Stefan Schmidt steht vor einem riesigen Wandspiegel, zweimal ein Meter groß. Er setzt den Akkuschrauber an, will die Schrauben lösen. Ein langer Riss durchzieht den Spiegel, also muss er weg aus der Spielecke im Hamburger Kindergarten "Die Schmuddelkinder".
"Ja, wir bauen hier heute Morgen mal einen Spiegel ab, der leider etwas zu Bruch gegangen ist; beim Spielen passiert. Das bleibt nicht aus."
Ringsum stehen Jungen und Mädchen zwischen drei und sechs, halten brav Abstand, schauen neugierig zu. Der junge Vater nimmt den Schraubenzieher zur Hand, schraubt weiter und erklärt, warum, wie in anderen Einrichtungen üblich, diese Aufgabe nicht vom Handwerker erledigt wird:
"Weil der Geld kostet. Und wir haben ja auch ein Interesse daran, dass das Ganze hier bezahlbar bleibt. Das ist ja ein sehr schöner Kinderladen, kein städtischer Träger, sondern ein Verein. Und damit das funktioniert, und wir diese schöne Betreuung weiterhin haben können, müssen da auch alle ein bisschen anpacken mal."
Stefan Schmidt legt sein Werkzeug beiseite, hebt vorsichtig den Spiegel aus der Verankerung. Normalerweise betreut in Hamburger Kindergärten eine Erzieherin oder ein Erzieher maximal elf, im Verein "Die Schmuddelkinder" dagegen neun Kinder. Geld, das die Eltern durch ihre Mitarbeit einsparen, steckt der Verein in einen besseren Betreuungsschlüssel. Eine Leistung, die der Staat nicht erbringt. Fühlt Stefan Schmidt sich deshalb als Held eines Bildungssystems, in dem sich Eltern immer öfter engagieren müssen? Seine Antwort fällt knapp aus, bescheiden: Schmidt schüttelt den Kopf und lächelt, packt den Spiegel und trägt ihn raus.
Im Raum nebenan ist die Küche untergebracht, Zettel an den Wänden geben Auskunft darüber, wer wann den Abwasch machen und die Geschirrtücher waschen muss.
Vorn im Kinderladen verabschieden einige Kinder ihre Eltern, schubsen sie mit viel Anlauf nach draußen. Vor der Tür steht Kathrin Wittmarck, sie ist Lehrerin und findet das Elternengagement im Kindergarten unverzichtbar:
"Wenn wir als Eltern da nicht massiv mitarbeiten, dann würde das überhaupt nicht laufen. Die müssen ja auch mal eine Fortbildung machen, dann gibt es keinerlei Betreuung und dann müssen natürlich die Eltern einspringen. Und in der Schule ist es genauso: Ich sehe durchaus, dass die Eltern dort ganz viel machen müssen, damit der Laden läuft."
In der Schule, berichtet Kathrin Wittmarck, müssen die Eltern für Betreuung sorgen, wenn Unterricht ausfällt, bei Festen für das Buffet sorgen und sich auch finanziell daran beteiligen. Für den Kindergarten zahlt sie monatlich rund 300 Euro, muss deshalb mehr arbeiten und hat weniger Zeit für ihre Kinder. Vom Staat wünscht sie sich deshalb die Übernahme dieser Kosten. Ob sie ihr Engagement dann einstellen würde?
"Ich bin da zwiegespalten, weil ich sage: Ich selber muss arbeiten und kann es manchmal gar nicht leisten, aber es wird die Forderung gestellt, auch hier schon im Kinderladen: Abwaschdienst oder sonst etwas. Und ich kriege das oft gar nicht untergebracht. Was mich wirklich unter Stress stellt, weil ich denke: Eigentlich ist mein Tag schon voll genug. Und andererseits möchte man gerne mittendrin sein. Das ist ja auch eine Kontaktmöglichkeit und ich gestalte mit, kriege mit, was da passiert. Und wenn ich das nicht hätte, wäre es vielleicht nur so ein Abliefern und wieder Abholen."
Kathrin Wittmarck zieht die Schultern hoch, verabschiedet sich, muss an den Schreibtisch, trotz Ferienzeit in Hamburg. Dass elterliche Mitarbeit in vielen Schulen heutzutage zwingend nötig ist, bestätigt Peter Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Elternkammer. Er hat sein Büro im zweiten Stock der Bildungsbehörde, im grauen Betonbau in Hamburg-Barmbek. Untersuchungen und Statistiken zum elterlichen Engagement in Schule und Vorschule gibt es nicht, so Albrecht. Aber Erfahrungen mit den Nebenwirkungen der verstärkten Elternarbeit, denn die können nicht alle leisten:
"Das geht natürlich nur, wenn es zu Hause einen Hauptverdiener gibt, der genug Geld hat, damit der andere Elternteil nicht berufstätig sein muss. Und dann kann man sich einbringen. Und man kann sich vorstellen: Es gibt bestimmte Stadtteile, wo das stärker der Fall ist, dass Eltern sich einbringen, und es gibt andere - eher benachteiligte - Stadtteile, wo das schwierig ist, Eltern für so etwas zu finden."
Und so, erklärt Albrecht, entstehe ein Zwei-Klassen-Bildungssystem. So verstärke sich die Benachteiligung der Kinder in armen Vierteln. Dort fänden sich keine Eltern, die eine Hortbetreuung organisierten oder als Hilfspädagogen den Lehrermangel kompensierten - dies geschieht nach Albrecht Schätzungen mittlerweile an rund der Hälfte der Hamburger Gymnasien. Hält er die Eltern für Helden des Bildungssystems?
"Sind sie auf jeden Fall! Gar keine Frage: Eltern sind für mich Helden des Alltags! Zumindest was Schule betrifft - andere Bereiche kenne ich nicht so gut. Aber in diesem Bereich: auf jeden Fall!"
"Ja, wir bauen hier heute Morgen mal einen Spiegel ab, der leider etwas zu Bruch gegangen ist; beim Spielen passiert. Das bleibt nicht aus."
Ringsum stehen Jungen und Mädchen zwischen drei und sechs, halten brav Abstand, schauen neugierig zu. Der junge Vater nimmt den Schraubenzieher zur Hand, schraubt weiter und erklärt, warum, wie in anderen Einrichtungen üblich, diese Aufgabe nicht vom Handwerker erledigt wird:
"Weil der Geld kostet. Und wir haben ja auch ein Interesse daran, dass das Ganze hier bezahlbar bleibt. Das ist ja ein sehr schöner Kinderladen, kein städtischer Träger, sondern ein Verein. Und damit das funktioniert, und wir diese schöne Betreuung weiterhin haben können, müssen da auch alle ein bisschen anpacken mal."
Stefan Schmidt legt sein Werkzeug beiseite, hebt vorsichtig den Spiegel aus der Verankerung. Normalerweise betreut in Hamburger Kindergärten eine Erzieherin oder ein Erzieher maximal elf, im Verein "Die Schmuddelkinder" dagegen neun Kinder. Geld, das die Eltern durch ihre Mitarbeit einsparen, steckt der Verein in einen besseren Betreuungsschlüssel. Eine Leistung, die der Staat nicht erbringt. Fühlt Stefan Schmidt sich deshalb als Held eines Bildungssystems, in dem sich Eltern immer öfter engagieren müssen? Seine Antwort fällt knapp aus, bescheiden: Schmidt schüttelt den Kopf und lächelt, packt den Spiegel und trägt ihn raus.
Im Raum nebenan ist die Küche untergebracht, Zettel an den Wänden geben Auskunft darüber, wer wann den Abwasch machen und die Geschirrtücher waschen muss.
Vorn im Kinderladen verabschieden einige Kinder ihre Eltern, schubsen sie mit viel Anlauf nach draußen. Vor der Tür steht Kathrin Wittmarck, sie ist Lehrerin und findet das Elternengagement im Kindergarten unverzichtbar:
"Wenn wir als Eltern da nicht massiv mitarbeiten, dann würde das überhaupt nicht laufen. Die müssen ja auch mal eine Fortbildung machen, dann gibt es keinerlei Betreuung und dann müssen natürlich die Eltern einspringen. Und in der Schule ist es genauso: Ich sehe durchaus, dass die Eltern dort ganz viel machen müssen, damit der Laden läuft."
In der Schule, berichtet Kathrin Wittmarck, müssen die Eltern für Betreuung sorgen, wenn Unterricht ausfällt, bei Festen für das Buffet sorgen und sich auch finanziell daran beteiligen. Für den Kindergarten zahlt sie monatlich rund 300 Euro, muss deshalb mehr arbeiten und hat weniger Zeit für ihre Kinder. Vom Staat wünscht sie sich deshalb die Übernahme dieser Kosten. Ob sie ihr Engagement dann einstellen würde?
"Ich bin da zwiegespalten, weil ich sage: Ich selber muss arbeiten und kann es manchmal gar nicht leisten, aber es wird die Forderung gestellt, auch hier schon im Kinderladen: Abwaschdienst oder sonst etwas. Und ich kriege das oft gar nicht untergebracht. Was mich wirklich unter Stress stellt, weil ich denke: Eigentlich ist mein Tag schon voll genug. Und andererseits möchte man gerne mittendrin sein. Das ist ja auch eine Kontaktmöglichkeit und ich gestalte mit, kriege mit, was da passiert. Und wenn ich das nicht hätte, wäre es vielleicht nur so ein Abliefern und wieder Abholen."
Kathrin Wittmarck zieht die Schultern hoch, verabschiedet sich, muss an den Schreibtisch, trotz Ferienzeit in Hamburg. Dass elterliche Mitarbeit in vielen Schulen heutzutage zwingend nötig ist, bestätigt Peter Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Elternkammer. Er hat sein Büro im zweiten Stock der Bildungsbehörde, im grauen Betonbau in Hamburg-Barmbek. Untersuchungen und Statistiken zum elterlichen Engagement in Schule und Vorschule gibt es nicht, so Albrecht. Aber Erfahrungen mit den Nebenwirkungen der verstärkten Elternarbeit, denn die können nicht alle leisten:
"Das geht natürlich nur, wenn es zu Hause einen Hauptverdiener gibt, der genug Geld hat, damit der andere Elternteil nicht berufstätig sein muss. Und dann kann man sich einbringen. Und man kann sich vorstellen: Es gibt bestimmte Stadtteile, wo das stärker der Fall ist, dass Eltern sich einbringen, und es gibt andere - eher benachteiligte - Stadtteile, wo das schwierig ist, Eltern für so etwas zu finden."
Und so, erklärt Albrecht, entstehe ein Zwei-Klassen-Bildungssystem. So verstärke sich die Benachteiligung der Kinder in armen Vierteln. Dort fänden sich keine Eltern, die eine Hortbetreuung organisierten oder als Hilfspädagogen den Lehrermangel kompensierten - dies geschieht nach Albrecht Schätzungen mittlerweile an rund der Hälfte der Hamburger Gymnasien. Hält er die Eltern für Helden des Bildungssystems?
"Sind sie auf jeden Fall! Gar keine Frage: Eltern sind für mich Helden des Alltags! Zumindest was Schule betrifft - andere Bereiche kenne ich nicht so gut. Aber in diesem Bereich: auf jeden Fall!"