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Betrugs-Prozess
Achenbach zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt

Der Düsseldorfer Kunsthändler Helge Achenbach wurde vom Landgericht Essen wegen Betrugs in 18 Fällen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Doch am Kunstmarkt gebe es andere Usancen, so DLF-Kunstmarktexperte Stefan Koldehoff. Da werde vieles per Handschlag und ohne Vertrag abgewickelt, wie zwischen Achenbach und Berthold Albrecht.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 16.03.2015
    Kunstberater Helge Achenbach am 15.12.2014 in Essen
    Kunstberater Helge Achenbach vor Prozessbeginn am 15.12.2014 in Essen. (picture alliance / dpa / Foto: Roland Weihrauch)
    Burkhard Müller-Ullrich: Der Düsseldorfer Kunsthändler Helge Achenbach ist heute Vormittag vom Landgericht Essen wegen Betrugs zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden; es war einer der spektakulärsten Prozesse der deutschen Kunstszene seit Langem, und Sie, Stefan Koldehoff, haben ihn verfolgt. Wieso war der Prozess eigentlich in Essen, wenn Achenbach doch in Düsseldorf saß?
    Stefan Koldehoff: Weil Hauptgeschädigte die Familie Albrecht war, und die lebte in Essen und da haben dann auch viele Geschäfte mit Herrn Achenbach stattgefunden, im Hause der Familie nämlich, und das bestimmt dann unter anderem den Gerichtsort.
    Keine Verträge, nur mündliche Absprachen
    Müller-Ullrich: Heißt es nicht normalerweise, Gerichtsstand ist da, wo der Sitz des Klägers ist?
    Koldehoff: Ja, ja. Aber das würde ja bedeuten, Herr Müller-Ullrich, dass es einen Vertrag gegeben hätte, in dem so etwas festgelegt ist, ein Gerichtsstand oder Ähnliches, und einen Vertrag gab es aber bei all diesen Bilderkäufen nicht, sondern nur mündliche Abreden. Die lauteten: Du, Helge - denn man war per Du -, besorgst mir, Berthold, bitte schöne Bilder am Kunstmarkt, gibst mir die eins zu eins wieder, wenn ich das selbst machen würde, würde es nämlich viel teurer werden, wenn Galeristen, Auktionshäuser, Kunsthändler erfahren, Herr Albrecht ist auf Bildersuche, ich hätte sie gerne eins zu eins zum Einkaufspreis, und dafür darfst Du, Helge, dann fünf Prozent Kommission berechnen.
    So die mündliche Absprache, die nirgends festgelegt ist, von der das Gericht aber heute gesagt hat, man glaubt, dass sie so war, weil es auch die Witwe von Berthold Albrecht - der ist inzwischen verstorben - bestätigt hat und weil verschiedene Geschäftsunterlagen eben auch genau diese fünf Prozent immer ausgewiesen haben. Daran hat sich Helge Achenbach aber - und das hat er zum Teil während des Prozesses selbst eingestanden vor Gericht - nicht gehalten. Er hat Summen, Einkaufspreise verändert, aus dem Dollarzeichen beispielsweise - ich stelle mir vor, mit Tipp-Ex oder so was nach guter alter Art - dann plötzlich Eurozeichen gemacht, sodass die Beträge höher wurden, davon dann noch mal die fünf Prozent draufgeschlagen.
    Müller-Ullrich: Da hätte er nur warten müssen; heute stimmt's!
    Koldehoff: Im Grunde schon, aber halt nicht, als er es verkauft hat. Da hat er dann noch mal die fünf Prozent draufgeschlagen, und das hat das Gericht nun heute als Betrug in 18 Fällen zum Teil in Tateinheit mit Untreue gewertet.
    Andere Usancen am Kunstmarkt
    Müller-Ullrich: Es ist ja ein Prozess, bei dem Sätze fielen, die wahrscheinlich noch eine Weile nachhallen werden. Ich erinnere mich: Vor einigen Tagen hat der Anwalt von Achenbach sein Plädoyer gehalten und wörtlich gesagt: "Wo Kunst und Geld zusammentreffen, gelten etwas andere Spielregeln." Da hat das Gericht jetzt geantwortet, und zwar mit dem Satz: "Superreiche sind kein Freiwild." Aber man muss ja auch sagen, der Satz des Anwalts, dass da andere Spielregeln gelten, ist nicht ganz falsch.
    Koldehoff: Ich habe ihn heute noch mal darauf angesprochen, und er hat gesagt, das sei nie juristisch gemeint gewesen. Selbstverständlich unterliegt alles dem Gesetz. Aber es gibt eben andere Usancen am Kunstmarkt. Da läuft vieles so, wie ich es Ihnen gerade beschrieben habe: per Handschlag oder mach Du mal und eben nicht mit Verträgen und großen Regularien. Dem kann aber natürlich ein Landgericht Essen nicht zustimmen. Das kann ein Landgericht Essen nicht amtlich feststellen, dass da andere Regeln gelten. Deswegen musste der Richter natürlich heute postulieren, dass dem nicht so sei, und entsprechend dann auch ahnden, dass man sich aber entsprechend verhalten hatte.
    Angebot und Nachfrage am Kunstmarkt
    Müller-Ullrich: Aber hat sich denn irgendwie im Laufe dieses Prozesses so eine Stimmung, ein Parfüm verbreitet der Tatsache, dass der Preis eines Kunstwerks ja nun wirklich auf reiner Illusion beruht? Er bemisst sich nicht nach dem verwendeten Rohmaterial und nicht nach den aufgewendeten Arbeitsstunden, sondern wonach eigentlich? Nach dem Begehren!
    Koldehoff: Das ist die reinste Form von Marktwirtschaft. Sie müssen einen Anbieter haben und einen Nachfrager; dann spielen weder Material, noch Größe, noch irgendwas eine Rolle. Wenn der eine was hat, was der andere unbedingt haben will und das ist am Kunstmarkt nur ein einziges Mal gibt, wie das mit Gemälden so der Fall ist, dann ist jeder Preis möglich, zumal in Zeiten wie diesen, in denen unglaublich viel Geld zur Verfügung steht der Erbengeneration, neuen Unternehmergeneration in Fernost, in Südamerika, in Indien.
    Da gibt es tatsächlich keine Regularien. Aber noch mal: Das festzustellen war eben nicht Aufgabe des Gerichtes. Da ging es lediglich um die zentrale Frage: Hat man sich im Rahmen geschäftlicher Abreden an die Vereinbarungen gehalten? Da hat man entschieden, dass das nicht der Fall ist. Der Richter ist allerdings schon noch ein Stückchen weitergegangen. Sie haben einen Satz gerade zitiert. Er hat schon einigen Leuten einige Sachen ins Stammbuch geschrieben, beispielsweise auch Herrn Achenbach, dass er da jemanden betrogen hat, den er selbst als Freund bezeichnet hat und der zu dem Zeitpunkt schon schwerkrank gewesen ist, und dass das nicht wirklich die ganz feine Art gewesen ist.
    Müller-Ullrich: Danke, Stefan Koldehoff, zur Verurteilung des Kunsthändlers Helge Achenbach heute in Essen.