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"Bildwarnhinweise sind sicherlich erschreckend"

Das EU-Parlament hat Schockbilder auf Zigarettenschachten beschlossen. Bei der neuen Tabakrichtlinie gehe es weniger um sinnvolle Konsumentenaufklärung, sondern darum ein Produkt zu diskreditieren, sagt Alexander Manderfeld vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie.

Alexander Manderfeld im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Mario Dobovisek: Mit Schockbildern und größeren Warnhinweisen auf den Zigarettenpackungen sollen in der Europäischen Union vor allem junge Menschen verstärkt vom Rauchen abgehalten werden. Einer entsprechenden Neuregelung hat das Europaparlament mit sehr großer Mehrheit gestern zugestimmt. Demnach sollen künftig 65 Prozent der Verpackungsfläche mit abschreckenden Bildern, zum Beispiel von Raucherbeinen, und Warnungen wie "Rauchen tötet" bedeckt sein. Darüber sprach mein Kollege Tobias Armbrüster am Abend mit Alexander Manderfeld, dem Sprecher des Verbandes der deutschen Rauchtabakindustrie. Seine erste Frage lautete: Hatten Sie eine solche Zigarettenpackung schon einmal in der Hand?

    Alexander Manderfeld: Ja, das habe ich.

    Tobias Armbrüster: Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen, als Sie das gesehen haben?

    Manderfeld: Das sind schon Bilder, die durchaus eine Schockwirkung haben und auch eklig wirken auf den Konsumenten und nicht gerade zu Jubelschreien verführen.

    Armbrüster: Also durchaus ein gutes Mittel, um junge Leute vom Rauchen abzuhalten?

    Manderfeld: Bildwarnhinweise sind sicherlich erschreckend und führen sicherlich dazu, dass man darüber nachdenkt. Ob die aber nachher zu einer veränderten Konsumverhaltung führen, bleibt dahingestellt. Es gibt verschiedenste Studien, die einmal das eine sagen, das wäre so, und es gibt auch Studien, sicherlich nicht Studien der Tabakwirtschaft, sondern andere Studien, die sagen, es würde nachher beim Konsumverhalten keine veränderten Verhaltensweisen nachgewiesen. Es gibt aber auch in Deutschland Studien oder auch Literatursammlungen, die auch vom Bundesministerium der Gesundheit veröffentlicht worden sind, und da wurde auch diese Frage untersucht. Und da wurde festgestellt, dass das zunächst mal eine Wirkung hat. Das ist vollkommen klar, wenn man so ein Bild zum ersten Mal sieht. Aber es wurde nachher auch festgestellt, dass das Konsumverhalten sich dann kaum verändern wird.

    Armbrüster: Wenn wir uns mal vor Augen halten, was da heute in der Tabakrichtlinie im EU-Parlament beschlossen wurde, können wir dann sagen, dass das heute ein guter Tag war für den Gesundheitsschutz in Deutschland und in Europa?

    Manderfeld: Ich kann jetzt nicht über den Gesundheitsschutz in Deutschland und Europa urteilen. Ich kann jetzt aus Sicht der mittelständischen Tabakunternehmen, die verschiedenste Tabake, Pfeifen-, Kau-, Schnupftabake und Zigarren- und Zigarillo-Importeure vertreten, urteilen, und da denke ich, dass es kein guter Tag war, insbesondere für mittelständische Unternehmen, kein guter Tag war für die Verbraucher, die, denke ich, hinlänglich über die Gefahren, die mit Tabakprodukten verbunden sind, durch die aktuellen Warnhinweise, die ja bereits sehr groß sind, informiert sind. Es gibt auch viele weitere Probleme, die insbesondere den Mittelstand treffen. Bei den Warnhinweisen mal angefangen, ganz kurz: Da ist es so, dass die Warnhinweise auf die obere Kante der Tabakerzeugnisse aufgedruckt werden müssen. Gleichzeitig müssen aber auf der oberen Kante auch zum Beispiel bei den Dosen beim Feinschnitt die Steuerbandarole aufgebracht werden. Beides schließt sich einander aus. Das steht ausdrücklich in der Richtlinie, dass nichts in die Warnhinweise reinreichen darf. Wir haben gesagt, um das technisch zu lösen, wäre es sinnvoll, die Warnhinweise an der unteren Kante zu zentrieren. Das würde uns oben in dem Bereich die Möglichkeit geben, die Steuerbandarole, die ja sehr, sehr wichtig ist, weiterhin dort anzubringen wie bisher.

    Armbrüster: Ist Ihre Branche denn nicht, diese mittelständischen Hersteller, sind die nicht auch mitverantwortlich für die vielen, für die Hunderttausenden von Toten, die jedes Jahr durch Krebserkrankungen und andere, durch Tabak verursachte Krankheiten zugrunde gehen und sterben?

    Manderfeld: Tabak ist generell ein gesundheitlich bedenkliches Produkt. Das ist vollkommen klar. Es ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden wie Alkohol im Übermaß auch. Aber wir sehen es doch hier bei unseren Produkten: Es sind Produkte, die sich an erwachsene und informierte Konsumenten richten, die auch, davon gehen wir aus, eine freie Entscheidung treffen, ob sie diese Produkte konsumieren oder nicht.

    Armbrüster: In der Tabakindustrie und gerade auch in der Werbung geht es ja selten um richtig handfeste Informationen, sondern eher um Emotionen, und genau auf dieser Ebene antwortete ja jetzt unter anderem die Tabakrichtlinie mit diesen emotionalen Bildern, die auf die Packung draufkommen.

    Manderfeld: Dann muss man natürlich die Diskussion, wenn man diese Grundsatzdiskussion führt über die Gesundheitsschädlichkeit von Tabakerzeugnissen, die kann man so weit führen, dass man sagt, wir verbieten Tabakerzeugnisse generell, weil sie diese Risiken in sich bergen. Dann macht es wenig Sinn, eine scheinheilige Debatte zu führen, inwieweit jetzt Bildwarnhinweise größer oder sonstige, noch weitere Beschränkungen erlassen werden. Dann müsste man konsequent sein und sagen, wir wollen das Produkt verbieten.

    Armbrüster: Na ja, aber da sind die Gesetzgeber dann freiheitlich und liberal genug und sagen, diese letztendliche Entscheidung, die überlassen wir den Konsumenten.

    Manderfeld: Genau, und das sagen wir auch. Ein Konsumente sollte auch informiert werden über die Gefahren der Produkte. Wir denken, dass die heutigen Warnhinweise, die relativ groß auf den Verpackungen drauf sind, hinreichend darüber informieren, und wir denken auch, dass es eine sinnvolle Tabakregulierung weiter geben muss. Das ist vollkommen klar. Aber wir denken, dass mit dem jetzigen Richtlinienentwurf da eine Grenze überschritten wurde, denn ich denke, es geht weniger darum, sinnvolle Konsumentenaufklärung zu betreiben, sondern ein Produkt zu diskreditieren.

    Armbrüster: Aber ist es nicht gut, ein Produkt zu diskreditieren, was zum Tod von Hunderttausenden von Menschen führt?

    Manderfeld: Wäre es dann nicht besser, ein Produkt zu verbieten? Die EU traut sich einerseits irgendwo nicht, den Schritt zu machen, dem Konsumenten das Produkt zu verbieten. Auf der anderen Seite setzt man alle Hebel in Bewegung, das Produkt so unattraktiv wie möglich zu gestalten. Da fehlt mir ein bisschen Aufrichtigkeit in der Debatte auch.

    Dobovisek: Alexander Manderfeld vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie und die Fragen stellte mein Kollege Tobias Armbrüster.


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