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Brasilien
Mit diskriminierenden Sprüchen zur Präsidentschaft

Jair Bolsonaro macht aus seiner rechtsradikalen Gesinnung kein Geheimnis, diffamiert seine Gegner - und hat gute Chancen, am Sonntag bei der Stichwahl in Brasilien Präsident zu werden. Von seinem politischen Programm ist allerdings nur wenig bekannt und das ist zum Teil widersprüchlich.

Von Ivo Marusczyk | 26.10.2018
    Porträtfoto von Jair Bolsonaro, Kandidat für die Präsidentschaftswahlen in Brasilien
    Die Militärdiktatur in Brasilien ist für den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro Vorbild (picture alliance/dpa/Dario Oliveira)
    "Wir werden dieses rote Gesindel aus unserem Vaterland verbannen."
    In Brasilien greift ein Politiker nach der Macht, der aus seiner rechtsradikalen Gesinnung kein Geheimnis macht. Er verherrlicht die Militärdiktatur, für die Demokratie und ihre Werte hat er dagegen nichts als Verachtung übrig. Seinen Gegnern droht er ganz offen:
    "Wir werden eine große Säuberung durchführen. Wer von der linken Clique dableiben will, muss sich unseren Gesetzen unterwerfen. Entweder hauen sie ab oder sie wandern in den Knast. "
    Für solche autoritären Sprüche jubeln seine Anhänger ihm zu.
    Provozierende und diskriminierende Sprüche
    Jair Bolsonaro war Fallschirmjäger, wurde aber aus der Armee entlassen, weil er einen Anschlag auf einen Vorgesetzten plante. Seit fast 30 Jahren sitzt er im Parlament, bekannt geworden ist er aber nicht durch Sachpolitik, sondern vor allem durch provozierende und diskriminierende Sprüche. Denn noch mehr als die Demokratie verachtet er Frauen, Schwarze und Homosexuelle.
    "Meine Kinder wurden sehr gut erzogen und sie hatten keinen so schlechten Umgang wie du", so antwortete Bolsonaro auf die Frage, was er machen würde, wenn einer seiner Söhne sich in eine schwarze Frau verliebt. Einer Parlamentskollegin, die ihn kritisierte rief er zu: "Du verdienst es ja nicht einmal, dass man dich vergewaltigt."
    Bolsonaro überschreitet die Grenzen des Sagbaren auch mit Bezug auf die brasilianische Geschichte. Die Militärdiktatur, die Brasilien bis 1985 beherrschte, sieht er als Vorbild: "Ich bin für Folter, weißt du das?" - "Mit Wahlen wird sich in diesem Land nichts ändern, überhaupt nichts. Sondern leider nur mit einem Bürgerkrieg."
    Attentat brachte viele Sendezeit
    Seit Anfang September ist Bolsonaro nicht mehr im Wahlkampf aufgetreten. Ein Mann hatte ihn bei einer Kundgebung angegriffen und ihm ein Messer in den Bauch gerammt. Doch das Attentat bremste ihn nicht, sondern verschaffte ihm Aufmerksamkeit und Sendezeit. Viele Sender berichteten stundenlang über ihn. Einer Fernsehdebatte mit seinem Stichwahl-Gegner Fernando Haddad stellte er sich nicht. Bolsonaro führte seinen Wahlkampf zuletzt praktisch ausschließlich über soziale Netzwerke.
    Mit Unterstützung einiger Unternehmer wurde WhatsApp regelrecht mit Fake News geflutet. Mit diffamierenden Behauptungen oder manipulierten Bildern seines Gegners. Haddad wolle Kirchen verbieten, Vermögen beschlagnahmen und Inzest sowie Pädophilie erlauben. Solche Behauptungen erwiesen sich als effektive Wahlkampf-Schützenhilfe, sagt Oliver Stuenkel von der Getulio Vargas-Stiftung.
    Was will Bolsonaro?
    Das politische Programm von Jair Bolsonaro ist allerdings nur in Ansätzen zu erkennen. Er kündigte an, Staatsbetriebe zu privatisieren. Das brachte ihm Unterstützung aus Wirtschaftskreisen ein, obwohl es älteren Aussagen Bolsonaros diametral widerspricht. Er fordert eine weitgehende Freigabe von Schusswaffen, damit will er die ausufernde Gewalt in den Griff bekommen. Den indigenen Völkern Brasiliens werde kein Zentimeter Land mehr zugestanden. Und auch Naturschutzgebiete will er zur Ausbeutung freigeben, er sieht sie vor allem als Hindernis für wirtschaftliche Interessen.