Freitag, 19. April 2024

Archiv

Blick in die Tiefen des Alls
China plant Weltraumteleskop

Für die Chinesen ist es eine technische Premiere: Ein von der Volksrepublik geplantes optisches Großteleskop soll die äußersten Bereiche des Sonnensystems erkunden. Vorbild ist das Weltraumteleskop Hubble. Internationale Partner werden noch gesucht.

Von Dirk Lorenzen | 29.08.2018
    Das Bild zeigt, wie das Space Shuttle Discovery das Weltraumteleskop Hubble aussetzt.
    Das Space Shuttle Discovery, während es das Weltraumteleskop Hubble aussetzt. Hubble ist Vorbild für das geplante chinesische Weltraumteleskop. (picture alliance / dpa)
    Nach fast 30 Jahren im All steht das Hubble-Weltraumteleskop kurz vor dem Aus – denn nach dem Ende der Space Shuttle-Flüge sind keine Wartungsmissionen mehr möglich. NASA und ESA wollen in drei Jahren das James-Webb-Teleskop starten, das aber nicht in der Erdumlaufbahn arbeiten wird, sondern weit jenseits des Mondes. China dagegen setzt auf einen echten Hubble-Nachfolger, erklärt Hu Zhan, Astronom an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking:
    "Wir planen ein Weltraumteleskop mit zwei Metern Durchmesser – es ist fast so wie groß wie Hubble. Das Teleskop kommt auf die gleiche Umlaufbahn wie die künftige chinesische Raumstation. Beim Beobachten ist es weit von den Modulen entfernt, aber es fliegt bei Bedarf zur Station. Dann können die Astronauten das Teleskop warten, auftanken oder mit neuen Instrumenten ausstatten."
    Chinas große Raumstation soll in etwa zwei Jahren ins All starten. Sie wäre dann der Ausgangspunkt für das Weltraumteleskop, das ab 2024 im Einsatz sein soll. So wie Hubble fünfmal von Astronauten besucht und generalüberholt wurde, werden sich auch Chinas Raumfahrer um das Weltraumteleskop kümmern. Das neue Instrument heißt bisher einfach "Chinese Space Station – Optical Survey", also Chinesische Raumstation, Optischer Überblick.
    Blick in die äußersten Bereiche des Sonnensystems
    Der Name ist Programm: "Unser Teleskop hat ein sehr großes Blickfeld, viel größer als das von Hubble. Wir machen Himmelsdurchmusterungen über einen weiten Wellenlängenbereich vom nahen Ultraviolett bis zum Infrarot. Gleichzeitig nimmt das Teleskop auch noch die Spektren der Objekte auf."
    Fast die Hälfte der gesamten Himmelskugel soll Chinas Weltraumteleskop erfassen. Einzelne Felder werden besonders lange beobachtet, um auch noch das Licht der schwächsten Objekte zu empfangen. Diese Daten werden unter anderem helfen, die äußersten Bereiche des Sonnensystems zu erkunden, Gas und Sterne in der Milchstraße zu untersuchen und die Entwicklung ferner Galaxien zu erforschen.
    "Ich bin Kosmologe und untersuche die großräumige Struktur des Kosmos, also wo sich große Ansammlungen von Galaxien und Dunkler Materie befinden. Mich interessiert vor allem, wie die massereichen Strukturen im Kosmos mit ihrer Anziehungskraft das Licht der Himmelsobjekte etwas ablenken. Dadurch erscheinen die Galaxien an unserem Himmel minimal verformt – und genau das können wir mit einem Teleskop vom Weltraum aus bestens beobachten."
    In sechs Jahren sollen die Beobachtungen beginnen
    China wagt sich mit diesem Projekt auf technisches Neuland. Das Reich der Mitte hat kaum Erfahrung mit optischen Großteleskopen, weder am Boden noch im Weltraum. Doch China verfolgt sein Raumfahrtprogramm ebenso ehrgeizig wie konsequent. Und Hu Zhan hat lange in den USA an der Entwicklung eines Großteleskops mitgearbeitet. Bei Chinas Weltraumteleskop ist man – wie generell auch bei der Raumstation – offen für Partner aus aller Welt.
    "Bei einem Projekt dieser Größenordnung spielt die internationale Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle. Wir haben mit vielen Partnern gesprochen und Vertrauen aufgebaut, aber es gibt noch kein formales Mitwirken. Dieses Weltraumteleskop wird ein Flaggschiff der 2020er und 30er Jahre – und ich hoffe, dass sich viele Astronomen begeistert daran beteiligen."
    Bisher ist das Teleskop ein rein chinesisches Projekt und viele Teile sind bereits in Bau. Läuft alles glatt, könnte das Instrument in etwa sechs Jahren erstmals in die Tiefen des Alls blicken. Bis dahin ist noch zu entscheiden, was mit den Beobachtungsdaten geschieht. Zu einem Flaggschiff der Astronomie kann das neue Weltraumteleskop wohl nur werden, wenn die Daten – wie bei Hubble und James Webb – weltweit offen zugänglich sind.