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Blockchain Stories
#1 Blockchain für Dummies erklärt

Wohl kaum ein anderes Phänomen wird in der Netzkultur so stark diskutiert wie die Blockchain. Ein Heilsbringer soll sie sein, der die Macht hat, das Internet zu verändern und viele Probleme der Zukunft zu lösen. Wie sie funktioniert, wissen aber nur die wenigsten. Ein Erklärungsversuch.

Von Philip Banse | 08.01.2019
    Blockchain technology, conceptual illustration Blockchain technology concept. Holograms symbol of bitcoin and padlock on digital background. 3D illustration. PUBLICATIONxINxGERxSUIxHUNxONLY SERGIIxIAREMENKO/SCIENCExPHOTOxLIBRARY F022/9364
    Die Bedeutung der Blockchain wird mit der Erfindung der Schrift verglichen. Schon bald soll sie das Internet revolutionieren, meinen Idealisten. (imago / Sergej Iaremenko)
    Die Blockchain ist eigentlich ein dezentrales Register, in dem steht, wem was gehört und wann etwas den Besitzer gewechselt hat. Dieses Register liegt nicht an einem zentralen Ort, sondern ist auf verschiedenen Rechnern verteilt, die miteinander vernetzt sind. Darüber hinaus ist dieses Register kaum zu fälschen. Um das Prinzip der Blockchain deutlich zu machen, spielen wir das mal durch - sagen wir mit Grundstücken.
    Grundstückshandel in der Blockchain
    Grundstücke werden heute in einem Amt verwaltet, dem Grundbuchamt. Die Beamten tragen ein, wenn Grundstücke den Besitzer wechseln und wissen genau, wem welches Grundstück gehört. Das funktioniert in Ländern wie Deutschland ganz gut. Doch in Ländern wie Georgien ist das System intransparent und anfällig für Korruption – weshalb Georgien für den Grundstückshandel mit der Blockchain experimentiert.
    Stellen wir uns also vor: Peter, Manfred, Gabi und Petra sind Landbesitzer und wollen mittels einer Blockchain Land kaufen und verkaufen. Dazu stellen wir uns vor, dass jeder von ihnen eine Kladde vor sich liegen hat - ein Stück Papier, auf dem steht, wie viel Land jeder besitzt.
    Tim: "Ich habe zehn Hektar."
    Manfred: "Ich habe 20 Hektar."
    Gabi "Ich habe fünf Hektar."
    Petra: "Ich habe null Hektar."
    Jetzt will Manfred zehn Hektar an Petra übertragen. Petra überweist das Geld und Manfred speichert die Transaktion ins Netzwerk, damit es alle Rechner mitbekommen.
    Manfred: "Ich übertrage zehn Hektar an Petra!"
    Alle im Netzwerk hören das und schreiben das Ergebnis in ihre Kladde: Manfred hat noch zehn Hektar, Petra hat jetzt auch zehn Hektar. So geht das jetzt eine Weile: Gabi überträgt Land an Tim, Manfred an Gabi und so weiter. Alle Teilnehmer im Netz schreiben jede dieser Transaktionen in ihre Kladde. Wenn einer jetzt aus dem Netz aussteigen sollte oder der Rechner zerstört wird, macht das nichts, denn es gibt ja noch die drei anderen Kladden. Dann aber sind die Kladden irgendwann voll, es passen keine weiteren Transaktionen mehr drauf. Das ist der Zeitpunkt, wo alle ihre notierten Transaktionen aus den Kladden in das gemeinsame, einzig gültige und ewige Landregister übertragen müssen.
    Die Magie der Blockchain
    Und jetzt kommt die Magie der Blockchain ins Spiel: Sie überprüft nämlich, dass alle wirklich identische Notizen gemacht haben und überträgt nur die wirklich wahren Landkäufe ins Landregister. Auf allen Rechnern passiert das gleiche wie auf Tims Rechner: Die Transaktionen auf Tims Kladde werden zu einer verschlüsselten Zahl umgerechnet. Mit dieser Zahl müssen die Computer der Teilnehmer ein mathematisches Rätsel lösen. Nur wenn Kladden bei diesem Rätsel dieselbe Lösung auswerfen, sind sie identisch. Für das Lösen des Rätsels gilt im Prinzip: Wer den stärksten Computer hat, hat die größte Chance, als erster die Lösung zu finden. Und damit sich alle schön anstrengen, wird der erste mit ein bisschen Geld belohnt.
    In diesem Fall ist Manfreds Rechner am schnellsten und Manfred teilt die Lösung allen Rechnern im Netzwerk mit:
    Manfred: "Die Lösung für die erste Kladde ist vier!"
    Jetzt überprüfen die übrigen im Netzwerk, ob vier auch bei ihnen die Lösung für das Rätsel ist.
    Ist vier die Lösung?
    Alle: "Ja!"
    Petra: "Nein!"
    Das bedeutet: Petra hat einen Fehler gemacht in ihrer Kladde oder sie hat versucht, zu schummeln. Die Mehrheit der Kladden ist aber identisch. Sie gelten daher als richtig, als wahr, und ihre Transaktionen, Landverkäufe und -käufe werden in das gemeinsame Landregister eingetragen. Der erste Block der Blockchain ist fertig.
    Für weitere Landverkäufe öffnen Manfred und Kollegen eine neue Kladde, führen sauber Buch und wenn die zweite Kladde wieder voll ist, werden sie wieder wie oben überprüft und als zweiter Block ins Landregister eingetragen. Die Blöcke sind kryptografisch miteinander verknüpft, so dass eine wachsende Kette von Land-Transaktionen entsteht.
    Immun gegen Manipulationen
    Dieses wachsende Landregister lagert in der Regel dezentral auf jedem Rechner im Netzwerk. Der aktuelle Stand des Landbesitzes ist immer aus dem letzten Block ersichtlich. Aber jede einzelne Transaktion der Vergangenheit ist aufgelistet und für jeden nachvollziehbar. Und: Keine dieser notierten Transaktionen kann jemals wieder verändert werden. Die Blockchain ist also immun gegen Manipulationen – aber auch anfällig für Falscheingaben, sagt Franz von Weizsäcker, Leiter des Blockchain Lab der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ: "Man kann das natürlich manipulieren, wenn da falsche Informationen reinkommen. Da gilt das Prinzip Garbage in – Garbage out. Man muss also sicherstellen, dass da auch korrekte Informationen reinkommen."
    Kritiker bemängeln deshalb, dass viele Probleme, für die jetzt Blockchain-Lösungen propagiert werden, viel einfacher und effizienter mit herkömmlicher Technik gelöst werden könnten: "Es ist einfach sehr, sehr viel aufwändiger, wenn sich Millionen von Leuten auf einen Zustand einigen müssen als wenn das eine Institution tut", sagt der Autor und Netztheoretiker Michael Seemann. "Es ist einfach in jedem Fall immer teurer, es ist immer aufwendiger, es ist immer komplexer, fehleranfälliger und so weiter und so fort."
    Franz von Weizsäcker: "Jede Blockchain-Anwendung muss sich natürlich immer daran messen, wie sie performt im Vergleich zu einem herkömmlichen System."
    Kaum überzeugende Anwendungen
    Und hier tun sich viele Blockchain-Anwendungen schwer. Auch nach zehn Jahren Blockchain-Technik gibt es – abgesehen von Kryptowährungen á la Bitcoin – kaum überzeugende Anwendungen, kaum Probleme, die wirklich nur mit Blockchain-Technik gelöst werden können. Der Hype um den Begriff ist entstanden, weil Idealisten, Nerds und Firmen all ihre Hoffnungen auf die neue Technik projizieren: Weniger Staat! Weniger Institutionen! Mehr Umsatz! Doch Dezentralität allein ist kein Wert an sich. Wer staatlichen Institutionen nicht mehr traut, muss Software vertrauen. Viele ziehen da dann doch demokratische Institutionen vor.