Christoph Heinemann: Wenn sich Kameras und Mikrofone auf einen Krisenherd richten, wie gegenwärtig auf Syrien, dann freuen sich die Diktatoren, die mangels Aufmerksamkeit im Verborgenen handeln können, etwa Umar al-Baschir in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Vor einem Jahr löste sich der Süd-Sudan vom Sudan und wurde ein selbstständiger Staat. Zwei Jahrzehnte Bürgerkrieg waren vorausgegangen. Das so bezeichnete umfassende Friedensabkommen ebnete den Weg für die Unabhängigkeit des Südens. Aber die Teilung des Sudan brachte den Menschen im Grenzgebiet keinen Frieden – im Gegenteil. In den Nuba-Bergen wird wieder gekämpft, denn der Status der Region bleibt offen. Die Nuba-Berge liegen im Bundesstaat Süd-Kordofan, der zum Sudan gehört, also von Khartum aus regiert wird. Aber die Menschen fühlen sich mehr dem Süden zugehörig. Gegen die Rebellen der sudanesischen Volksbefreiungsarmee, die in der Region des Blauen Nils und der Bergregion der Nuba-Berge für eine Lösung von Khartum kämpfen und die mit der süd-sudanesischen Regierung in Verbindung stehen, setzt die Regierung in Khartum die Luftwaffe ein. Leidtragende – das kann man sich vorstellen – sind einmal mehr die Zivilisten.
– Vor dieser Sendung haben wir mit Macram Max Gassis gesprochen. Er ist Sudanese, 1938 in Khartum geboren, und katholischer Bischof von El Obeid in der Region Kordofan. Ihn habe ich gefragt, welche Ziele die Menschen in der Grenzregion verfolgen.
Macram Max Gassis: Es geht um Selbstbestimmung. Die Nuba wollen über ihre Zukunft bestimmen. Und das, seit sie der Volksbefreiungsbewegung im Süden beigetreten sind. Die Nuba haben gesagt: "Wir sind keine Araber. Einige von uns sind Moslems, aber nicht alle. Vor allem aber verfügen wir über eine eigene Kultur, Tradition und Lebensart. Wir wollen afrikanisch bleiben." Der Süden hat sich für eine Abspaltung, die Sezession entscheiden. Fragt sich nur: Was wird jetzt aus den Nuba? Ihnen wurde eine Art Volksrat eingeräumt, sodass sie schrittweise über ihre Zukunft bestimmen können, mit einem Gouverneur, mit Regionalparlament und Ministern. Aber jeder Entscheidung muss der Präsident zustimmen. Und wer ist dieser Präsident: Umar al-Baschir. Ich habe ihn sagen hören: Wenn wir die Wahl im Süden nicht an der Wahlurne gewinnen, dann werden wir mit der Munitionskiste siegen.
Heinemann: War die Abspaltung des Südens falsch, solange die Grenzfrage und die Ansprüche auf die ölreichen Gebiete nicht geklärt waren?
Gassis: Ja, denn ich stimme auch der Bezeichnung "umfassende Friedensvereinbarung" nicht zu. Sie war nicht umfassend, denn vieles wurde nicht umgesetzt. Man muss diese Vereinbarung überarbeiten. Die Grenzfrage, das Öl, die Zukunft der Nuba-Berge und des Gebiets am Blauen Nil müssen dabei berücksichtigt werden. Das sind sehr schwierige Fragen. Und wenn wir die nicht lösen, dann wird Süd-Sudan niemals Frieden erlangen.
Heinemann: Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?
Gassis: Wir möchten, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf das Regime in Khartum ausübt, damit die Bombardierungen der Zivilisten in den Nuba-Bergen und im Gebiet des Blauen Nils beendet werden. Damit würden wir auch die Ernährungslage verbessern. Die Nuba sind dafür bekannt, dass sie sehr hart arbeiten. Sie sind es nicht gewohnt, von außen unterstützt zu werden. Sie können selbst anbauen, fürchten sich aber gegenwärtig davor, weil sie Opfer der Bomben werden könnten. Außerdem sollte das Regime in Khartum dazu gebracht werden, dass Land- und Luftkorridore eingerichtet werden, damit Nahrungsmittel und Medizin zu den Menschen gelangen können.
Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, ein Gespräch mit Macram Max Gassis, dem katholischen Bischof von El Obeid im Sudan.
– Bischof Macram, unter welchen Bedingungen leben die Zivilisten in den Nuba-Bergen?
Gassis: Einige haben sich auf den tage- und wochenlangen Weg in den Süd-Sudan begeben. Zunächst waren es etwa 20.000, inzwischen dürften es 80.000 Menschen sein. Die meisten sind aber in ihrem Gebiet geblieben. Sie haben sich in die Berge geflüchtet und leben in Höhlen. Einige leben versteckt in den Dörfern, aber Schutz bieten nur die Berge. Auch die Höhlen sind nicht sicher, weil es dort vor Skorpionen und Schlangen wimmelt. Aber die Menschen sagen: Lieber mit diesen Schlagen leben, als den Bomben des Khartum-Regimes ausgesetzt zu sein.
Heinemann: Wovon leben die Menschen?
Gassis: Die Lage ist prekär. Neulich kam eine Frau mit drei Kindern zu unserem Krankenhaus. Die Kinder waren so unterernährt, dass alle drei ihre Leben verloren haben. Der Hungertod ist längst Realität, kein Märchen: Die Menschen haben keine Lebensmittel. Sie essen Blätter und wilde Beeren aus dem Wald.
Heinemann: Was beabsichtigt die Regierung in Khartum?
Gassis: Sie wollen das Nuba-Gebiet schlucken. Sie wollen die Nuba assimilieren. Und eine ethnische Gruppe assimilieren heißt für mich: Töten, ethische Säuberungen, ihre Kultur, die Traditionen, die Sprache und Lebensart vollständig zerstören mit dem Ziel einer Arabisierung. Regierungen müssen Menschenrechte respektieren, verteidigen und durchsetzen und diese nicht verletzen. Khartum hat die Rechte der Bürger immer verletzt. Deshalb kann sich die Kirche nicht still verhalten und ich als Bischof auch nicht.
Heinemann: Gibt es noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung?
Gassis: Solange wir auf der Erde sind, müssen wir hoffen. Wenn wir die Hoffnung verlieren, sind wir erledigt. Meine Hoffnung beruht auf der Zähigkeit der Nuba-Bevölkerung. Sie verteidigen ihre Rechte und ihre Würde. Wofür kämpft das Khartum-Regime? Sie demütigen eine ganze afrikanische Nation. Sie verfolgen übrigens nicht nur die Christen in den Nuba-Bergen, sondern auch die Moslems. Weil die muslimischen Nuba Afrikaner sind. Sie brauen ihr eigenes Bier und essen ihr eigenes Schweinefleisch, Fleisch von schwarzen Schweinen, die frei herumlaufen. Etwas zeichnet die Nuba aus: Einigkeit in Verschiedenheit. In einer Familie gibt es Christen, katholische oder protestantische, Afrikaner mit traditionellem Glauben – früher sagte man Heiden oder Animisten - und es gibt Moslems. Alle in einer Familie und sie leben friedlich zusammen. Auch für den Süd-Sudan ist das ein Vorbild, wo gegenwärtig alles auf der Stammeszugehörigkeit beruht. Und es ist eine Lehrbeispiel für viele afrikanische Länder. Wir müssen unser Bestes tun, um diese Volksgruppe zu schützen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
– Vor dieser Sendung haben wir mit Macram Max Gassis gesprochen. Er ist Sudanese, 1938 in Khartum geboren, und katholischer Bischof von El Obeid in der Region Kordofan. Ihn habe ich gefragt, welche Ziele die Menschen in der Grenzregion verfolgen.
Macram Max Gassis: Es geht um Selbstbestimmung. Die Nuba wollen über ihre Zukunft bestimmen. Und das, seit sie der Volksbefreiungsbewegung im Süden beigetreten sind. Die Nuba haben gesagt: "Wir sind keine Araber. Einige von uns sind Moslems, aber nicht alle. Vor allem aber verfügen wir über eine eigene Kultur, Tradition und Lebensart. Wir wollen afrikanisch bleiben." Der Süden hat sich für eine Abspaltung, die Sezession entscheiden. Fragt sich nur: Was wird jetzt aus den Nuba? Ihnen wurde eine Art Volksrat eingeräumt, sodass sie schrittweise über ihre Zukunft bestimmen können, mit einem Gouverneur, mit Regionalparlament und Ministern. Aber jeder Entscheidung muss der Präsident zustimmen. Und wer ist dieser Präsident: Umar al-Baschir. Ich habe ihn sagen hören: Wenn wir die Wahl im Süden nicht an der Wahlurne gewinnen, dann werden wir mit der Munitionskiste siegen.
Heinemann: War die Abspaltung des Südens falsch, solange die Grenzfrage und die Ansprüche auf die ölreichen Gebiete nicht geklärt waren?
Gassis: Ja, denn ich stimme auch der Bezeichnung "umfassende Friedensvereinbarung" nicht zu. Sie war nicht umfassend, denn vieles wurde nicht umgesetzt. Man muss diese Vereinbarung überarbeiten. Die Grenzfrage, das Öl, die Zukunft der Nuba-Berge und des Gebiets am Blauen Nil müssen dabei berücksichtigt werden. Das sind sehr schwierige Fragen. Und wenn wir die nicht lösen, dann wird Süd-Sudan niemals Frieden erlangen.
Heinemann: Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?
Gassis: Wir möchten, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf das Regime in Khartum ausübt, damit die Bombardierungen der Zivilisten in den Nuba-Bergen und im Gebiet des Blauen Nils beendet werden. Damit würden wir auch die Ernährungslage verbessern. Die Nuba sind dafür bekannt, dass sie sehr hart arbeiten. Sie sind es nicht gewohnt, von außen unterstützt zu werden. Sie können selbst anbauen, fürchten sich aber gegenwärtig davor, weil sie Opfer der Bomben werden könnten. Außerdem sollte das Regime in Khartum dazu gebracht werden, dass Land- und Luftkorridore eingerichtet werden, damit Nahrungsmittel und Medizin zu den Menschen gelangen können.
Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, ein Gespräch mit Macram Max Gassis, dem katholischen Bischof von El Obeid im Sudan.
– Bischof Macram, unter welchen Bedingungen leben die Zivilisten in den Nuba-Bergen?
Gassis: Einige haben sich auf den tage- und wochenlangen Weg in den Süd-Sudan begeben. Zunächst waren es etwa 20.000, inzwischen dürften es 80.000 Menschen sein. Die meisten sind aber in ihrem Gebiet geblieben. Sie haben sich in die Berge geflüchtet und leben in Höhlen. Einige leben versteckt in den Dörfern, aber Schutz bieten nur die Berge. Auch die Höhlen sind nicht sicher, weil es dort vor Skorpionen und Schlangen wimmelt. Aber die Menschen sagen: Lieber mit diesen Schlagen leben, als den Bomben des Khartum-Regimes ausgesetzt zu sein.
Heinemann: Wovon leben die Menschen?
Gassis: Die Lage ist prekär. Neulich kam eine Frau mit drei Kindern zu unserem Krankenhaus. Die Kinder waren so unterernährt, dass alle drei ihre Leben verloren haben. Der Hungertod ist längst Realität, kein Märchen: Die Menschen haben keine Lebensmittel. Sie essen Blätter und wilde Beeren aus dem Wald.
Heinemann: Was beabsichtigt die Regierung in Khartum?
Gassis: Sie wollen das Nuba-Gebiet schlucken. Sie wollen die Nuba assimilieren. Und eine ethnische Gruppe assimilieren heißt für mich: Töten, ethische Säuberungen, ihre Kultur, die Traditionen, die Sprache und Lebensart vollständig zerstören mit dem Ziel einer Arabisierung. Regierungen müssen Menschenrechte respektieren, verteidigen und durchsetzen und diese nicht verletzen. Khartum hat die Rechte der Bürger immer verletzt. Deshalb kann sich die Kirche nicht still verhalten und ich als Bischof auch nicht.
Heinemann: Gibt es noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung?
Gassis: Solange wir auf der Erde sind, müssen wir hoffen. Wenn wir die Hoffnung verlieren, sind wir erledigt. Meine Hoffnung beruht auf der Zähigkeit der Nuba-Bevölkerung. Sie verteidigen ihre Rechte und ihre Würde. Wofür kämpft das Khartum-Regime? Sie demütigen eine ganze afrikanische Nation. Sie verfolgen übrigens nicht nur die Christen in den Nuba-Bergen, sondern auch die Moslems. Weil die muslimischen Nuba Afrikaner sind. Sie brauen ihr eigenes Bier und essen ihr eigenes Schweinefleisch, Fleisch von schwarzen Schweinen, die frei herumlaufen. Etwas zeichnet die Nuba aus: Einigkeit in Verschiedenheit. In einer Familie gibt es Christen, katholische oder protestantische, Afrikaner mit traditionellem Glauben – früher sagte man Heiden oder Animisten - und es gibt Moslems. Alle in einer Familie und sie leben friedlich zusammen. Auch für den Süd-Sudan ist das ein Vorbild, wo gegenwärtig alles auf der Stammeszugehörigkeit beruht. Und es ist eine Lehrbeispiel für viele afrikanische Länder. Wir müssen unser Bestes tun, um diese Volksgruppe zu schützen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.