Booking.com im Westjordanland
Tourismus auf besetztem Land

Macht Booking.com illegale Geschäfte in israelischen Siedlungen? Vier NGOs haben Anzeige gegen die Online-Reiseplattform eingereicht. Weil das Unternehmen seinen Sitz in den Niederlanden hat, gerät auch die niederländische Regierung unter Druck.

    Blick auf die Siedlung Alon Mozeh im Westjordanland.
    Blick auf die Siedlung Alon Mozeh im Westjordanland. (picture alliance / SIPA / Mohammed Nasser apaimag)
    Auf Booking.com kann man Übernachtungen im Westjordanland buchen, die von israelischen Siedlern angeboten werden. Das Angebot reicht von kleinen Appartements bis hin zu Villen mit Pools. Das Land, auf dem die Unterkünfte stehen, ist völkerrechtswidrig von Israel besetzt. Menschenrechtsorganisationen fordern, dass Booking.com diese Geschäfte einstellt.

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    Warum werden die Unterkünfte im Westjordanland kritisiert?

    Die Unterkünfte liegen in israelischen Siedlungen, die es nach einem Rechtsgutachten des höchsten Gerichts der UN, des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (IGH), dort nicht mehr geben dürfte. Im Jahr 2024 stellte der IGH fest, dass die anhaltende Präsenz Israels in den palästinensischen Gebieten unrechtmäßig ist. Die Besatzung komme einer Annektierung gleich, also einer gewaltsamen und widerrechtlichen Landnahme. Deshalb müsse Israel sie schnellstmöglich beenden.
    Dass Israelis auf dem Land auch Tourismus anbieten, ist für Shawan Jabarin Teil des Besatzungsregimes. Jabarin ist Direktor von Al-Haq, einer großen palästinensischen Menschenrechtsorganisation, die nach eigenen Angaben sowohl Menschenrechtsverbrechen durch Israelis dokumentiert, als auch solche durch die Palästinensische Autonomiebehörde. Dadurch dass Booking die Unterkünfte bewerbe, mache sich das Unternehmen mitschuldig, meint Jabarin „Damit hat man Anteil an Kriegsverbrechen“, sagt er. Der Tourismus sei ein Eckpfeiler der Besatzungsmacht.
    Siedlungsbau und Tourismus werden parallel und miteinander vorangetrieben: Vor 30 Jahren lebten im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, rund 150.000 jüdische Siedler – inzwischen sind es fast 800.000. Nach Angaben einer Sprecherin des israelischen Tourismusministeriums hat Israel im Jahr 2024 etwa fünfeinhalb Millionen Euro in die Entwicklung des Tourismus im besetzten Westjordanland investiert.
    Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch warnten bereits 2018, dass die Vermittlung von Unterkünften in den besetzten Gebieten die Siedlungen attraktiver und beständiger machten. Das trage dazu bei, dass sich dort mehr israelische Bürger niederließen.

    Wie machen NGOs Druck auf Booking?

    Die vier Nichtregierungsorganisationen SOMO, The Rights Forum, Al-Haq und The European Legal Support Center haben eine Strafanzeige gegen Booking.com bei der niederländischen Staatsanwaltschaft eingereicht. Denn das Unternehmen hat seinen Sitz in Amsterdam, die Einnahmen fließen auf niederländische Konten. Der Vorwurf der NGOs lautet: Geldwäsche von Einnahmen aus illegal besetzten Gebieten.
    Lydia de Leeuw, die bei SOMO arbeitet, erklärt den Vorwurf so:
    „Die Siedlungen sind das Ergebnis eines Kriegsverbrechens. Wer daran verdient, profitiert von diesen Verbrechen. Genauso wie es nicht erlaubt ist, mit Drogenhandel Geld zu verdienen, ist es auch nicht erlaubt, mit Kriegsverbrechen Geld zu verdienen. Es geht um illegale Einnahmen, die unterbunden und als Geldwäsche betrachtet werden müssen.“
    Ob die Online-Reiseplattform wegen des Vorwurfs der Geldwäsche nun von einem niederländischen Gericht gezwungen wird, ihre Aktivitäten dort einzustellen, bleibt abzuwarten. André Nollkaemper, Professor für internationales Recht an der Universität von Amsterdam, hält es nicht für ausgeschlossen, auch wenn der Fall rechtlich kompliziert ist. Die Strafanzeige haben die NGOs bereits im Mai 2024 eingereicht, wie es damit weitergeht, ist unklar. „Die Staatsanwaltschaft hat eine harte Nuss zu knacken“, sagt Nollkaemper.
    Für die vier NGOs wäre es schon ein großer Erfolg, wenn zumindest strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden würden. Lydia de Leeuw von SOMO: „Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorne. Dann gibt es zwar noch keine Anklage und auch keine Verurteilung. Aber dann hätten wir die erste Hürde weg von der Straffreiheit genommen. Dieses Signal zu setzen, wäre unglaublich wichtig.“

    Wie geht die niederländische Regierung mit dem Fall um?

    In seinem Rechtsgutachten aus dem Jahr 2024 hat der Internationale Gerichtshof (IGH) nicht nur Israel aufgefordert, die Besatzung zu beenden. Zudem sprach der IGH auch andere Staaten an: Sie sollten die Besatzung nicht anerkennen und auch nicht zur Aufrechterhaltung der illegalen Situation beitragen oder sie unterstützen.
    Das betreffe indirekt auch die Geschäfte von Unternehmen, sagt Rechtsexperte Nollkaemper. Denn die Staaten müssten Maßnahmen ergreifen, um Handel und Investitionen in den besetzten Gebieten zu unterbinden. „Konkret bedeutet das für die Regierung in Den Haag, dass sie den Import von Produkten aus den besetzten Gebieten zu beenden und auch dafür zu sorgen hat, dass die in den besetzten Gebieten tätigen niederländischen Unternehmen ihr Geschäft dort beenden müssen.“
    Stattdessen aber lässt die niederländische Regierung die Unternehmen gewähren. Offiziell gilt zwar eine „Politik des Entmutigens“, wie die niederländische Regierung es nennt. Mit anderen Worten: Sie hat sich vorgenommen, Unternehmen zu davon abzubringen, in den besetzten Gebieten Geschäfte zu machen.
    Aber wirklich umgesetzt wird diese Politik nicht, wie Recherchen des niederländische Fernsehprogramms ARGOS belegen. ARGOS bekam Einsicht in eine interne E-Mail von Beamten des Aussenministeriums. Darin heißt es: „Wir haben gemeinsam beschlossen, bei Booking.com nicht proaktiv vorzugehen und das Unternehmen über unsere Entmutigungspolitik zu informieren. Das könnte als zu nachdrücklich empfunden werden. So weit wollen wir nicht gehen.”

    Wie begründet Booking die Unterkünfte auf besetztem Gebiet?

    Booking.com rechtfertigt die Unterkünfte mit seiner Unternehmens-„Mission“. Diese bestehe darin, „es für alle einfacher zu machen, die Welt zu erleben.“ Es stehe dem Unternehmen nicht zu, darüber zu entscheiden, wohin jemand reisen darf oder nicht, so der Online-Reiseanbieter. Man bemühe sich stets, „im Einklang mit allen geltenden Gesetzen und Vorschriften zu handeln“. Dazu arbeite das Unternehmen mit den zuständigen Behörden zusammen. Reisende unterstütze man zudem mit Informationen über Konfliktregionen, damit sie fundierte Entscheidungen treffen könnten.
    Doch selbst manche Booking.com-Mitarbeiter scheinen die Geschäfte des Unternehmens in den besetzten Gebieten abzulehnen. Dem investigativen niederländischen Fernsehprogramm ARGOS zufolge gab es bereits mehrere interne Petitionen an die Firmenleitung, keine Unterkünfte in den besetzten Gebieten über die Website anzubieten.

    pto