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Brasilien
Der große Fall der Arbeiterpartei

Einst stand die Arbeiterpartei PT in Brasilien für moralische Erneuerung und den Kampf gegen Hunger und Armut. Heute steht sie vor einem Scherbenhaufen. Korruptionsskandale und Klüngel haben ihr Image stark beschädigt.

Von Julio Segador | 27.05.2016
    Der frühere brasilianische Kabinettschef José Dirceu während einer Anhörung des parlamentarischen Komitees für die Petrobras-Ermittlungen im Gericht in Curitiba am 31. August 2015.AFP PHOTO / HEULER ANDREY / AFP PHOTO / Heuler Andrey
    Einer der schwärzesten Momente in der Geschichte der PT: Der ehemalige brasilianische Kabinettschef José Dirceu ist wegen Schmiergeldzahlungen zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden. (AFP / Heuler Andrey)
    Es dürfte einer der schwärzesten Momente in der Geschichte der PT, der Arbeiterpartei Brasiliens gewesen sein. José Dirceu wird wegen Schmiergeldzahlungen im Zuge des Petrobras-Korruptionsskandales zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt. José Dirceu ist nicht irgendwer: Der heute 70-Jährige war Kabinettschef bei Ex-Präsident Lula da Silva, er ist einer der historischen Partei-Präsidenten der PT.
    Nur wenige Tage liegen zwischen der Verurteilung von José Dirceu und dem Verlust der Regierungsverantwortung der PT. Die Arbeiterpartei in Brasilien liegt am Boden. Helio Doyle urteilt hart:
    "Ich denke, man muss sich eingestehen, dass die Partei gescheitert ist. Es ist ihr nicht gelungen, die erfolgreiche Politik, die vor allem während der Amtszeit von Lula gemacht wurde, zu vertiefen. Man hätte die Dinge, die erreicht wurden, weiterführen müssen."
    Allianzen mit Folgen
    Helio Doyle ist Publizist, Hochschulprofessor und er ist Gründungmitglied der PT. Er war ab 1980 mit dabei, als sich einige linksgerichtete Aktivisten um den Gewerkschafter Luis Inacio Lula da Silva aufmachten, die etablierten Parteien das Fürchten zu lehren. Die Partei wollte eine moralische Erneuerung, es sollte Schluss sein mit der Korruption im Politgeschäft, Schluss mit Hunger und Armut bei Millionen Brasilianern. Was zum Teil auch gelang. Um das zu erreichen musste die PT allerdings Allianzen schmieden – mit den verhassten liberal-konservativen Parteien. Ein Klüngel, der – wie sich inzwischen klar zeigt – die immensen Korruptionsskandale erst möglich gemacht hat. Für Helio Doyle der Anfang vom Ende:
    "Die PT hat diesen Symbolismus verloren, den Kampf gegen das eingefahrene, miefige Establishment, in dem die althergebrachten Eliten das Sagen hatten. Die PT war gezwungen, Teil dieses Spieles zu werden und beteiligte sich an dem Klüngel. Und das hat sie in den Abgrund gezogen."
    Lula da Silva brachte Politiker, Unternehmer und die sozialen Bewegungen an einen Tisch, um das von Hyperinflation, Gewalt und politischer Labilität gebeutelte Land zu stabilisieren. Dieser Lulismuo wird inzwischen nur noch als Klüngel wahrgenommen, der die riesige Korruptionsmaschinerie erst möglich gemacht hat. Auch Rui Falcão, der aktuelle Parteivorsitzende der PT übt nach dem Impeachment gegen Dilma Rousseff erstmals vorsichtig Kritik an der Politik seiner Partei.
    "Wir müssen selbstkritisch einräumen, dass wir zu spät bemerkt haben, dass die Erneuerungspolitik, die wir seit 2003 durchgeführt haben, sich erschöpft hat. Es gab keinen Raum mehr, für eine Politik, bei der alle gewinnen sollten."
    PT muss sich erneuern
    Dass die PT sich erneuern muss, darin sind sich inzwischen alle einig. Die Frage ist nur, wie dies gelingen kann. Helio Doyle hat sich schon seit geraumer Zeit von der Arbeiterpartei, die er einst mitgründete, distanziert. Er fordert einen radikalen Neuanfang:
    Die Ausrichtung der Partei muss neu definiert werden. Die historischen Parteichefs spielen entweder keine Rolle mehr oder es wird gegen sie wegen Korruption ermittelt. Daher ist es notwendig, die PT neu auszurichten und auch eine neue Parteibasis zu formen. Die Arbeiterpartei muss praktisch wiedergegründet werden, damit sie ihre frühere Position langfristig wieder einnimmt.