Wenn man die Zeitläufe vor Augen hat, mutet das Projekt ziemlich abenteuerlich an: 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, überredet der Schriftsteller Stefan Zweig seinen Verleger Anton Kippenberg, eine Reihe mit originalsprachlicher Literatur auf den Weg zu bringen, eine Bibliotheca Mundi. Stendhal und Balzac, Poe und Byron in deren Muttersprache - wer sollte das im ressentimentgeladenen Deutschland lesen, das gerade den Krieg verloren hatte? Durfte man da überhaupt noch Französisch sprechen?
Das ganze Unternehmen zeigt auf's Schönste die Strategien des idealistischen Philanthropen Stefan Zweig, der in dem Moment, da das eroberte Deutschland sich einigelte in seinem Besiegten-Stolz, die Vorhänge wieder aufziehen wollte - durch Literatur. Es ist ein feiner, ein rührender Glaube an die Kraft des Geistes "Lieber verehrter Herr Professor!" So umschmeicheln Zweigs Schreibmaschinen-Briefe den Verleger, und diese beiden sind ein kurioses Paar: hier der aus dem gebildeten Wiener Judentum kommende Zweig, dort der nationalkonservative Kippenberg, eher ein Kaufmanns-Typ, der den Leipziger Insel-Verlag leitet. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist Goethe - und dessen Begriff der Weltliteratur. Und doch ist Kippenberg, mitten in der Geldentwertung, vor allem durch ökonomische Argumente zu überzeugen, sagt die Kuratorin Sonja Lehmann:
"" Als Zweig ihm dann in einem Brief dezidiert vorrechnet, was französische Bücher derzeit in Deutschland auf dem Markt kosten, dass es sich tatsächlich die große Schicht gar nicht leisten kann, gerade französische Literatur im Original zu kaufen, ist dann das schlagende Argument für Kippenberg - und er sagt dann, ja, das machen wir."
Der Kosmopolit Stefan Zweig war im Ausland bekannter als im deutschsprachigen Raum, und im politischen Chaos der Weimarer Republik träumte er sich eine Ersatzgemeinschaft der Gebildeten herbei. Die "Weltbibliothek" des Insel-Verlags gab ihm nun die Gelegenheit, seinen ganz persönlichen Kanon, seine Ersatz-Universität zu etablieren. Ende 1920 erschienen die ersten Bände, darunter Baudelaires "Fleurs du Mal". Geplant waren Werke von Musset, Spinoza und Cervantes, Anthologien zur russischen und Schweizer Lyrik. Eine zweite Reihe auf Dünndruck-Papier, "Libri Librorum", brachte Klassiker von Homer bis Dante, eine dritte, preisgünstigere Sammlung, "Pandora" genannt, griff die berühmten Jugendstil-Einbände der Insel-Bibliothek auf und kündigte im Programm politische Schriften von Benjamin Franklin bis Madame de Sévigné an, aber auch die hebräische Hagadah, Luther, Jacob Böhme, Schuberts Winterreise, Aristophanes und Lope de Vega.
Es ist ein emphatischer, ein allumfassender Bildungsbegriff, der hier noch einmal kurz triumphiert und dann in sich zusammenfällt. Musik, Kunst, Philosophie, Literatur - an der Internationale des Geistes soll die Welt genesen, eine Sammlung der "Meisterwerke aller Völker und Zeiten", wie es in einer groß aufgemachten Verlags-Ankündigung heißt. Zweig wirkt wie ein früher Vorläufer von Hans Magnus Enzensberger, der auch nur verlegte, was er nicht missen mochte. Immerhin 14 der schön gemachten Bibliotheca-Mundi-Bücher sind erschienen und über 50 der "Pandora"-Reihe - sie liegen nun unter Marbacher Vitrinen, ebenso wie Beispiele der umfangreichen Korrespondenz zwischen Zweig und Kippenberg, die tief in die Verlagsarbeit hineinwirkte - so die Kuratorin Sonja Lehmann.
" So wie heute ein E-Mail für eine Arbeitsanweisung in die verschiedenen Abteilungen weitergeleitet wird, so wurden damals die Briefe, die Zweig geschrieben hat, auch im Insel-Verlag in die einzelnen Abteilungen gegeben als Arbeitsgrundlage ... "
Thomas Mann rezensiert die Reihe gefälligkeitshalber und ist natürlich voll des Lobes, aber selbst die kleine Auflage von 5000 Stück geht nicht weg - auch die Gebildeten haben in der Weimarer Zeit offenbar andere Sorgen. Auch im Ausland verkaufen sich die Originaltexte auf Griechisch und Russisch nicht recht - obgleich Verleger Kippenberg sogar eine "Gesellschaft für Auslandsbuchhandel" gegründet hatte. "Die englischen Bände der Bibliotheca Mundi und der Pandora liegen wie Blei", schreibt Kippenberg im März 1924 - und stellt das ganze Unternehmen ein. Vielleicht ist das auch ein Vorausschein auf das spätere Scheitern des Juden Stefan Zweig, der in der Welt des Geistes die Gemeinschaft suchte, die ihm in der Gesellschaft versagt blieb.
Das ganze Unternehmen zeigt auf's Schönste die Strategien des idealistischen Philanthropen Stefan Zweig, der in dem Moment, da das eroberte Deutschland sich einigelte in seinem Besiegten-Stolz, die Vorhänge wieder aufziehen wollte - durch Literatur. Es ist ein feiner, ein rührender Glaube an die Kraft des Geistes "Lieber verehrter Herr Professor!" So umschmeicheln Zweigs Schreibmaschinen-Briefe den Verleger, und diese beiden sind ein kurioses Paar: hier der aus dem gebildeten Wiener Judentum kommende Zweig, dort der nationalkonservative Kippenberg, eher ein Kaufmanns-Typ, der den Leipziger Insel-Verlag leitet. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist Goethe - und dessen Begriff der Weltliteratur. Und doch ist Kippenberg, mitten in der Geldentwertung, vor allem durch ökonomische Argumente zu überzeugen, sagt die Kuratorin Sonja Lehmann:
"" Als Zweig ihm dann in einem Brief dezidiert vorrechnet, was französische Bücher derzeit in Deutschland auf dem Markt kosten, dass es sich tatsächlich die große Schicht gar nicht leisten kann, gerade französische Literatur im Original zu kaufen, ist dann das schlagende Argument für Kippenberg - und er sagt dann, ja, das machen wir."
Der Kosmopolit Stefan Zweig war im Ausland bekannter als im deutschsprachigen Raum, und im politischen Chaos der Weimarer Republik träumte er sich eine Ersatzgemeinschaft der Gebildeten herbei. Die "Weltbibliothek" des Insel-Verlags gab ihm nun die Gelegenheit, seinen ganz persönlichen Kanon, seine Ersatz-Universität zu etablieren. Ende 1920 erschienen die ersten Bände, darunter Baudelaires "Fleurs du Mal". Geplant waren Werke von Musset, Spinoza und Cervantes, Anthologien zur russischen und Schweizer Lyrik. Eine zweite Reihe auf Dünndruck-Papier, "Libri Librorum", brachte Klassiker von Homer bis Dante, eine dritte, preisgünstigere Sammlung, "Pandora" genannt, griff die berühmten Jugendstil-Einbände der Insel-Bibliothek auf und kündigte im Programm politische Schriften von Benjamin Franklin bis Madame de Sévigné an, aber auch die hebräische Hagadah, Luther, Jacob Böhme, Schuberts Winterreise, Aristophanes und Lope de Vega.
Es ist ein emphatischer, ein allumfassender Bildungsbegriff, der hier noch einmal kurz triumphiert und dann in sich zusammenfällt. Musik, Kunst, Philosophie, Literatur - an der Internationale des Geistes soll die Welt genesen, eine Sammlung der "Meisterwerke aller Völker und Zeiten", wie es in einer groß aufgemachten Verlags-Ankündigung heißt. Zweig wirkt wie ein früher Vorläufer von Hans Magnus Enzensberger, der auch nur verlegte, was er nicht missen mochte. Immerhin 14 der schön gemachten Bibliotheca-Mundi-Bücher sind erschienen und über 50 der "Pandora"-Reihe - sie liegen nun unter Marbacher Vitrinen, ebenso wie Beispiele der umfangreichen Korrespondenz zwischen Zweig und Kippenberg, die tief in die Verlagsarbeit hineinwirkte - so die Kuratorin Sonja Lehmann.
" So wie heute ein E-Mail für eine Arbeitsanweisung in die verschiedenen Abteilungen weitergeleitet wird, so wurden damals die Briefe, die Zweig geschrieben hat, auch im Insel-Verlag in die einzelnen Abteilungen gegeben als Arbeitsgrundlage ... "
Thomas Mann rezensiert die Reihe gefälligkeitshalber und ist natürlich voll des Lobes, aber selbst die kleine Auflage von 5000 Stück geht nicht weg - auch die Gebildeten haben in der Weimarer Zeit offenbar andere Sorgen. Auch im Ausland verkaufen sich die Originaltexte auf Griechisch und Russisch nicht recht - obgleich Verleger Kippenberg sogar eine "Gesellschaft für Auslandsbuchhandel" gegründet hatte. "Die englischen Bände der Bibliotheca Mundi und der Pandora liegen wie Blei", schreibt Kippenberg im März 1924 - und stellt das ganze Unternehmen ein. Vielleicht ist das auch ein Vorausschein auf das spätere Scheitern des Juden Stefan Zweig, der in der Welt des Geistes die Gemeinschaft suchte, die ihm in der Gesellschaft versagt blieb.