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Brasilien vor Stichwahl
Brandstifter gegen Biedermann

Zwei Wochen bleiben in Brasilien bis zur Stichwahl um das Präsidentenamt. In Umfragen liegt der Rechtsaußen-Kandidat Jair Bolsonaro deutlich vorn. Sein Gegner Fernando Haddad versucht, die Stimmung zu drehen und setzt auf eine breite demokratische Front. Die Wähler sind gespalten.

Von Ivo Maruscyk | 13.10.2018
    Eine Frau hält bei einer Demonstration gegen den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro ein Bild von Bolsonaro mit der Aufschrift "Vomito" ("Erbrochene") hoch. Zahlreiche Menschen gingen in Sao Paulo gegen Bolsonaro und seinen rassistischen, frauen- und schwulenfeindlichen Kurs auf die Straße.
    Vor der Stichwahl in Brasilien: Protest gegen Bolsonaros rassistischen, frauen- und schwulenfeindlichen Kurs (picture alliance / dpa / Pablo Albarenga)
    Auf der Avenida Paulista in São Paulo rufen wieder Zehntausende "Ele não - der nicht". Gemeint ist Jair Bolsonaro, der die erste Runde der Präsidentschaftswahlen klar gewonnen hat. Seinem Stichwahl-Gegner Fernando Haddad bleiben noch zwei Wochen, um die Stimmung zu drehen. Er versucht, auf Angriff umzuschalten.
    "Bis heute verteidigt mein Gegner öffentlich Folterknechte, obwohl er weiß, dass die in den Kellern der Diktatur Frauen immer wieder vergewaltigt wurden. Und Menschen werden angegriffen, selbst Journalisten, die über seine Einstellung zur Demokratie berichten."
    Umfragen deuten auf Bolsonaro
    Haddad, der Kandidat der Arbeiterpartei, spürt scharfen Gegenwind. Ursprünglich lagen die beiden Kandidaten in Umfragen gleichauf, aber die neuen Zahlen kündigen einen deutlichen Wahlsieg für Bolsonaro an - den Rechtsaußen-Kandidaten an, der durch rassistische, frauenfeindliche und homophobe Einstellungen bekannt geworden ist.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Fernando Haddad, Als Ex-Bürgermeister von São Paulo, und Ex-Bildungsminister haftet an ihm der Stallgeruch etablierten Parteien (imago stock&people)
    Haddad versucht es mit einer neuen Kampagne, statt mit dem roten Stern der Arbeiterpartei zeigen seine Plakate jetzt die Nationalfarben grün und gelb. Haddad setzt darauf, eine breite demokratische Front gegen Bolsonaro aufbauen zu können. Doch bis jetzt gelingt ihm das nicht.
    Haddad fordert Bolsonaro auf, sich vor der entscheidenden Stichwahl endlich auch der öffentlichen Debatte zu stellen.
    "Wir befürchten, dass er trickst, um die Debatten zu vermeiden. Ich diskutiere von mir aus auch im Krankenhaus mit ihm. Wenn es sein muss, debattiere ich auch im Krankenhaus über Brasilien."
    Brasilien ist gespalten
    Denn Bolsonaro hat alle öffentlichen Auftritte abgesagt, nachdem ein Mann ihn niedergestochen und schwer verletzt hatte. Auch an Fernsehduellen nahm er nicht teil. Er sagt dazu:
    "Wenn jemand glaubt, ich laufe vor den Debatten davon, ich achte nur auf meine Gesundheit. Es bringt ja nichts, wenn ich dann einen Rückfall habe und zurück ins Krankenhaus muss. Am Donnerstag werde ich grünes Licht bekommen und dann noch an zwei Debatten teilnehmen, aber nicht an so vielen wie auf der Liste waren."
    Die Stimmung in Brasilien ist gereizt, im Wahlkampf geht es längst nicht mehr um sachliche Argumente. Wer sich öffentlich zu einer Seite bekennt, muss mit Angriffen rechnen. Sogar der erste Tote ist zu beklagen. In Salvador da Bahia wurde der Sänger Moa do Katendê ermordet.
    Der Wahlkampf wird also radikaler, doch Bolsonaro will damit nichts zu tun haben.
    "Da ist ein Typ mit einem T-Shirt von mir, der über die Stränge schlägt. Was kann ich dafür? Ich bedauere das und bitte darum, so etwas nicht zu tun, aber ich habe ja keine Kontrolle über die Millionen von Menschen, die mich unterstützen. Die Gewalt kommt von der Gegenseite, die Intoleranz auch", sagt Bolsonaro und verweist darauf, dass er selbst auch niedergestochen wurde. Wahlkampf macht er weiter aus Sparflamme fast nur über Twitter. Er kann ruhig abwarten - denn das Moment ist auf seiner Seite.