Eigenstaatlichkeit
Was die Anerkennung Palästinas bedeutet

Frankreich will Palästina als Staat anerkennen. Damit folgt es den meisten Ländern der Welt, bildet aber eine Ausnahme unter den westlichen Staaten. Welche Gründe und Auswirkungen hat das? Welche Reaktionen gibt es? Wie steht Deutschland dazu?

    Eine Illustration zeigt, wie palästinensische und israelische Flaggen zerrissen werden.
    Soll die Anerkennung Palästinas am Anfang oder Ende eines Friedensprozesses stehen? Die meisten Länder haben den ersten Schritt getan. (imago / Ikon Images / Roy Scott)
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, Palästina als Staat anerkennen zu wollen. Das soll offiziell im September vor der UN-Generalversammlung geschehen. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Regierungen von Norwegen, Spanien, Irland und Slowenien die Staatlichkeit Palästinas anerkannt. Was folgt daraus?

    Inhalt

    Warum will Frankreich Palästina als Staat anerkennen?

    Der Aufbau eines palästinensischen Staates trage zur Sicherheit der gesamten Region bei, schreibt Macron in seinem Post auf X. Bedingung dafür sei Demilitarisierung und eine volle Anerkennung Israels. "Frieden ist möglich", so Macron. Er fordert eine Waffenruhe, die Befreiung aller israelischen Geiseln und massive humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza. Dazu gebe es keine Alternative.
    Im Kriegsgebiet ist die Lage der Menschen derzeit katastrophal und verschlechtert sich laut Hilfsorganisationen besonders für Kinder und Alte. Es herrscht eine Hungersnot, die sich noch vergrößern könnte. Bereits jetzt gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation tägliche Todesfälle wegen Unterernährung, weil Hilfsgüter blockiert werden.
    Frankreich unterzeichnete zuletzt einen Appell von 28 Staaten zur Beendigung des Gaza-Krieges, dem sich Deutschland allerdings nicht anschloss. Frankreich wäre nach Russland und China die dritte Vetomacht im UNO-Sicherheitsrat, die einen palästinensischen Staat anerkennt.

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    Welche Reaktionen gibt es auf Macrons Vorstoß?

    Die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas begrüßen Frankreichs Schritt. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hat laut Macron zugesichert, hoheitliche Aufgaben auch in Gaza wahrzunehmen, im kommenden Jahr Wahlen abzuhalten, den künftigen palästinensischen Staat nicht zu militarisieren und die Hamas zu entwaffnen.
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte Macrons Vorstoß hingegen: "Ein solcher Schritt belohnt Terror", hieß es in einer Stellungnahme. Auch US-Außenminister Marco Rubio wies Macrons Plan zurück. Auf X nannte er die Entscheidung "rücksichtslos". Sie diene nur der Hamas-Propaganda, sei ein Rückschlag für den Frieden und ein "Schlag ins Gesicht der Opfer vom 7. Oktober".

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    Unionspolitiker kritisierten Macrons Ankündigung moderater, aber ebenfalls als "falsches Signal". "Die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat sollte am Ende des Friedensprozesses im Nahen Osten stehen", sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt.
    Der frühere deutsche Botschafter Martin Kobler bewertet Macrons Vorhaben dagegen positiv. Der bisherige Weg, einen palästinensischen Staat an das Ende eines Friedensprozesses zu setzen, habe sich als falsch erwiesen. Der Weg, den Frankreich jetzt gehe, sei zukunftsfähig. Die Anerkennung Palästinas als Staat habe auch eine hohe Strahlkraft für die Region.

    Wie steht Deutschland zur Anerkennung Palästinas als Staat?

    Die Bundesregierung teilte mit, Palästina zumindest vorerst nicht anerkennen zu wollen. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte als Reaktion auf Macron, eine Anerkennung Palästinas könne nur einer der abschließenden Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung sein. Israels Sicherheit habe für die Bundesregierung übergeordnete Bedeutung. Dauerhaft könne nur eine Zwei-Staaten-Lösung Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser bringen.
    Es brauche jetzt einen Waffenstillstand in Gaza, so Kornelius. Die Geiseln, darunter deutsche Staatsangehörige, müssten freikommen. Zudem müsse die Hamas entwaffnet werden. Israel müsse die katastrophale humanitäre Lage in Gaza "sofort und drastisch verbessern".

    Welche Länder erkennen Palästina bereits als Staat an?

    Fast 150 von insgesamt 193 UN-Mitgliedsstaaten erkennen Palästina als souveränen Staat an, also die meisten Staaten in Lateinamerika, Afrika und Asien. Zu den Ausnahmen zählen die USA, Kanada, Australien und Japan, aber auch europäische Staaten wie Deutschland, Großbritannien, Italien, Griechenland, Portugal, Finnland, Österreich und die Schweiz.

    Warum haben Spanien, Norwegen, Irland und Slowenien Palästina 2024 als Staat anerkannt?

    Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez sagte zur Begründung, der Schritt der Anerkennung richte sich weder gegen Israel noch gegen die Juden. Vielmehr solle dadurch die Zwei-Staaten-Lösung gefördert werden, um nach Jahrzehnten endlich Frieden in der Region zu erreichen.
    Auch Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre sprach sich 2024 für eine schnelle parallele Existenz zweier Länder - Israel und Palästina - aus. Mit der Anerkennung Palästinas als Staat sollten ihm zufolge moderate Kräfte unterstützt werden, die im Gazakrieg „an Boden verloren“ hätten.
    Auch der ehemalige irische Regierungschef und jetzige Außenminister des Landes, Simon Harris, sieht in der Zwei-Staaten-Lösung die einzige nachhaltige Lösung für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. In Slowenien war die Streitfrage um einen palästinenischen Staat 2024 Thema im Europawahlkampf geworden. Laut slowenischer Medien zielte die Regierung von Ministerpräsident Robert Golob mit der Anerkennung auf die Stimmen linker und liberaler Wähler ab.

    Welche Folgen hat die Anerkennung Palästinas?

    Völkerrechtlich gesehen erst einmal keine. Beobachter werten eine Anerkennung Palästinas vor allem als symbolischen Schritt. Recherchen des ZDF zufolge erhalten die Palästinensergebiete dadurch weder mehr Geld noch Gebietsansprüche.
    Andererseits geschieht die Anerkennung Palästinas nicht im luftleeren Raum und könnte eine Dynamik in Gang setzen. Die Nahost-Expertin Muriel Asseburg erkennt nach 1988 und 2011 derzeit eine dritte Anerkennungswelle: „Ich denke, weil die Situation so verfahren wie noch nie ist.“
    Der Ex-Diplomat Martin Kobler ist der Ansicht, dass vor allem in Norwegens Anerkennung ein symbolisch wichtiger Schritt liegt. Norwegen stehe mit dem Oslo-Prozess für die Suche nach Frieden in Nahost und verstehe die Anerkennung als neuen Impuls.

    Wäre eine Anerkennung Palästinas ein Zugeständnis an die Hamas?

    Manche Kritiker sagen, eine Anerkennung könne von der Hamas als Belohnung für ihren Terror interpretiert werden. Der Nahostexperte Daniel Gerlach sieht das anders: Die Hamas profitiere nicht von der Anerkennung Palästinas als Staat, sagt er: "Die Hamas wäre auch nicht die Organisation, die diesen Staat nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft regieren wird.“

    Welche Gebiete könnten zu einem Staat Palästina gehören?

    Wahrscheinlich würde ein Staat Palästina aus derzeit zwei politischen Gebilden bestehen: dem von der Hamas regierten Gazastreifen und dem Westjordanland unter der Fatah von Mahmud Abbas.
    Dabei gibt es mehrere Probleme: Erstens sind die Grenzen zwischen Israel und palästinensisch kontrolliertem Gebiet nicht komplett geklärt. Gleiches gilt für den Status von Ost-Jerusalem.
    Zudem sind Fatah und Hamas untereinander verfeindet. Somit ist unklar, wer überhaupt der politische Ansprechpartner für einen palästinensischen Staat sein könnte.
    Der 89-jährige Abbas hat nur noch wenig Autorität, die letzte politische Legitimation - seine Wahl zum Chef der Autonomiebehörde - liegt inzwischen fast zwei Jahrzehnte zurück. Die Hamas wiederum ist als Terrororganisation für Israel und viele andere Staaten als Verhandlungspartnerin nicht akzeptabel und inzwischen stark geschwächt.
    Die Karte zeigt, aus welchen Gebieten ein Staat Palästina bestehen könnte.
    Die Karte zeigt, aus welchen Gebieten ein Staat Palästina bestehen könnte. (Deutschlandradio / dpa Infografik, 2024)
    Der Begriff „Staat“ beschreibt im Völkerrecht einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband (Staatsvolk), der auf abgegrenzter Fläche (Staatsgebiet) einer Bevölkerung eine eigene Ordnung (Staatsgewalt) gibt. Je umstrittener der Staats-Status ist, desto wichtiger ist die Anerkennung durch andere Staaten. Die herrschende Meinung im Völkerrecht geht aber davon aus, dass die Anerkennung nicht Voraussetzung, sondern nur Bestätigung für die Existenz eines Staates ist.

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