagatta: Ganz sicher?

    Barthle: Ganz sicher, woraus übrigens eine geringere Gewährleistungsrate für Deutschland entsteht, als bisher über den EFSF der Fall war. Beim EFSF mussten wir für 211 Milliarden im Maximalfall geradestehen, beim ESM für 168 Milliarden im Extremfall. Also da verringert sich die Garantiesumme für Deutschland. Sollte in dieser Zeit tatsächlich ein Notfall eintreten, dann plädiere ich dafür, eventuell darüber nachzudenken, ob man EFSF und ESM miteinander verbinden könnte. Aber ich bin überzeugt, dass es beim Volumen des ESM bleiben wird.

    Zagatta: Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Herr Barthle, vielen Dank für das Gespräch.

    Barthle: Bitte sehr, Herr Zagatta.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.