Archiv

Bildungsforschung in der Kritik
Philologenverband bezeichnet Pisa-Studie als Geldverschwendung

Über Sinn und Zweck der Pisa-Studie wird seit Beginn der Untersuchungen im Jahr 2000 heftig gestritten: Jetzt kommt wieder einmal Kritik daran auf. Der Philologenverband Rheinland-Pfalz hält die internationale Schüler-Vergleichsuntersuchung für eine Beleidigung der Steuerzahler und für reine Geldverschwendung. Die Ergebnisse seien banal.

Von Alexander Musik |
    Schüler lernen in einem Klassenzimmer an einer Hauptschule in Arnsberg (Sauerland).
    Die vielen Millionen, die in die Pisa-Studie fließen, sähe der Philologenverband Rheinland-Pfalz lieber in mehr Lehrer und besser ausgestattete Schulen investiert. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Kürzlich veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, eine Studie mit Daten der Pisa-Tests von 2003 bis 2012. Sie war der Anlass, dass Cornelia Schwartz vom Philologenverband Rheinland-Pfalz der Kragen platzte: Jeder fünfte 15-jährige Schüler in Deutschland sei zumindest teilweise leistungsschwach, war ein Ergebnis der Studie, so Schwartz.
    "Wir sehen eine große Banalität der Ergebnisse. Wir haben in dem zweiseitigen Abstract, das PISA angefertigt hat zu Deutschland, den Länderbericht, haben wir die Aussage: Schwache Schüler machen weniger Hausaufgaben, schwänzen häufiger, sind an Schulen mit höherem Unterrichtsausfall. Das kann eigentlich nicht alles sein für das Geld, was da draufgeht."
    Doch wie viel Geld geht für die Pisa-Studien, die alle drei Jahre durchgeführt werden, wirklich drauf? OECD-Sprecher Matthias Rumpf sagt, da viele Akteure an PISA im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgaben mitwirken, seien die Gesamtkosten nur schwer abzuschätzen."Allein die Teilnahme an PISA kostet 182.000 Euro. Laut Cornelia Schwartz sind Kosten in Höhe von 60 Millionen Euro für die vergangenen 15 Jahre aufgelaufen.
    "Das summiert sich insgesamt auf pro Jahr 3,9 Millionen Euro in ganz Deutschland."
    "Pisa steuert uns in eine falsche Richtung"
    Stimmen diese Zahlen? Bund und Länder, die PISA finanzieren, machen eine andere Rechnung auf. Der Bund steuerte nach eigenen Angaben 6,3 Millionen Euro für die bisherigen Zyklen bei, die Länder trugen laut Kultusministerkonferenz pro Jahr rund eine Million. Also 15 Millionen bislang. Macht zusammengerechnet 21,5 Millionen Euro, das Startgeld von 182.000 Euro eingerechnet. Geld, das Cornelia Schwartz lieber für mehr Lehrer und besser ausgestattete Schulen ausgeben würde. Eckhard Klieme ist Professor am Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung, das maßgeblich an der Pisa-Studie beteiligt ist, für ihn stehen Aufwand und Ergebnis in einem guten Verhältnis.
    "Weil Pisa uns geholfen hat, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen auf Kernprobleme, die nicht nur die Schulen, sondern auch das Aufwachsen von Jugendlichen in der heutigen Zeit anbelangen. Beispielsweise über die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund, über deren Bildungswege, über deren familiäre und schulische Situation. Die Herrschaften vom Philologenverband und andere Kritiker lesen ja nicht die Publikationen, die aus Pisa entstehen. Sie beschäftigen sich auch nicht mit den Daten! Die meisten Kritiker nehmen das gar nicht zur Kenntnis - sie nehmen nur das Ranking zur Kenntnis, und ich wiederhole mich: Das Ranking ist trivial aber Pisa ist nicht trivial."
    Für Cornelia Schwartz vom Philologenverband ist hingegen nicht nur das Ranking trivial. Sie und ihr Verband fordern, Deutschland solle aus der Pisa-Studie aussteigen. Beispiel Finnland: Schwartz ärgerte sich, als sich herausstellte, dass das sehr gute Abschneiden Finnlands gar nicht auf die integrativen Unterrichtsmethoden zurückzuführen war, sondern auf traditionellen Fachunterricht mit gut ausgebildeten Pädagogen.
    "Pisa steuert uns in eine falsche Richtung, indem wir ständig zurückgemeldet bekommen, dass wir Schüler möglichst wenig nach Leistung trennen sollen. Die Finnen gehen den umgekehrten Weg wieder, die richten wieder Spezialklassen für Förderschüler ein."
    Kritiklos steht übrigens auch Bildungsforscher Klieme den Pisa-Studien nicht gegenüber.
    "Ich denke auch, dass wir nicht alle drei Jahre diese Daten brauchen, ich denke, wenn Pisa alle vier oder fünf Jahre laufen würde, dann wäre das ausreichend, das gehört zu den Dingen, die leider politisch noch nicht ausreichend durchdiskutiert sind."