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Bezahlbarer Wohnraum
"Zu viele Regeln immerwährend zu ändern, ist nicht gut"

Ein Problem, zu viele Instrumente - Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik fordert mehr Kontinuität in der Wohnungspolitik. "Wir können nicht jede Woche neue Steuererleichterungen, einen neuen Anreiz verkünden", sagte sie im Dlf. Zudem sei es an den Kommunen, wieder mehr zu bauen.

Ricarda Pätzold im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Blauer Himmel und am unteren Rad eine Skyline im Märkischen Viertel in Berlin.
    Viele Kommunen haben sich von ihren Wohnungen getrennt und nur einen kleinen Bestand behalten (imago / Chromorange)
    Jessica Sturmberg: Baukindergeld, Sonderabschreibungen – die Bundesregierung ist gerade bemüht, die Wohnungsnot mit neuen Programmen zu lindern. Die sozialen Folgen, wenn es nicht genug adäquaten Wohnraum gibt, werden jetzt so richtig deutlich in einigen Städten. Welche Möglichkeiten haben die Kommunen jetzt zu handeln und was ist da in der Vergangenheit schief gelaufen? Das analysieren wir heute genauer. In der Vergangenheit haben viele Städte ihren eigenen kommunalen Wohnungsbestand veräußert oder stark reduziert, das war unter anderen Vorzeichen, jetzt hat sich die Lage in den vergangenen Jahren stark zugespitzt. Die Leute ziehen in die Städte, Wohnraum ist teuer, da spielen die niedrigen Zinsen und der Bauboom auch eine Rolle, und jetzt wird bezahlbarer Wohnraum dringend gebraucht. Es gibt zwar Flächen, die der öffentlichen Hand gehören, kommunal, vom Land und vom Bund. Letztere werden durch das Bundesinstitut für Immobilienaufgaben BIMA verwaltet, aber auch deren Verwendung ist nicht so einfach, wie man das meinen könnte.
    Wir wollen das betrachten aus Sicht der Kommunen, wie ist deren wohnungspolitische Lage gerade? Das habe ich vor der Sendung Ricarda Pätzold gefragt, Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin und beschäftigt sich mit dem Thema Wohnungsbau und Stadtentwicklung.
    Ricarda Pätzold: Die Kommunen müssen zurzeit in einem Markt investieren, der ja völlig verrücktspielt. Die Preise gehen durch die Decke, und zwar für die Baukosten und für den Boden, und deswegen sind natürlich die Voraussetzungen dafür, jetzt ganz günstig und ganz schnell zu bauen, eigentlich relativ schwierig. Man hat aber mit der Partnerschaft, wenn man ein kommunales Wohnungsunternehmen hat, natürlich trotzdem eine ganz gute Voraussetzung – besser, als wenn man keins hat.
    Sturmberg: Genau das ist ja das Problem vieler Kommunen. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten ihren Bestand veräußert. Wenn jetzt die Erkenntnis da ist, man braucht doch so etwas auch als Gestaltungsmöglichkeit, als soziale Gestaltungsmöglichkeit, wie schwierig ist es, das jetzt wieder aufzubauen?
    Pätzold: Na ja, Komplettverkäufe von kommunalen Wohnungsunternehmen gab es nicht so viele. Viele Kommunen haben ihre Wohnungsunternehmen behalten, haben Bestände veräußert, die sind kleiner geworden, und sie haben vor allen Dingen das Bauen aufgegeben. Die kommunalen Wohnungsunternehmen haben jahrelang kaum etwas neu gebaut, und diese Erfahrungen müssen sie jetzt auch zurückholen. Das ist ja fast genauso schwierig, wie jetzt ein neues Unternehmen zu gründen, alles unter diesen Rahmenbedingungen des extremen Kostendrucks.
    Sturmberg: Das heißt, es müssen konkret erst mal Personen …
    Pätzold: Es müssen konkret in den kommunalen Wohnungsunternehmen wieder die Bauabteilungen aufgebaut werden. Das ist in den letzten Jahren aber sukzessive passiert. Dann ist natürlich immer die Frage, wo kriege ich die Grundstücke her, dass die auch nicht zu teuer sind, weil sonst habe ich ja die erste Hypothek, die eigentlich gegen bezahlbares Wohnen spricht, schon im Wohnungsunternehmen drin.
    Einiges passiere - aber "Ergebnisse lassen auf sich warten"
    Sturmberg: Was müsste denn jetzt eine Stadt unternehmen, die möglicherweise noch was im Bestand hat, aber es wohl nicht ausreicht, damit Menschen mit kleinem und auch mittlerem Einkommen bezahlbaren Wohnraum bekommen können? Was müssen die machen? – Sie müssen ihre Bauabteilungen wieder aufbauen. Sie müssen schauen, dass sie an Grundstücke kommen. Geschieht da auch was nach Ihrer Erkenntnis?
    Pätzold: Da geschieht ganz viel, aber die Ergebnisse lassen auf sich warten. Deswegen gibt es natürlich eine große Ungeduld, dass das alles, wenn es geht, in den nächsten zwei Jahren passieren soll. Aber sowohl die Rahmenbedingungen für eine Nachverdichtung von meinetwegen Beständen aus den 50er- bis 70er-Jahren, da muss man mit den Bewohnern reden, und man muss ja auch ein gutes Klima dafür schaffen, dass da etwas dazukommt. Wenn alle dagegen sind, baut es sich auch schlechter. Es ist immer die Frage, welche Grundstücke hat die Kommune noch, wie können die vergeben werden an ein Wohnungsunternehmen, was hat der Bund noch, wie können die vielleicht etwas besser inzwischen an die Kommunen übertragen werden. Das alles sind Fragen, die häufig Zeit brauchen, und eigentlich wächst ja der Druck stündlich, dass die Wohnungen jetzt da sein müssen, und das ist gerade die große Friktion und das große Problem, vor dem alle stehen.
    Sturmberg: Wodurch ist dieser zeitliche Druck entstanden? Weil man das Problem nicht früh genug erkannt oder angegangen ist?
    Pätzold: Das ist die große Frage zwischen Huhn und Ei. Das Problem ist seit Jahren bekannt, aber mit diesen extremen Preissteigerungen ist es immer die Frage, hätte man damit rechnen können, dass die Kurven so steil nach oben gehen. Wohnungspolitik ist langfristig. Wenn ich ein Entwicklungsgebiet ausweise, dann habe ich einfach erst in zehn Jahren dort Wohnungen stehen. Selbst wenn man es in acht Jahren schafft, ist das immer noch viel zu lang. Deswegen ist diese Wahrnehmungslücke, dass man irgendwann mal annahm, die Städte sind gebaut. Dann gab es diese Wachstumsprozesse, vor allen Dingen auch durch Wanderung. Das ist jetzt einfach schwer aufzuholen, und zudem ist das Problem, man will ja auch nicht zu viel bauen. Man will ja jetzt nicht wieder neue Fehlbestände für morgen errichten. Diese Balance, an der werden wir noch eine Weile zu knabbern haben.
    Auch Bund und Kommunen haben Grundstücke zu Höchstpreisen verkauft
    Sturmberg: Ein Problem, was Sie auch gerade schon angesprochen haben, ist die Frage der Übergabe von Grundstücken von der einen öffentlichen Hand in die andere öffentliche Hand. Wenn der Bund noch Bestände hat, zum Beispiel durch Kasernen oder ähnliche Einrichtungen, dann kann man das zwar nutzen. Aber die Übergabe an die Städte zum Beispiel, wie gut funktioniert das?
    Pätzold: Da hat der Streit der letzten Jahre schon etwas gebracht. Es wird immer besser. Das liegt natürlich daran: Beide Institutionen haben irgendwann die Höchstpreislogik gehabt. Der Bund hat zu Höchstpreisen verkauft, die Kommunen haben ihre Grundstücke auch zu Höchstpreisen verkauft. Jetzt wurde in relativ schneller Zeit versucht, daran etwas zu ändern. Und deswegen: Die Kommune reden über Konzeptvorgaben und der Bund hat inzwischen in der BIMA (Bundesinstitut für Immobilienaufgaben), auch in der Haushaltsordnung hingeschrieben, dass sie einfach Grundstücke an die Kommunen übertragen, wenn es dafür Gründe gibt: Kita, sozialer Wohnungsbau, Kultur. Die Möglichkeit wurde eingeräumt. Dass das jetzt im großen Stile sofort in allen Kommunen ankommt, da werden wir mal sehen.
    Sturmberg: Reicht das, nur die Möglichkeit zu eröffnen, oder müsste man daraus nicht sogar auch ein Soll machen?
    Pätzold: Das wäre immer schön, wenn man ein Soll daraus macht. Aber da treffen gewisse Finanzlogiken, dass ein Teil der Einnahmen darüber generiert werden sollen, und die Stadtentwicklungslogiken aufeinander, und die sprechen sehr unterschiedliche Sprachen, die wir besser synchronisieren müssen.
    Sturmberg: Vor allen Dingen, wenn man sie nicht synchronisiert, dann erzeugt man ja wieder Probleme an anderer Stelle, oder nicht?
    Pätzold: Ja, natürlich! Dass sich die öffentliche Hand nicht auch noch selbst als Spekulationstreiber betätigen sollte, das, hoffe ich, ist inzwischen Konsens. Ob es bis in jeden Grundstücksverkauf hinein schon so klappt, das wage ich zu bezweifeln.
    Sturmberg: Jetzt gibt es am Freitag den Wohnungsgipfel oder den Wohnungsbaugipfel. Was würden Sie denn als Ratschlag mit Ihrer Expertise an die Politik geben?
    Wohnungspolitik sollte "langfristig" sein
    Pätzold: Oh! – Das ist ja eine Verhandlung, die wird auf Bundesebene geführt, und es ist immer die Frage dann, wie kommt das an der kommunalen Ebene an. Dafür sind die kommunalen Spitzenverbände mit an Bord. Aber es ist immer die Frage, wie kann man genügend lokale Handlungsmacht geben und trotzdem die Rahmenbedingungen gerecht gestalten. Diesen Spagat muss man immer angucken. Und zu viele Regeln immerwährend zu ändern, wo man überhaupt nicht hinterherkommt, das alles umzusetzen, ist auch nicht gut. Die Wohnungsbaupolitik braucht auch mal etwas Kontinuität und eine längere Sicht. Wir können nicht jede Woche neue Steuererleichterungen, ein neues Gesetz und einen neuen Anreiz verkünden, wer jetzt alles Wohnungen bauen soll. Etwas mehr Konstanz und vor allen Dingen etwas mehr lange Sicht wäre gut. Das verkraftet die Wohnungspolitik und der Wohnungsmarkt eigentlich ganz, ganz schlecht, dieses hoch und runter, und damit muss echt mal Schluss sein.
    Sturmberg: Dieses Verkaufen, wieder neu Aufbauen …
    Pätzold: Das geht doch gar nicht! Dresden hat seine Wohnungsbaugesellschaft verkauft. Wie viele Jahre? – Die brauchen jetzt 100 Jahre, um wieder auf so einen Bestand zu kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.